Freitag, 25. November 2011

DTMD - Makin' Dollas


Release Date:
20. September 2011

Label:
Mello Music Group

Tracklist:
01. Intro
02. Makin' Dollas
03. Untitled (Feat. Oddisee)
04. Been Trying
05. You
06. The Struggle Is Real
07. Rainy Day
08. Raw (Feat. Godly MC & Kev Brown)
09. Fantastic
10. A Loan For The Lonely
11. Keep On (Feat. yU)
12. Sea Me Sun
13. God Theory
14. 95 Live (Feat. Quartermaine)
15. The Flame

Review:
Die zwei Jungs sind gerade in dem Alter, in dem der legale Konsum von Alkohol für sie eine Rolle spielt, ihre Aufmerksamkeit liegt derzeit allerdings mehr auf der Musik. DTMD sind Dunc an den Beats und Toine an den Rhymes; die beiden kommen aus Marylands Prince George County und kennen sich schon aus vorpubertären Zeiten. In etwa so lange macht man auch schon Musik zusammen, ein ernsterer Fokus wird allerdings erst um das Jahr 2008 gesetzt. Hier kommen die guten Connections zu den Quasi-Nachbarn und Fackelträgern der HipHop-Gemeinde DMV zum Tragen, weshalb DTMD auf einigen Releases der Mello Music Group erscheinen (z.B. auf "In The Ruff") und schließlich auf dem Label anheuern, um sich schon im Januar 2010 mit der "Basics EP" vorzustellen. Eineinhalb Jahre später steht schließlich "Makin' Dollas" in den Läden.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Wer die EPMD-Referenz bisher also noch nicht verstanden hat, dem wird jetzt nochmal auf die Sprünge geholfen. Nachfahren des Sounds von Erick und Parish sind die beiden jedoch nicht, dafür haben sie mit Mello Music das für sie bestmögliche Label gefunden, denn dort passen sie in quasi jeder Hinsicht hin und unterstreichen darüber hinaus noch des Labels Riecher für vielversprechende neue Acts. Im Prinzip beschreibt "Helpless Dreamer" bereits alles, wofür MMG als Label und vor allem mit seinen neuen Acts steht, weswegen man nicht überrascht sein darf, wenn DTMD Soul-vollen, lockeren HipHop ankarren. Sie selbst nennen als Einflüsse Dilla, Pete Rock oder Jazzy Jeff, als akkurater Vergleich darf allerdings einfach bemerkt werden, dass das Duo irgendwo auf der Linie steht, die man zwischen Kev Brown und Oddisee ziehen kann: Toine hat es als Rapper alles andere als eilig, flowt dafür souverän und stilsicher ganz im Sinne eines Kev Brown, an den auch Dunc mit seiner Produktion nicht selten erinnert, wobei sich zumeist noch eine etwas verspieltere Komponente, die wiederum Parallelen zu Mentor Oddisee aufwindet, findet. Damit sind die Bedingungen für ein ordentliches Album gegeben, der Rest liegt an DTMD selbst. Und die beiden schlagen sich wahrhaftig nicht schlecht, stellen ganz in der Manier bisheriger Mello-Releases ein stimmiges Album zusammen, ohne dabei bahnbrechende Elemente bemühen zu müssen: "Makin' Dollas" ist auf musikalischer Ebene keinesfalls innovativ, eher ein galanter Blick zurück, während Toine als MC die üblichen Themen abgrast: Natürlich werden die eigenen Qualitäten betont, es wird darüber gerappt, dass die eigenen Raps gehaltvoller sind als der große Rest, natürlich kommt der baufällige Zustand der Rap-Szene zur Sprache, zusammengefasst ist der Grundton aber ein sehr positiver, "A Loan For The Lonely" beispielsweise muntert die vermeintlich Einsamen auf. Die wirklichen Standouts sind nicht gerade zahlreich, der Album punktet mehr als Einheit und lässt so auch viele Songs erst gut funktionieren. "Rainy Day" allerdings ist schon für sich ein bezauberndes, schwer an Kev Brown erinnerndes Instrumental, dem die smooth vorgetragenen Zeilen über das täglich Brot wunderbar aufsitzen. Ein ganz ähnliches Bild gibt der Titeltrack ab (dem eine nette Anspielung auf Common vorausgeht), "The Struggle Is Real" knüpft inhaltlich an und findet den Alltagskampf beim ganz normalen Bürger als auch beim bewaffneten Dealer, offenbart außerdem Toine's Ansichten zu Bildungseinrichtungen und HipHop ("HipHop ain't about pushing a two seater, or knowing a few divas / Blowing a little reefer, or new sneakers / We more like the substitute teachers / Cause I learned more from Black Star and Black Thought / Than i ever did from any class of any sort"). Dass das Album hinsichtlich seiner Hingucker gegen Ende abbaut, ist zwar etwas schade, wer das Album nebenbei laufen lässt, dem wird dieser Umstand jedoch kaum auffallen - ein Nebeneffekt der sehr ähnlich klingenden und daher kohärenten Produktionen sowie des praktisch nicht variierenden Reimstils von Toine. Die Highlights sind logischerweise weiter vorne zu suchen: "Untitled" glüht mit seinem Vocal-Sample vor entspannter Energie und ist mit Oddisee hervorragend besetzt, im überragend gefühlvoll designten "Raw" sticht vor allem Godly MC heraus.

DTMD sind keine Sensation, aber eine sinnvolle Addition zu Mello Music Group. Ihr Album zeichnet sich vor allem durch einfache und direkte Zugänglichkeit aus, durch herzhaften Sound und sympathische, wenn auch nie zu komplexe Rhymes. Damit passiert es Dunc und Toine zwar hin und wieder, dass sie bei Hintergrundmusik landen, doch abgesehen davon, dass sie für einen solchen Zweck eine perfektere Wahl kaum sein könnten, haben sie auch ihre brillanten Momente, in denen sie eigentlich alles richtig machen. In diesen Momenten ist "Makin' Dollas" gefühlvoller BoomBap zum Zurücklehnen, wie man ihn heute besser kaum findet, insgesamt erreicht man allerdings nur ein knappes "gut".

6.5 / 10

9th Wonder - The Wonder Years


Release Date:
27. September 2011

Label:
It's A Wonderful World Music Group

Tracklist:
01. Make It Big (Feat. Khrysis)
02. Band Practice Pt. 2 (Feat. Phonte & Median)
03. Enjoy (Feat. Warren G, Murs & Kendrick Lamar)
04. Streets of Music (Feat. Tanya Morgan & Enigma of Actual Proof)
05. Hearing The Melody (Feat. Skyzoo, Fashawn & King Mez)
06. Loyalty (Feat. Masta Killa & Halo)
07. Now I’m Being Cool (Feat. Mela Machinko & Mez)
08. Never Stop Loving You (Feat. Terrace Martin & Talib Kweli)
09. Piranhas (Feat. Blu & Sundown of Actual Proof)
10. Peanut Butter & Jelly (Feat. Marsha Ambrosius)
11. One Night (Feat. Terrace Martin, Phonte, & Bird and The Midnight Falcons)
12. Your Smile (Feat. Holly Weerd & Thee Tom Hardy)
13. No Pretending (Feat. Raekwon & Big Remo)
14. 20 Feet Tall (Feat. Erykah Badu & Rapsody)
15. That’s Love (Feat. Mac Miller & Heather Victoria)
16. A Star U R (Feat. Terrace Martin, Problem & GQ)

Review:
Nach der Trennung von Little Brother hat 9th Wonder es inzwischen geschafft, seinen eigenen Namen ebenfalls als feste Institution im HipHop-Genre zu etablieren - und das bisher ohne offizielles Albumdebüt (wenngleich der zweite Teil von "Dream Merchant" diesen Titel praktisch verdient). Stattdessen hat er daran gearbeitet, ein neues Label inklusive Roster aufzubauen: Jamla und The Academy, zusammen IWWMG. Außerdem unterrichtet er als HipHop-Professor an der Duke University und zählt zu den respektiertesten Produzenten der jüngeren Generation. Wieso also nicht endlich auch mal das ursprünglich für Ende 2008 angedachte "The Wonder Years" veröffentlichen, mit dem man komplett ohne auswärtige Label-Unterstützung ins Rennen gehen kann?

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Einem Producer wie Havoc würde man wünschen, dass er zu seiner besten Zeit musikalisch stehengeblieben wäre, im Fall 9th Wonder ist dem so und trotzdem ist genau diese Begebenheit der größte Kritikpunkt, der dazu geführt hat, dass sein nach "The Listening" und "The Minstrel Show" so gefeierter Sound regelmäßig ins Kreuzfeuer genommen wird - der Nachteil eines Trademark-Sounds, wovon z.B. auch ein DJ Premier ein Liedchen (allerdings kein so lautes wie 9th) singen kann. Beschreitet 9th für sein Album nun also neue Wege? Das lässt sich nur vehement verneinen, seine typischen Drumlines regieren dieses Release sehr absolutistisch. Viel mehr ist die Platte dann auch nicht - ein Haufen Rapper, der sich über typische 9th-Wonder-Beats die Ehre gibt. Ein Konzept gibt es nicht, die einzige Bestrebung ist die Vorstellung der diversen Künstler auf IWWMG, was erklärt, wieso viele Tracks einen etablierten Künstler mit einem unbekannten 9th-Schützling kombinieren. Das alles ist an sich noch kein Verbrechen, denn egal, wie sehr man mit dem gebotenen Sound inzwischen vertraut ist, mit den richtigen Samples kann 9th Wonder schnell wieder an seine Glanzzeiten erinnern. Leider passiert das auf "The Wonder Years" selten bis gar nicht, stattdessen herrscht solides Mittelmaß vor. Da ist es dann schon fast egal, ob gestandene Größen oder unscheinbare Jamla-Newcomer ihr Glück versuchen, das Gesamtbild verschmilzt zu einer Einheit, in der nur wenige Einzelheiten hängenbleiben. Eine davon ist "No Pretending", für das Rae einen mehrere Jahre alten Beat auswählt und keine Müdigkeit ob des Feature-Marathons, den er gerade läuft, zeigt. Sehr verwandt ist das ebenfalls gut hörbare "Loyalty", in dem Masta Killa sich mit seinem ruhigen Auftreten an den Tisch des Hörers setzt. Dass mit HaLo noch ein zweiter Emcee des Academy-Zweigs mit auf dem Track ist, fällt noch weniger auf als Remo, der auf Raekwon folgt - die unterschwelligen Vorstellungen funktionieren also nicht wirklich. Eine andere Idee verfolgt "Enjoy", welches das Gestern, Heute und Morgen der Westküste aufreihen soll und mit gleichwertiger Besetzung sogar recht gut funktioniert und etwas anders als der Rest ist. Der größte Feind der Platte ist nämlich Austauschbarkeit: "Hear The Melody" hat damit zu kämpfen, "One Night" verliert diesen Kampf schon in seinen ersten Sekunden, um dann sang- und klanglos unterzugehen, bei "A Star U R" hört (völlig zu Recht) schon niemand mehr hin. 9th lädt auch einige Damen auf sein Album: "20 Feet Tall" ist allerdings etwas zu langweilig produziert, "Peanut Butter & Jelly" wird von der kräftig säuselnden Marsha überflügelt und hätte eine ausgleichende Rap-Komponente gut vertragen, "Now I'm Being Cool" geht mit Median genau diesen Schritt; wer nicht auf ausladende Gesangseskapaden steht, der dürfte allerdings auch hiermit seine Probleme bekommen. In einem vergessenswerten "Make It Big" greift 9th (das einzige Mal) selbst zum Mic, "Never Stop Loving You" dagegen holt sich Saxophonist Terrace Martin ins Boot, wird deswegen allerdings auch nicht markanter. Den besten Moment greift sich da noch "Band Practice Pt. 2", in dem die Talente von 'Te und Median treffend

Selten zuvor hatte 9th Wonder derartige Probleme damit, dass sein Sound so eintönig klingt. Man erinnere sich an "Dream Merchant Vol. 2", das eine Crooklyn-Dodgers-Hymne ebenso wie das andächtige "Reminisce" aufzuweisen hatte. Zugegebenermaßen wäre "The Wonder Years" auch mit solchen Zusätzen kein durchschlagender Erfolg geworden, doch 9th war eigentlich immer für eine Handvoll satter Highlights zu haben, die nun fehlen - dieses Album ist meistens ganz nett, hin und wieder besser, aber nicht selten eben auch schlechter. Ob der Plan, das doch recht große Roster von IWWMG zu etablieren, funktionieren wird, bleibt stark anzuzweifeln, profilieren kann sich nämlich niemand in nennenswerter Weise. So ist "The Wonder Years" in erster Linie ein Hinweis darauf, dass 9th Wonder sich in Zukunft etwas einfallen lassen sollte, denn die Klasse früherer Tage scheint praktisch nicht mehr durch.

5.1 / 10

MED - Classic


Release Date:
28. Oktober 2011

Label:
Stones Throw Records

Tracklist:
01. INT'L
02. Where I'm From (Feat. Aloe Blacc)
03. Too Late
04. War & Love (Feat. Oh No)
05. Classic (Feat. Talib Kweli)
06. Get That (Feat. POK)
07. JWF
08. Roll Out (Feat. Planet Asia & Kurupt)
09. Blaxican
10. Outta Control (Feat. Hodgy Beats)
11. Flying High
12. Medical Card
13. 1 Life 2 Live
14. Mystical Magic

Review:
Selbst ein Laden wie Stones Throw hat seine Mitläufer bzw. Emcees der zweiten Reihe. Denn Mitläufer ist MED nicht wirklich, eher ein langjähriger Begleiter von Madlib und Konsorten, einer von vielen aus dem Talent-Pfuhl Oxnard, der es eben erst 2005 zu seinem Solodebüt gebracht hat. Über seine ganze Karriere hinweg war Medaphoar sowieso eher für Gastauftritte bekannt - weswegen es nur verständlich ist, dass er mit einem zweiten Album den erneuten Versuch startet, an diesem Image etwas zu ändern. Zum Warmwerden veröffentlicht er dafür (natürlich mit Stones Throw im Rücken) den dritten Teil der "Bang Ya Head"-Reihe in nahezu albumreifer "Special Edition" und lässt "Classic" Ende Oktober folgen.

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All jene, bei denen MED nur am Rande ihres Wahrnehmungsfeldes entlanggezogen ist, werden sich vielleicht wundern, wenn sie seine Stimme und seinen Stil trotzdem wiedererkennen - so viel haben "Push Comes To Shove" und/ oder die vielen Gastauftritte dann doch erreicht. Trotzdem gibt es aus der jüngeren Zeit nicht viel über den Herrn zu berichten, weswegen man direkt dem Album seine Aufmerksamkeit schenken darf: "Classic" und damit zeitlos, von Jung bis Alt jedermann ansprechend soll es sein. Alles andere als bescheidene Vorsätze, die mit Madlib im Rücken zumindest nicht völlig außer Reichweite sind. Dass MED seinem Albumtitel nachkommt, war jedoch von Anfang an mehr als fragwürdig und tritt dann auch nicht ein, ganz gleich, ob Madlib zehn der 14 Songs produziert. Denn ebenso sehr, wie man MED's Stimme zuordnen kann, ist sie kaum in der Lage, den Hörer über eine fehlerfreie Darbietung hinaus zu fesseln. Gerade nach dem Anfangsteil verliert er sich hin und wieder in Madlib's (der ab dem sechsten jeden Track produziert) Sound-Welten, die im Falle "JWF" sowieso nicht berauschend sind, wenn dann aber einen schillernderen Emcee brauchen - dass der Titel für "just wanna fuck" steht, beerdigt nämlich zudem Hoffnungen auf inhaltliche Offenbarungen. Wesentlich besser macht sich "Where I'm From", das vom frisch gebackenen Star Aloe Blacc mit dezenten Vocals ungemein aufgewertet wird. Das kann man über Hodgy Beats nicht behaupten, dessen Anwesenheit lediglich mit dem momentanen OFWGKTA-Hype zu erklären ist - eine logische Addition zu der ohnehin schwachen Madlib-Drumparty ist er jedenfalls nicht. Leider scheinen auch einige andere Komponenten des Albums etwas austauschbar, allen voran Madlib's Beats. Dass als Einleitung des recht mittelmäßigen Weed-Tracks "Medical Card" das gleiche Sample wie schon bei SAS' (wesentlich besserem) "Cheeba Cheeba" eingespielt wird, sollte alles sagen. Nur an wenigen Stellen ist die Vertrautheit, mit der Madlib's Beats durchs Geschehen schlendern, erfreulich: "Flying High" ist so smooth, dass es auch den letzten Madlib-Übersättigten entspannt; an dieser Stelle harmoniert MED dann auch am besten mit 'Lib, ganz im Gegensatz zum holprigen "Roll Out", in dem die Gäste allerdings nicht viel besser aussehen. Madlib's beste Tat sitzt im Anfangsteil: "Too Late" ist wieder ein gut gelauntes Instrumental, das optimal zu MED's feiernden Zeilen passt. Mit zweieinhalb Minuten ist dieses Highlight allerdings viel zu kurz, wenn man bedenkt, welche anderen Tracks wesentlich länger laufen dürfen. Gleiches gilt nämlich auch für den viel zu kurzen, unangefochtenen König der Platte: "Classic" ist ein passender Titeltrack und trägt seinen Namen zu Recht, denn was Karriem Riggins hier aus dem Hut zaubert, ist nicht nur ein kleines Meisterwerk, es fängt auch als einziger Song dieses "Classic"-Gefühl ein, das MED wohl für sein ganzes Album plante. Noch dazu erweist sich Kweli als das passend gewählte i-Tüpfelchen ("These dudes try'nna be new, instead of classic / You represent your block, my crew's intergalactic"). Unnötig zu erwähnen, dass nach dem Potential, das dieser Song (zudem schon längere Zeit vor Album-Release erschienen) aufweist, der Rest der LP eine kleine Enttäuschung ist.

Ist "Classic" deshalb ein Fehlschlag, weil es seiner Single nicht gerecht werden kann? Mitnichten. Ein Klassiker ist es aber ebensowenig. MED's Plan, Madlib bei der Produktion die Hauptarbeit leisten zu lassen und noch einige weitere Bekannte (u.a. Oh No und Alchemist) dazuzuwerfen, mag auf dem Papier gut aussehen, funktioniert aber nicht so recht, denn was der Beat Konducta beisteuert klingt zu selten auf MED abgestimmt und leidet teils unter dem unmenschlichen Output, den Oxnard's Ausnahmeproduzent pflegt. Also ist das erste Drittel ganz nett, der Rest bleibt in Madlib-Mittelmaß stecken, was immerhin noch sehr gut hörbar ist, aber nicht gut genug, um von MED, der als Persönlichkeit einfach keiner der Großen ist (was auch nicht durch etwaige Inhalte oder Konzepte austariert werden kann), zu einem bemerkenswerten Album aufgewertet zu werden.

6.3 / 10

Tragedy Khadafi - Thug Matrix 3


Release Date:
20. September 2011

Label:
Money Maker Ent. / 25 To Life Ent.

Tracklist:
01. Narcotic Lines
02. ILL-Luminous Flow
03. Black Prince
04. Free Thinkers
05. Each One, Teach One
06. Gorilla Warfare (Feaet. Killa Sha)
07. The Wake Up
08. Still Breathing
09. Outstanding
10. Best Of Both Coast (Feat. Killa Sha, King David & Planet Asia)

Review:
Tragedy Khadafi ist zurück in der Freiheit und denkt gar nicht daran, seine Zeit zu verschwenden. Die eigene Maschinerie namens 25 To Life, die Trag seit Mitte der Neunziger als eigenes Label dient, läuft wieder warm, das nächste Album, "The Last Report", ist schon am fernen Horizont zu erblicken. Bis es dann erscheint mag allerdings noch unbestimmte Zeit vergehen, weswegen den Fans vorerst dieses überbrückende Street-Album geboten wird: "Thug Matrix 3". Die "Thug Matrix"-Reihe war zwar eigentlich von Anfang an als eine Art Outlet von 25 To Life, als Mixtape-Snacks, gedacht, doch nachdem der erste Teil schon exklusives Material auffuhr (der zweite hingegen bekanntes Material recycelte), kam Trag zu dem Schluss, auf den dritten frische Tracks aus der Zeit nach seiner Entlassung zu packen.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Viele sind es nicht, zehn Stück um genau zu sein, die es insgesamt auf lediglich ein wenig mehr als 30 Minuten bringen. Die Zeit, sich daran zu stören, sollte aber niemand haben, schließlich handelt es sich um das mit Spannung erwartete erste richtige Material der QB-Legende seit über vier Jahren. Ins Studio holt er sich dafür viele Produzenten, mit denen er bereits gearbeitet hat, beispielsweise die Now And Laterz, William Cooper, Asmatik oder Ayatollah, den Rest füllen Shroom, Audible Doctor und Jungspund araabMUZIK. Wie sich herausstellt liegt Trag damit weitesgehend sehr richtig, sein Ohr für gute Beats und seine nach wie vor ungebrochene Treue zum wahren QB-Sound bescheren dem Head ein Album, das er vielleicht gar nicht mehr erwartet hat. Aber der Intelligent Hoodlum führt seine Karriere konsequent gut fort, kehrt sogar ein wenig mehr zu den Ursprüngen zurück: "Thug Matrix 3" fährt die Hood-Geschichten, die praktisch all seine Releases der letzten zehn Jahre beherrschten, zurück und rückt den Aspekt mehr darauf, was schon den Intelligent Hoodlum auszeichnete. Im Endeffekt wird man keine tiefgründigen politischen Aussagen aus diesem Album ziehen, doch die heißblütig vorgetragene Mixtur aus Five-Percenter-Weisheit, politischen Schlagwörtern und Straßen-Slang überzeugt auf ganzer Länge und zeigt vor allem, dass Khadafi über die vielen Jahre (auch flowtechnisch) kein Bisschen abgebaut hat. Wenn dann in "Gorilla Warefare Status" noch Killa Sha aus dem Grab vorbeischaut, ist der QB-Fan glücklich. Auf der anderen Seite fährt diese Platte darüber hinaus allerdings noch erstaunlich gute Beats auf: Wo araab in "Narcotic Lines" mit zu einfacher Drumline und Geklimper ganz rechts auf dem Klavier ein Album voller Standard befürchten lässt, fegt "ILL-Luminous Flow" solche Sorgen hinfort und spornt auch Tragedy zu Lines wie "Still black and gifted, smoother than stylistics / Higher than G6's, my lines is crucifixes / Cometic hieroglyphics, silver gorilla scriptures / Media mind control, look how they depict us" an. "The Wake Up" hat mit seiner mittelmäßigen Beat-Auskleidung zu kämpfen, ansonsten bringen die Beats genau das, was man bei Tragedy gerne hört. "Outstanding" und "Each One, Teach One", das (in positiver Weise) nach Apollo Brown klingt und zudem als wortgewandte Schilderung seines Lebens im Ghetto auftrumpft ("I'm from the streets, so my message is aggressive / Ghetto apostle, still on a true agenda / [...] Pops died early, my Moms was on heron / I was raised on the same corners that they fell on / Life is a blessing and my essence is strong / The devil's tricknology is so intricate / The school system try'nna say I was illiterate"), passen als Soul-getränkte Nummern ins Bild, "Free Thinkers" (Piano und gepitchtes Voice-Sample) und das lauernde "Still Breathin'" sind typisches Khadafi-Material. Mit "Black Prince" ("Skype Fidel Castro, I build with him often") und dem abschließenden, mit sättigendem Streicher-Aufgebot gemästeten "Best Of Both Coast", das mit einem starken Sha-Vers erneut Bedauern auslöst, ist dann auch schon alles abgehandelt.

So überraschend es sein mag, Tragedy's Street-Album ist in vielerlei Hinsicht ein Erfolg: Es wurde der Beweis erbracht, dass selbst knappe vier Jahre hinter Gittern weder am ambitionierten Rap noch am Gemütszustand von Percy Chapman rütteln können - es macht weiterhin Spaß, diesem Mann beim Spitten zuzuhören. Einen wichtigen Teil dazu tragen die Beats bei, mit denen Trag einmal mehr demonstriert, dass er eine der letzten Bastionen jenes QB-Sounds ist, der in den ausgehenden Neunzigern geprägt wurde. Dass er dafür mit weniger bekannten Namen zusammenarbeitet, ist bei dem gegebenen Resultat nur zu begrüßen. Insgesamt ist "Thug Matrix 3" aufgrund seiner Kürze kein vollwertiges Album, das soll es aber gar nicht sein. Bei der gebotenen Qualität darf man allerdings gespannt sein, ob Khadafi mit "The Last Report" noch einen draufsetzen kann.

6.7 / 10

Poetic Death - Shakespeare Science


Release Date:
30. Juni 2011

Label:
Organized Threat / ihiphop Distribution

Tracklist:
01. Martyr (Pt. One)
02. Brimstone Sonnets
03. Hamlet
04. Cult Following (Feat. Planet Asia)
05. Through My Window
06. Memory Box (Skit)
07. I Wonder (Feat. Top1)
08. Conflict (Feat. Sneakyness)
09. Dark Voices (Feat. The Jotaka & Explicito)
10. Imogen
11. Life Lessons (Dear Grandpa)
12. Macbeth
13. Obsidian Beauty (Feat. JMega)
14. Catacombs
15. Wolves (Feat. Jus Allah)
16. Nosferatu
17. Poker Face
18. Bad Seedz (Feat. Katha, Life Scientist & Mighty Kalipssus)
19. Martyr (Pt. Two)

Review:
Wer dachte, es sei unmöglich, mit 21 Jahren bereits sein neuntes Album zu veröffentlichen, der hat noch nicht die Bekanntschaft von Poetic Death gemacht. 2005 fängt der Junge aus Südkalifornien im Alter von 15 Jahren mit dem Reimen an, stellt gleich ein paar Mixtapes zusammen und bastelt ein Jahr später sein erstes Album zusammen, was zeitgleich zur Gründung von Organized Threat mit einigen Gleichgesinnten führt. Spätestens als vier seiner Freunde kurz vor dem High-Schhool-Abschluss bei einem Autounfall sterben, wird seine Einstellung von bedrückendem Gedankengut geprägt, während er in eine beachtenswerte Arbeitsmoral verfällt, die mehrere Alben pro Jahr nach sich zieht. Trotzdem nimmt er fast das ganze Jahr 2010 eine Auszeit, steigt dann aber wieder mit seinem achten Album ("The Beautiful Ugly") ein und legt, inzwischen in L.A. ansässig, 2011 "Shakespeare Science" nach.

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Selten findet man bei einem jungen Rapper ein so ausgeprägtes Streben nach Poesie, doch PD kann davon anscheinend gar nicht genug bekommen. Möglich wurde sein Output aber erst durch einige sehr gute Connections, die er offenbar so gut gezüchtet hat und konsequent nährt, dass er regelmäßig Beats und Features für lau bekommt, was die Kosten pro Album natürlich erheblich senkt. Ganz ungeachtet dessen ist "Shakespeare Science" ernst zu nehmende Musik und hat nichts mit stümperhaften Aufnahmen aus dem eigenen Keller zu tun. Während Poetic Death erstmals bekannte Namen verpflichten konnte, gehen bei den Beats unbekannte Namen zu Werke: Neben Top1 und Pesticyde von Organized Threat (OgT) sind Kayoss Sonn und Anabolic von Black Hand Digital, der belgische Kwervo sowie der deutsche Phirious mit von der Partie. Wichtig dabei ist, dass das Ergebnis ein sehr homogener Teppich ist, der fast durchgehend düster bis schwermütig gewebt ist. Den bleibendsten Eindruck hinterlässt allerdings der dazu passende Poetic Death, der einen einmaligen Stil pflegt: Mit langsamen Raps und einer unglaublich tiefen (aber weichen) Stimme legt er einen schwarzen Schleier über seine Songs und kreiert eine der düstersten Atmosphären, die ein Album in jüngster Zeit vorzuweisen hatte. Schon mit dem ersten Song zeigt PD außerdem, dass sein Albumtitel nicht unbegründet gewählt wurde, sondern auf seine poetische Ader anspielt, die sich in einer großen lyrischen Dichte niederschlägt: Teil Eins von "Martyr" ist "dedicated to the future genration, these trouble making knuckleheads with symbols on their faces" und bietet direkt einen sehr geschärften Eindruck des amerikanischen Systems (und der Rolle der nicht zu sehr als Opfer hingestellten Schwarzen), der trotzdem nicht mit Hoffnung unterfüttert ist ("And now you wonder where the faith went, it's buried under memories"). Genau so ergießt sich dann die komplette LP: Ein wachsam beobachtender Pessimist mit einem Hang zur Poesie wählt Titel wie "Hamlet" und zeichnet eine schwarze Welt ("I see the irony in mankind with infinite wisom / Like peace is secondary when you're fighting for freedom"). Wohlgemerkt geht es hier nicht um bahnbrechende Skills, PD's Stärke ist sein steter Flow mit den bedeutungsschweren Zeilen, die durch die Instrumentals zumeist bestmöglich komplementiert werden: "Cult Following" ist repräsentativ mit einem langsamen, melancholischen Piano-Loop bestückt, dem Instrument, das so gut zu PD passt. Diese schleppende Stimmung ist des Albums roter Faden, muss aber vor allem bei Gastauftritten aufpassen, nicht von der Spur abzukommen - Sneakyness etwa ist in "Conflict", das PD voll im Griff hat, nur eine Störung des Albumflusses, noch mehr gilt das für die Gäste in "Dark Voices" und "Bad Seedz" (ausgenommen Life Scientist), die viel zu hektisch und unkoordiniert ins Geschehen platzen. Abgesehen davon trifft auch nicht jeder Beat ins Schwarze, sehr wohl aber die meisten: So ergibt sich ein bedrückendes Zusammentreffen mit Jus Allah (der sich danach direkt bei OgT verpflichtete) als bösartige Mörder und es kommt zu einem überragenden Mittelteil: "Imogen" (wieder mit starkem, gelooptem Klavier-Sample) teilt PD's tief betrübende Gedanken zum Thema Liebe, das gehaltvollste Highlight ist allerdings "Life Lessons", das an den 2004 verstorbenen Opa adressiert ist und den Hörer in eine desillusionierte Welt saugt:

