Sonntag, 16. September 2012

The Roots - undun


Release Date:
06. Dezember 2011

Label:
Def Jam Recordings

Tracklist:
01. Dun (Intro)
02. Sleep
03. Make My (Feat. Big K.R.I.T. & Dice Raw)
04. One Time (Feat. Phonte & Dice Raw)
05. Kool On (Feat. Greg Porn & Truck North)
06. The OtherSide (Feat. Bilal Oliver & Greg Porn)
07. Stomp (Feat. Greg Porn)
08. Lighthouse (Feat. Dice Raw)
09. I Remember
10. Tip The Scale (Feat. Dice Raw)
11. Redford (For Yia Yia & Pappou) (Feat. Sufjan Stevens)
12. Possibility (2nd Movement)
13. Will To Power (3rd Movement)
14. Finality (4th Movement)

Review:
Eineinhalb Jahre sind seit "How I Got Over" ins Land gezogen, in denen die Roots keineswegs untätig waren: Die meisten werden sich an die Kollabo mit John Legend erinnern, aber auch mit R&B-Sängerin Betty Wright arbeitete man zusammen. Daneben ist die Band aus Philly weiterhin bei Jimmy Fallons Show angestellt, was dem Label Def Jam bezüglich der Promotion eines neuen Albums natürlich sehr entgegenkommt. Trotzdem geht "Undun" keine ewig lange Promo-Phase voraus, von der Zeitspanne zwischen Ankündigung, erster Single und Release können andere Alben nur träumen. Abgesehen davon wird zusätzliches Interesse durch die Ankündigung geweckt, dass "Undun" ein Konzeptalbum - das erste der Gruppe - werden solle.
WRITTEN FOR Rap4Fame

 Wie ?uestlove die Welt wissen lässt, war es schon seit Langem sein Wunsch, ein solches Konzeptalbum durchzuziehen, und da sich die Roots sicherlich nicht mit Mittelmaß zufrieden geben und man sich an Großtaten wie beispielsweise Prince Pauls Ausflug in diese Gefilde zu messen hat, verwundert es irgendwie gar nicht mehr, wenn man erfährt, dass sich die von den Roots erzählte Geschichte rückwärts abspielt. Doch schön der Reihe nach, denn der Plot an sich ist noch ein überraschend simpler, "Undun" behandelt nämlich das Leben (und Sterben) des fiktiven Charakters Redford Stevens, den nicht die geringsten Besonderheiten auszeichnen und der mit der unbedingten Absicht, aus der Armut auszubrechen, auf die schiefe Bahn zieht. Den Hörer erwartet deshalb kein überzeichnetes Verbrecher-Epos, das moralisch unausweichliche, tödliche Ende ist trotzdem eingeplant und bestimmt folglich maßgebend die Anfangstöne des Albums. Das einmütige "Dun" beginnt mit dem Geräusch einer EKG-Nulllinie und baut sich ganz vorsichtig zu "Sleep" auf, das Stevens' Gedankenwelt zum Zeitpunkt des Todes (oder danach) einfängt, sich darüber wundert, ob die eigene Familie sich an ihn erinnern wird und mit Zeilen wie "I've lost a lot of sleep to dreams" einen bedrückenden Anstrich wählt, dem auf musikalischer Sicht nur noch eine dünne Unterlage beigemischt wird. "Make My" ist die inhaltlich logische Fortsetzung und bildet das Endstadium von Redfords Leben (der sich dessen sehr wohl bewusst ist) auf viereinhalb Minuten ab. Inzwischen ist das Album auf instrumentaler Ebene gleichgezogen, denn wenngleich man immer noch ruhige Töne anschlägt, schreiten die Roots nun in den Hauptteil ihrer großen Symbiose aus Beats und Rhymes, überwacht von ?uestlove auf der einen und Black Thought auf der anderen Seite. Zweiterer ist dank der hohen Feature-Anzahl keineswegs omnipräsent am Mic, lässt so auch andere Stimmen den Plot kommentieren, behält trotzdem mit seiner sehr determinierten, versierten Art jederzeit das Ruder in der Hand und rollt so das Leben von Redford auf, ohne explizite Geschichten zu erzählen oder zu detailliert zu werden - die Eckpunkte der Handlung lassen sich pro Song an einigen wenigen Zeilen festmachen, womit den Emcees große Bewegungsfreiheit gegeben ist. Wie sich später herausstellt, wird diese genutzt, um auf eine Grundfrage des Albums zu lenken, die philosophische Frage, ob es sinnvoll ist, Gutes zu tun, ob dies mit der angeblich jedem Menschen gegebenen Freiheit und dem Anrecht auf Selbstverwirklichung vereinbar ist. So ist es jedenfalls auch möglich, nur die Musik zu genießen, die etwa in "Kool On", dem einzigen Stück, das mit fröhlicheren Tönen das Hustler-Leben hinten anstellt, in Roots'scher Manier universell meisterhaft aufspielt. In "One Time" gibt ?uest mit seinen Drums einem fülligen Piano die Hand, lädt noch einen ergreifenden Chorus ein und erhält, obgleich lediglich das harte Straßenleben thematisiert wird, einen der intensivsten Songs der Platte. Der Mittelteil ist dem inneren Disput des Hustlers Stevens gewidmet und arbeitet die optionenarme Lage, die ihn zu seinen Taten motiviert, heraus, wobei von "The OtherSide" bis "Lighthouse" die Untermalung (kräftig von Klavier unterstützt) sowohl stützend als auch selbstständig einwandfrei gewählt wurde. Das gilt nur bedingt für "I Remember", das einen Blick in frühere, unschuldigere Zeiten wirft und ebenso dem Verlust dieser Unschuld gedenkt, und "Tip The Scale", das die moralisch gleichgültige Mentalität, jeden schmutzigen Job zu übernehmen, noch überzeugt vertritt. An dieser Stelle hätte das Album enden können, doch die Roots induzieren noch ein weiteres Element und somit ein Ende, das in Form von vier Instrumentalen (wobei das erste unverändert von Sufjan Stevens übernommen wurde und somit auch den Namen des Protagonisten erklärt) Redfords Leben in chronologisch korrekter Reihenfolge großartig instrumentalisiert, vom hoffnungsvollen "Possibility" (schätzungsweise den Träumen des jungen Stevens nachempfunden) über den letztendlichen, chaotischen und unsteten Lebensweg bis hin zum erneut sehr harmonischen "Finality".

Zugegebenermaßen machen die Roots es sich auf der Metaebene ihrer Handlung etwas einfach - Stevens wird von Anfang an die "Krankheit" der Ausweglosigkeit des Ghetto-Lebens aufgebürdet, die ihn zwangsweise auf seinen Pfad führt, von dem es für ihn offenbar auch kein Abzweigen mehr gibt. Doch was will man sich groß beschweren, wo sich quasi jedes andere Rap-Album des Jahres 2011 gar keine solchen Gedanken macht. "Undun" ist eine eher kurze, dafür sehr kompakte und nahezu perfekt durchdachte Angelegenheit, die mit starken Auftritten am Mic ebenso wie mit großartiger, emotionsreicher Musik aufwartet, die über das durchschnittliche HipHop-Publikum hinauszielt und es trotzdem voll anspricht. Im Einzelnen funktionieren nicht alle Songs, am Stück ist "Undun" aber unbedingt zu empfehlen, da die Roots das vielleicht beste Album des Jahres abliefern.

 8.1 / 10

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen