Dienstag, 15. Oktober 2013

Roc Marciano - Reloaded

Release Date:
13. November 2012

Label:
Decon Records

Tracklist:
01. Tek To A Mack
02. Flash Gordon
03. Not Told (Feat. Knowledge Pirate & Ka)
04. Pistolier
05. Thugs Prayer Pt.2
06. 76
07. We Ill
08. Deeper
09. Death Parade
10. 20 Guns
11. Peru
12. Thread Count
13. Nine Spray (Feat. Ka)
14. Emeralds
15. The Man

Review:
Der Meister ist zurück, und das genau zur richtigen Zeit. Wer die letzten zwei Jahre auch nur ansatzweise ein Auge auf Herrn Marciano geworfen hat, der kann nur ahnen, wie froh der inzwischen darüber sein muss, nicht wie seine UN-Kollegen quasi völlig aus dem Rap-Game geschieden zu sein. Von den rohen Eigenproduktionen anno 1997 mit Ox und später 2004 hin zu dem Werk, das ihn 2010 in die Munde aller Eastcoast-Heads katapultierte und ihm anschließend ordentlich die Taschen füllte, als ihn plötzlich jeder auf seinem Projekt als Gast sehen wollte - Roc Marcys Karriere durchlebt gerade ihren zweiten Frühling. Zurücklehnen will sich der Mann aus Hempstead deshalb nicht, als gegeben wird nichts angesehen. Also stehen eine ganze Reihe neuer Projekte an (ein Producer-Album, eines mit Ka, eines mit den Arch Druids und weitere) sowie das offizielle Sophomore, "Marcberg Reloaded", hinter dem nun Decon Records steht.


WRITTEN FOR Rap4Fame

Im Titel wird schon angedeutet, dass Marcy keine musikalische Neufindung nötig hat, um ein weiteres Album mit Material vollzupacken. Im Gegensatz zu "Marcberg" finden hierauf allerdings auch andere Produzenten ihren Weg auf das Album, namentlich der Alchemist, die Arch Druids, Ray West und Q-Tip. Letzterer diente zudem als eine Art Mentor in Producer-technischer Hinsicht, der dem lernbegierigen Marciano beim weiteren Ausfeilen seiner Beats zur Seite stand. Dass deshalb der Minimalismus, der ihm (da genau zur richtigen Zeit in die Szene einschneidend) seinen Hype bescherte, über Bord geworfen wird, muss jedoch nicht befürchtet werden. Noch immer ist die Grundrezeptur genau dieselbe: Exquisite Sample-Arbeit bildet die Grundlage des Albums und garantiert den fast ausgestorbenen Charakter des kompromisslosen, harten New-York-Stils, in den sich der monotone, mancherorts hin und wieder langweilig geschimpfte Rap des Gastgebers mit in großer Dichte dargebrachter, lokaler Straßenterminologie bohrt. Dem beugen sich dann auch sämtliche Gastproduzenten, was "Reloaded" ähnlich kohärent wie "Marcberg" klingen lässt. Tiefgründige Texte sollte man zwar nicht erwarten, doch die sind absolut nicht vonnöten, da Rocky Marciano einer der unangefochtenen Könige darin ist, sich im Aneinanderreihen alltäglicher Ebonics so stilvoll zu gebärden ("Can I kill it? Funkadelic George Clinton / Keep the pimpin' more convincin', without the tension"), dass man besser unterhalten ist als bei den fehlgeleiteten Inhaltsfüllegesuchen so vieler Kollegen. Wenn diese Raps dann über gekonntes, ungerührt cooles Gestell wie etwa dem auf kaum mehr als einem bestechenden Voice-Sample rotierenden "Deeper" daherkommen, bekommt der Fan dieselben feuchten Augen wie seinerzeit bei "Snow". Dabei geht Marcy, der sich selbst gerne mal als Juwelier sieht, den Start ins Album vorerst ohne seine größten Highlights an, zumindest abgesehen vom dreckig losbrechenden "Tek To A Mack". Dafür ist "Not Told" für seine Gastbeiträge, die wiederum in ihrer insgesamt geringen Zahl durchaus ins Album passen, gut geeignet. Spätestens mit der Fortsetzung des "Thug's Prayer" ("You left a big pair of Clarks to fill") wird die Dichte der Kronjuwelen dann maximal: Roc kann mit allem: in Streicher-Bett mit Pinao ("Death Parade"), nur mit Klavier ("76") oder natürlich mit äußerst wenig, was sich im puristischen "Nine Spray" äußert, für das Ka mit seinem statischen Flow geradezu prädestiniert ist. Wer sich hier übrigens über Eintönigkeit beschwert, der ist von einspurigen Genre-Wertevorstellungen über Hatzjagden nach eigentümlichen, auftürmenden Flow-Variationen beseelt, hat das Anliegen der Scheibe nicht verstanden und wird tugendhafte Heldentaten wie "20 Guns" mit seiner grandiosen Sound-Kulisse verschmähen. Als Kitt zwischen den Songs dienen auch diesmal wieder einige Film-Samples - so auch vor "Thread Count" (man bedient sich bei "New York Stories"), in dem Kamaal The Abstract den Gastgeber in Sachen Minimalismus noch überbietet und dennoch mit dem wohl atmosphärisch dichtesten Stück der Platte von dannen zieht, was Marcy am Mic entsprechend würdigt. Geld, Drogen, Henny, Blunts und Zuhälterweisheiten, verpackt mit der Eleganz eines (Rap-)Gentleman. Da bleibt eigentlich nur noch "Emeralds" zu erwähnen, die Arch-Druids-Single, die dieses Album auf dumpfen Snares und mit gefährlichen Streichern zusammenfasst.

Folgender Vergleich soll in keiner Weise ein direkt musikalischer (ebensowenig ein qualitativer) sein, doch in vielerlei Hinsicht ist "Reloaded" Roc Marcianos "Hell On Earth". Denn: Wer den Vorgänger in Ehren hielt und hält, der wird auch im neuen Album einen treuen Begleiter finden, wer damals Prodigy für die Rückkehr seiner eiskalten Art begrüßte, der wird auch dem 2012er Roc Marciano herzlichst Tür und Tor öffnen. Trotz der unzähligen jüngeren Feature-Auftritte behält der Mann seinen Hunger, lässt keine Verwässerungen des öden Eastcoast-Szenen-Querschnitts in sein Album eindringen und bleibt der Fackelträger jener noch faktisch lebendiger, an einer Hand abzählbarer Gralsritter östküstlicher Hardcore-Street-Kunst. Wer also seinen Musikgeschmack in diesen Gefilden beheimatet sieht, der ist mit "Reloaded" für dieses Jahr bestens bedient.
8.3 / 10

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