"I lost a couple homies right before my graduation
If you ever run into 'em, let 'em know their parents miss 'em
[...]
I've had sex a few times, didn't really see the point of it
If I ever had a kid, I'm pretty sure that I'd adopt it
I still haven't talked to my father, since he walked out
He's never there anyways, so fuck the memory
[...]
Got some tattoos, all across my left side
Zonin' out to 2Pac and wondering if thugs cry
And now I understand what it takes to be a man
I graduated college just to work a 9 to 5er
[...]
But anyways I gotta go now, just wanted us to conversate and see how you were doing
You'll never be a memory, the pain is for eternity
"



Diesem Meisterwerk folgt gleich das nächste, "Macbeth" ist eine geradezu deprimierend düstere Produktion, die die intensive Atmosphäre fortspinnt. Später folgen noch das bedrohliche "Pokerface" ("I've got a little problem with the artists on the mainstream / Shoutouts to Wolf Gang for representin' current mind states") sowie der zweite Teil von "Martyr", das (unter politischen Aspekten) zurück in die Vergangenheit blickt.

Bei einem derart hohen Output, wie ihn Poetic Death an den Tag legt, könnte man auf einem einzelnen Album lieblose Massenware erwarten. Doch was auf "Shakespeare Science" geboten wird ist in höchstem Maße beeindruckend. Die Beats sind sorgfältig gewählt und stammen von fähigen Produzenten, die ein Ohr für Poetic's dunkel eingefärbte Art zu Rappen haben, der Protagonist selbst verlässt sich voll auf seinen monotonen Flow, der ein schwarzes Zelt um den Hörer aufspannt, das sich langsam mit den teils bemerkenswert guten Lyrics füllt. Dieses Album ist beileibe nicht perfekt, denn die nötige atmosphärische Intensität ist nicht durchgehend gegeben, trotzdem ist "Shakespeare Science" mindestens empfehlenswert und zeigt großes Potential.

6.8 / 10

Bronze Nazareth - School For The Blindman


Release Date:
13. September 2011

Label:
ihiphop Distribution

Tracklist:
01. Intro
02. Jesus Feet
03. The Road (Feat. Masta Killa & Inspectah Deck)
04. Fire Implanters (Feat. LA The Darkman)
05. Instrumental Interlude
06. The Bronzeman 2 (Feat. Canibus) (Additional Vocals By Raekwon)
07. King Of Queens
08. Instrumental Interlude
09. Fourth Down (Feat. Salute, Kevlaar 7 & Phillie)
10. Fresh From The Morgue (Feat. RZA)
11. Malcolm School Skit
12. Pictures (Stem Cells)
13. Records We Used To Play
14. The Letter
15. Gomorrah (Feat. Killah Priest)
16. Instrumental Interlude
17. Reggie (Feat. Rain The Quiet Storm)
18. Farewell (Feat. Willie The Kid)
19. Cold Summer (Feat. Salute & June Megalodon)
20. Worship (Feat. Salute, Kevlaar 7 & Phillie)

Review:
Wer sich anschaut, was Bronze Nazareth über die letzten fünf Jahre getrieben hat, der bekommt bestätigt, dass der Produzent und Rapper aus Detroit derzeit der aktivste Beat-Bastler aus dem Kreis der Wu-Elements ist. Nicht nur für diverse Cats aus dem Wu-Universum (letztes Jahr arrangierte er das Album von 60 Sec Assassin, jüngst konnte er einen Beat auf Raekwon's Album landen und produzierte einen großen Teil von Timbo's Debüt), sondern auch für verschiedenste Leute aus dem Untergrund (die "Wu-Tang Meets The Indie Culture"-Platte wird dabei sicher eine Hilfe gewesen sein) schraubte er Beats, lässt sich sogar von 67 Mob für ein komplettes Album anheuern. Außerdem etabliert er seine eigene Truppe, die Wisemen, und arbeitet beständig an dem von Fans heiß erwarteten und schon seit Jahren angekündigten "School For The Blindman".

WRITTEN FOR Rap4Fame
Wie schon "Children Of A Lesser God" erscheint die LP über ihiphop, anscheinend hat Chuck Wilson die Jungs nach dem Babygrande-Exodus also von seiner neuen Vertriebs-Idee überzeugen können. Am Sound der Platte rüttelt das jedenfalls nichts, man merkt, dass Bronze seinen eigenen Kopf und seine Ideen durchgesetzt hat, die fast eine komplette Produktion von ihm vorsehen und als Gäste fast ausschließlich Herren aus der Wu-Tang-Familie. Wer mit "The Great Migration" im Hinterkopf in dieses Album spaziert, der mag zuerst vor den Kopf gestoßen sein, denn wie schon "Children Of A Lesser God" seinen eigenen Sound hatte, herrscht auch auf "Blindman" ein spezieller Vibe - einer, der dem Album eine heute seltene Eigenschaft verleiht: Es wird von Mal zu Mal besser. Wer also zuerst nicht so recht weiß, was er mit diesem Album anfangen soll, der sei ermutigt, noch etwas Zeit zu investieren, denn Bronze hat sich nicht umsonst so viel Zeit gelassen. Bereits das letzte Wisemen-Album hatte eine gewisse Blues-Note, die Bronze auch hier anpeilt und in die sein Album getränkt ist - das Endergebnis klingt trotzdem anders als vorige Releases. "Great Migration" beispielsweise lebte von den ungefilterten, rohen Ambitionen eines weisen Jungspunds, was zu dicken Drumlines und direkt in die Einschlagskraft investierter Energie führte, der Nachfolger ist besonnener, erwachsener und etwas subtiler, kanalisiert die Energie in etwas unterschwelligerem HipHop-Blues, der natürlich trotzdem die üblichen Samples (vorwiegend der 60er) in einer Art flippt, wie man sie nur bei Bronze hört. "Jesus Feet" ist dafür das Paradebeispiel, für das ein eher zierliches, aber sehr treffsicheres Streicher-Sample die Grundlage bildet, auf der Bronze zeigt, dass er auch an seinen ohnehin seit jeher unterbewerteten Raps gefeilt hat. Das frühere Verlangen nach mehr Wu-Generälen hat jetzt erst recht keinen Nährboden mehr, trotzdem lädt Bronze einige ein: "The Road" mit einem Sample der (echten) Diplomats harmoniert vor allem mit dem High Chief, während der Rebel INS solide, aber nicht auf Höchstform (der er wohl seine ganze restliche Karriere hinterherlaufen wird) performt. Selbst nach mehrfachem Anhören fällt zwar auf, dass Bronze die Klasse seines Debüt nicht erreicht, Spaß macht sein Album deshalb trotzdem. Wie er in Tracks wie "King Of Queens" (auf dem er sich an eine Ex erinnert) oder "Records We Used To Play" mit den Samples umgeht, diese in knackige Drums verpackt und dabei den angestaubten Flair nicht verliert, ist eine Wonne, die er nur auf dem eigenen Album in dieser Intensität darlegen kann. Der Überhammer wartet dann in einem typischen, zum Überlaufen mit Soul gefüllten "Fresh From The Morgue", auf dem sich auch Mentor RZA zuhause fühlt. "The Bronzeman" mit Intro von Raekwon wäre dagegen ohne den zu bissigen Canibus besser dran gewesen, die restlichen Gäste passen dafür ins Bild. Die Wisemen zeigen sich als harmonierende Einheit (lediglich der wie Sean Price klingende June Megalodon muss sich noch eingliedern) und LA The Darkman (ebenso wie sein Bruder Willie The Kid) ist hier sowieso besser aufgehoben als bei einem DJ Drama. Schönheitsfehler der Platte umfassen "Gomorrah", bei dem sich Bronze's Gesang in der Hook nicht als die beste Entscheidung herausstellt, während im eigentlich erstklassigen "Farewell" komplett übersteuerte, den Track stark in Schieflage bringende Drums für Unverständnis sorgen. Ansonsten lässt sich zwischen Interludes, einem "Letter" an einen vom rechten Weg abgekommenen und verstorbenen Freund, Storytelling über "Reggie" und Weed-Konversationen mit "Pictures" (u.a. vom Großvater) aber wenig bemängeln.

Die Schule für den Blinden soll sowohl die geistig Umnachteten aufhellen als auch einem Blinden die Möglichkeit geben, etwas von Bronze's Weisheiten mitzunehmen. Das gelingt wieder einmal, Bronze lässt sich nicht von anderen beeinflussen und realisiert seine eigenen Vorstellungen, welche die Umschreibung "HipHop-Blues" an dieser Stelle noch ein weiteres Mal fordern. Die beteiligten Emcees sind auf einer Wellenlänge, die Beats (wenngleich drei Stück von auswärts stammen) folgen dem roten Faden, den Bronze vorgibt. "School For The Blindman" ist in erster Linie ein (zusammenhängendes) Album, zusätzlich eines, das sich nicht sofort öffnet. Man mag ob der Klasse von "Great Migration" und der kleinen hier auftretenden Makel enttäuscht sein, letztendlich legt Bronze aber eines der besten Alben des Jahres vor.

7.1 / 10

Skyzoo - Cloud 9: The 3 Day High


Release Date:
12. September 2006

Label:
Traffic Entertainment Group / Custom Made Entertainment

Tracklist:
01. Bare Witness
02. Way to Go
03. A Day In The Life
04. Stop Fooling Yourself
05. Come Back
06. I'm On It
07. Bodega
08. You & Me
09. Live & Direct
10. The Spirit
11. Extreme Measures
12. Mirror Mirror

Review:
Man erinnere sich zurück ins Jahr 2006, als der Name Justus League noch Gewicht hatte und einige neue Namen ausspuckte. Letztendlich ist nämlich auch Skyzoo (benannt nach einem Skyy-Song) dieser Zeit entsprungen. Der Jungspund aus Bed-Stuy taucht um das Jahr 2005 erstmals mit Mixtapes auf dem Radar einiger Heads auf, findet aber noch kaum Beachtung. Das ändert sich, als der über Chaundon den Kreisen der Justus League vorgestellte Sky anfängt, mit 9th Wonder, dem Rückgrat dieser Bewegung aus North Carolina, Musik aufzunehmen. Da die Chemie sofort stimmt und die Songs einer nach dem anderen von der Hand gehen, hat man schnell ein ganzes Album zusammen. Das will Sky zur weiteren Reputationssicherung über sein eigenes Custom Made Entertainment veröffentlichen, doch nachdem einige Labels Interesse bekunden, findet er mit Traffic sogar einen anständigen Vertrieb.

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"Cloud 9: The 3 Day High" heißt das Album, meint aber keineswegs, dass man drei Tage dauerbreit war, sondern das Album in einem regelrechten Rausch in drei Tagen aufgenommen hat. Ein zweischneidiges Schwert, zumal der somit garantierte Vorteil der Geschlossenheit bei einer Komplettproduktion von 9th Wonder sowieso als gegeben anzusehen ist. Abgesehen davon ist "Cloud 9" keine zu große Überraschung, schließlich schnappte sich 9th Wonder zu jener Zeit auch andere Nonames, um ganze Street-Tapes, Mixtapes oder Alben mit ihnen zu fertigen. Gegen dieses Album spricht ganz klar das Veröffentlichungsdatum, denn 2006 hat die Euphoriewelle bzgl. 9th-Wonder-Beats ihren Zenit schon überschritten und es machen sich erste Überdruss-Erscheinungen hinsichtlich des simpel gestrickten und anfangs doch so wirkungsvollen Fruity-Loops-Sound des Mannes aus North Carolina breit. Da ist es wenig hilfreich, zu erfahren, dass Skyzoo ein Dutzend ebensolcher Instrumentals zur Verfügung hat, getragen von den typischen 9th-Drumpatterns und versehen mit zahlreichen Voice-Samples. Glücklicherweise ist die Übersättigung solcher Beats mit einigen Jahren Abstand großteils verflogen und man kann einen etwas nüchterneren Blick auf das Album werfen. Auch so kommt man nicht umhin festzustellen, dass 9th Wonder streckenweise nicht seine Bestwaren verfeuert hat, doch einige Stücke sind durchaus gelungen. Zumal Skyzoo sein Bestes gibt, um Stimmung zu machen. Das ist für ihn gar nicht so einfach, denn Stimme und Flow eignen sich dafür nur eingeschränkt - vor allem sein belegtes Sprachorgan ist eher langweilig. Deswegen sind Songs wie "A Day In The Life" (das zudem unter einer einfallslosen Hook leidet) nicht der Rede wert, auch wenn Sky mit Storytelling versucht, den Hörer bei Laune zu halten. Wenn 9th allerdings Gladys Knight auf eine erfrischende Weise flippt und "Way To Go" schon für sich genommen zum Selbstläufer macht, werden die Raps von Sky gleich in ein anderes und sehr entspannendes Licht getaucht. "The Spirit" dreht den Spieß um, hier legt Skyzoo ambitioniert los und zieht das ohnehin nicht schlechte Instrumental mit nach vorne. Ansonsten wechseln sich gute und durchschnittliche Tracks beständig ab. Zugute halten darf man dem Duo, dass sich keine schlechten, lediglich langweilige Momente finden, die sich im Zuge der durchaus spürbaren Geschlossenheit aufgrund der 9th-Produktion ertragen lassen. Essenziell sind sie natürlich trotzdem nicht: "Mirror Mirror" ist erstklassiges Einschlafmaterial, nichts anderes gilt für "Extreme Measures" oder "I'm On It". "Bare Witness", in dem Sky das Wesen der Platte, ihren Zweck und ihr Zustandekommen erklärt, ist dagegen ein schönes Intro. Die weiteren Tracks, auf denen 9th seiner immergleichen Formel gute Beats entlockt, sind "Stop Feeling Yourself", das Sky als nachdenklichen Hustler zeigt, das Standard-Liebslied "You & Me" sowie das etwas dünn gestrickte "Come Back", das als zweiter die Damen adressierender Track noch wesentlich ungebundener sein will.

Das größte Problem von diesem Appetizer-Album ist wohl, dass es zum falschen Zeitpunkt erschienen ist, nämlich in einer Zeit, als die Hähne schon aufhören, nach 9th Wonder zu krähen. Doch Sky hat bekanntermaßen Glück und kann sich etablieren. Selbstverständlich ist das nach diesem Album nicht, denn die Justus League ist 2006 nicht unbedingt das beste Sprungbrett, außerdem stellt sich Skyzoo nicht gerade als Ausnahmetalent vor. Für ihn sprechen Wiedererkennungswert, gegen ihn sein austauschbares (immerhin in reichlich Storytelling verpacktes) lyrisches Repertoire und der teils etwas "faule" Flow. Insgesamt ist "Cloud 9: The 3 Day High" ganz sicherlich keine Offenbarung, bietet aber doch eine Handvoll sehr gelungener Tracks, die den durchschnittlichen Rest ein kleines Stück über die graue Masse hinausziehen.

6.2 / 10

Ghost - Seldom Seen, Often Heard


Release Date:
20. März 2006

Label:
Breakin' Bread / Musicforheads

Tracklist:
01. Part Of My Life Intro
02. Seldom Seen, Often Heard (Feat. Verb T, Kashmere & Asaviour)
03. Basic Instinct (Feat. Abstract Rude)
04. Make A Difference (Feat. Lowkey)
05. Music (Skit) (Feat. Disorda a.k.a. Johnny Zig Zag)
06. The Pay Off (Feat. Verb T & Asaviour)
07. Valley Of The Legends (Feat. Kashmere)
08. Talk To Me (Feat. Debbie Devorah)
09. Invisible Inc (Feat. Verb T, Kashmere & Asaviour)
10. Alien Invasion (Feat. Finale)
11. On The Right Track (Feat. Asaviour)
12. Through The Hills (Feat. Mudmowth)
13. Music For The People (Skit)
14. Learn Respect (Feat. Dubbledge)
15. Better Tomorrow (Feat. Asaviour & Verb T)
16. Round Trip
17. Seldom Seen (Outro)

Review:
Er taucht 2002 in der Szene in Großbritannien auf und ist seitdem als Geheimtipp kaum mehr wegzudenken: Ghost unterschreibt 2003 bei Breakin' Bread und veröffentlicht zwei EPs und einige Singles, die sogar kommerziell (für einen Neuling aus dem Untergrund) überdurchschnittlich gut laufen. Der Produzent und DJ hat eine wöchentliche Show bei Itch FM und verbringt als das Arbeitstier, das er ist, den Großteil seiner überschüssigen Zeit im Studio - daher übrigens auch der Name, denn Frischluft wird abschnittsweise nur dann konsumiert, wenn Essen oder Gras alle sind. Trotzdem lässt er sich für sein Albumdebüt Zeit, plant genau, was zu hören und wer beteiligt sein soll, setzt sich dann mit einer Auswahl nicht nur britischer Künstler zusammen und kann 2006 "Seldom Seen, Often Heard" präsentieren.

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Im Gegensatz zu seinen späteren Alben ist das Debüt zumindest hinsichtlich des Aufbaus ein Producer-Album, wie man es von unzähligen anderen Beat-Klempnern ebenfalls kennt. Damit hat man die Parallelen zu anderen Producer-LPs aber auch schon komplett aufgelistet. Das sonstige, stupide Aneinanderreihen von Tracks mit möglichst illustren Gästen sollte man hier gar nicht erst erwarten. Ghost hat in Verb T, Asaviour und Kashmere drei feste Freunde und Brüder im Geist gefunden, die auch hier den Kern der vertretenen Emcees bilden, dazu kommen einige präzise gewählte und vor allem ins Konzept passende Gäste - die Zeit, die sich Ghost vor Aufnahme des ersten Tracks genommen hat, um sein Album erst einmal zu durchdenken, war gut investiert. Die Grundbotschaft, die er transportiert, ist die Musik selbst, der Weg ist das Ziel der Reise, die dieses Album bietet. Ghost's Stil zu beschreiben, fällt gar nicht so leicht, denn wenngleich sich typische BoomBap-Elemente finden, pflegt er in allen seinen Werken einen ganz eigenen Charakter, der sich vor allem durch die jedem Song innewohnende Ruhe auszeichnet. Die wird grundlegend durch intensives Arbeiten mit Samples erreicht, im Speziellen jedoch mit der Wahl und Zusammenstellung jener Samples: Wo man auf anderen Scheiben einen Teil der Samples kennt und sofort die Brücke zu verwandten Platten schlägt, schafft Ghost es tatsächlich, einen eigenen Sound zu etablieren. Seine Waffen sind dabei vereinzelter Klaviereinsatz, viel Akustikgitarre, im Hintergrund arbeitende Streicher, Flöte und ein allen Songs als gemeinsamer Nährboden dienender, etwas angestaubt klingender Vibe, der die LP wie Kleister zusammenhält. In "Make A Difference" kommt sogar eine Harfe (wie immer bei Ghost wird diese jedoch nicht zu sehr in den Vordergrund gestellt) zum Einsatz. Es ist kaum verwunderlich, dass Ghost seine großen Momente in besonnenen Tracks feiern kann, die den Hörer dazu einladen, den Geist treiben zu lassen: Das eröffnende "Seldom Seen, Often Heard" braucht für seine magische Atmosphäre nicht viel mehr als zwei Piano-Loops und das ferne Rauschen von perfekt eingesetzten Rasseln, die den Hörer wie Nebelschwaden im ersten dichten Klangerlebnis einfangen. Dass sich dazu noch die wichtigsten Emcees der Platte vorstellen, ist nur rechtens. Alle drei profilieren sich noch mit weiteren Tracks: "The Pay Off" berichtet von der harten Arbeit, die man in seine Tätigkeiten steckt, "Better Tomorrow" erklärt sich praktisch selbst, "On The Right Track" (mit schönen Cuts von DJ IQ) trägt lose einige von Asaviour's Ansichten zusammen und lebt dabei weitesgehend vom relaxten Outfit, das Ghost bereitstellt, und "Invisible Inc" führt nochmal die gesamte Truppe zusammen. Dazu kommen einige weitere Gäste, vom ebenfalls eng mit Ghost zusammenarbeitenden Dubbledge über die gut eingebaute Sängerin Debbie Devorah bis hin zu zwei Amis: Ein (zu jener Zeit) gänzlich unbekannter Finale aus Detroit bekommt einen perfekt auf ihn und seinen halb genuschelten Flow zugeschnittenes Instrumental, Abstract Rude wird in die unendlichen Weiten, die in "Basic Instinct" von verträumtem Flötenspiel ausgebreitet werden, geschickt und referiert darüber, was ihn und seine Mitmenschen antreibt. Bevor das stimmungsschwere Instrumental "Round Trip" (mit Biscuit's Flöte als Abrundung) den Hörer auf einen letzten Trip schickt und einen Vorgeschmack gibt, was auf "Freedom Of Thought" ausführlicher geboten sein wird, findet sich außerdem noch ein putzmunterer Mudmowth, der sich im von Glockenspiel begleiteten "Through The Hills" pudelwohl fühlt:

"I was nine when I started rhymin' and cypherin'
Aspiring, to be the king of punchlining
Working on my timing, strugglin' and strivin'
A ten year old with Shakespeare-style writing
And I'm still shining with such diverse flows
My piss stream does cart wheels in toilet bowls
"



Die große Stärke von Ghost ist, dass er sich nicht strikt einer Schublade zuordnen lässt, weswegen er potentiell auch für jeden interessant ist, wobei er dieses potentielle Interesse durch die gebotene Qualität nicht nur rechtfertigen, sondern sogar doppelt unterstreichen kann. Außerdem tut er das einzig Richtige, was man auf einem Producer-Album machen kann: Er wählt seine Gäste sorgfältig, achtet darauf, dass jeder Gast auch wirklich an seinen Platz passt und dort nicht wegen seines Names sitzt, er wählt eine überschaubare Anzahl und baut auf einem Dreierkern (Asaviour, Kashmere und Verb T) auf. Rechnet man nun noch seine eigenständige, oft überragende Produktionsarbeit ein, kommt man mit "Seldom Seen, Often Heard" auf ein stimmiges Album, das zwar nicht zu jeder, aber fast jeder Sekunde begeistert.

7.8 / 10

Donnerstag, 17. November 2011

R.A. The Rugged Man - Die, Rugged Man, Die


Release Date:
16. November 2004

Label:
Nature Sounds

Tracklist:
01. Lessons
02. Casanova (Fly Guy)
03. A Star Is Born
04. Chains (Feat. Masta Killa & Killah Priest)
05. Dumb
06. On The Block
07. How Low
08. Mitch Blood Green (Interlude)
09. Midnight Thud
10. Black And White (feat. Timbo King)
11. Brawl
12. Die, Rugged Man, Die
13. Pick My Gun Up (Skit)
14. Da' Girlz, They Luv Me
15. Make Luv (Outro)

Review:
Er ist zugleich einer der tragischsten, ereignisreichsten, lustigsten und zusammengefasst interessantesten Werdegänge eines Rappers überhaupt - jener von R.A. The Rugged Man, der ihn durch ein Dutzend albumlose Jahre im Game führt. Zum Rap findet der junge R.A., der als eines von sechs Kindern zwei behinderten Geschwister (eine Folge des Agent-Orange-Kontakts seines Vaters, ein dekorierter Vietnam-Veteran) hat, bereits mit zwölf Jahren, sechs Jahre später (1992) reißen sich die Labels um ihn und er heuert beim damals mächtigen Jive an, um als Crustified Dibbs sein Debüt ("Night Of The Bloody Apes") aufzunehmen. Doch das Geld, das in den MC aus Long Island gesteckt wird, dematerialisiert der für seine Eskapaden bekannte Rugged Man binnen kürzester Zeit, woraufhin er schließlich ohne Deal dasteht. Dem Respekt, den er in der Szene erhält, tut das vorerst keinen Abbruch, was nichts daran ändert, dass auch ein zweites, Ende der Neunziger für Priority aufgenommenes Album ("American Lowlife") nie das Licht der Welt erblickt. Erst 2004 kommt er mit einem Label, dem Indie Nature Sounds, auf einen grünen Zweig und veröffentlicht sein Debüt, "Die, Rugged Man, Die".

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Wer so viel durchlebt hat, wer einen kollektiven Hass auf Labels pflegt, als weißer Rapper schon Jahre zuvor die Masche abzog, mit der ein anderer Weißer aus Detroit erfolgreich wurde, und Respektbekundungen von Biggie auf dem Konto stehen hat, der hat einiges zu erzählen. Deshalb verwundert es nicht groß, dass "Die, Rugged Man, Die" einerseits von den Skills des Rugged Man (sein ursprünglicher Hype kam schließlich nicht von ungefähr), andererseits von vielen Anekdoten und Gedanken über die vergangenen Jahre als auch seiner ohnehin kranken Persönlichkeit, die sowieso genügend verrenkte Konzepte hervorzubringen imstande wäre, profitiert. Was also für ein erfolgreiches Album fehlt und an dieser Stelle die wesentlich unsicherere Komponente darstellt, sind die Produktionen. Da ist Nature Sounds 2004 noch kein besonders aussagekräftiger Name, ist der Katalog von Dev One's Label zu diesem Zeitpunkt schließlich noch sehr überschaubar. So stehen als Produzenten neben den "prominenten" Ayatollah und J-Zone Namen wie Marc "Nigga" Nilez, Dev 1 selbst, Jocko, Koran The L.T.D. oder Vapor World zur Stelle, von denen man zumeist wenig bis nichts gehört hat. Anfangs scheint das nicht das geringste Problem zu sein, denn Koran legt als Vorzeige-Noname mit "Lessons" das erste waschechte Highlight hin und beschert der Platte einen Traumeinstieg: Sadat X wird in die Hook eingebaut, ein Borderline-kitschiges Glockenspiel klopft sich über die Drumline und gewährt dem Rugged Man gerade jene Art skurriles Szenario, in dem sich der bärtige Sonderling wohlfühlt. Passend dazu wird dem uninformierten Head erstmal ein kleiner Abriss davon gegeben, mit wem er es hier eigentlich zu tun hat und was der Rugged man schon alles erlebt hat:

"They say a white boy need a black boy to win
Uhm, Bubba Sparxxx did it and so did Slim
Just Blaze is hot now, why don't you get with him
I watch mad rappers bite my shit and blow up
And make millions of what I created, that's tough luck
[...]
A month before they blew up with Mystikal and Jay-Z
The Neptunes came to see me at D&D
I knew this chick named Norah, a lounge singer
A year later she a six Grammy award winner
I've seen Flatlinerz, I've seen Canibuses
I've seen Lil Zanes, yeah I've seen mad misses
[...]
I seen A&Rs get fired for takin' pisses
"


 
Selbst ohne die vielen Anspielungen (man vergegenwärtige sich die letzte zitierte Zeile vor dem Hintergrund der Gerüchte, die über ihn und seine Exzesse bei Jive kursieren) spielt R.A. hier ganz groß auf, kombiniert Veteranen-Perspektive mit (selbst-)ironischem Kommentar. Da wo "Lessons" aufhört, fängt "A Star Is Born" erst an. Der Beat gefällt, hält sich aber dezent zurück und stellt R.A. wieder ins Rampenlicht, der diesmal seine eigene Biographie bzw. seine vermurkste Karriere vom Zaun bricht: vom Hype '91 zur falschen Label-Wahl bis zum Tiefpunkt Mitte der Neunziger - grandioser Vortrag. Damit ist die Geschichte des Rugged Man genug abgedeckt und man kann sich (vorerst) anderen Themen zuwenden: "Brawl" will hauptsächlich anecken, auch der Titeltrack und "Dumb" zeigen R.A. als den zwielichtigen Abschaum, als den er sich selbst inszeniert, offenbaren aber direkt das größte Problem der Scheibe: teilweise wirklich unterdurchschnittliche Produktionen. "How Low" hat als "Planet Rock"-Kopie natürlich einen gewissen Charme, will aber nicht so recht ins Gesamtbild passen, das an die guten alten Zeiten zurückdenkende "On The Block" (bekannt von der dritten "Soundbombing") versumpft mit seiner Kindermelodie nur dank R.A.'s Auftreten nicht im Kitsch. "Midnight Thud" ist wieder eine Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit, aufgrund des langweiligen bis schlechten Instrumentals jedoch uninteressant. Auch die Schwarz-Weiß-Gegenüberstellung mit Timbo King hätte wesentlich besser ausfallen können - etwa wie das überragende "Chains" (einem übertrieben frisch aufgelegten Ayatollah sei Dank), bei dem auch noch die Gäste Feuer spucken. Und wer bisher noch nicht genug gelacht hat, der sei auf die unschwer erkennbaren Tracks verwiesen, die R.A.'s Beziehung zur Damenwelt involvieren.

Ein Jahrzehnt, nachdem R.A. eigentlich hätte debütieren sollen, kann er endlich einen Longplayer vorweisen. Dass der auf Indie-Basis veröffentlicht wird, ist nur konsequent, doch es darf davon ausgegangen werden, dass man bei etwas mehr Konformität oder wahrscheinlich selbst mit einigen netten Anfragen bei diversen Kollegen ein wesentlich besseres Producer-Lineup zusammenbekommen hätte. Die Themen gehen dem Rugged Man nicht aus, die guten Beats sehr wohl und kosten ihn damit fast die gute Zensur. Inhaltlich ist "Die, Rugged Man, Die" ganz klar ein Hinhörer - das Album ist witzig, informativ, provokant, politisch inkorrekt und technisch stark vorgetragen - und da eine ausreichende Zahl Beats aufgeht, wird man auch einige Banger finden, doch öfter als nötig hinterlässt das Sound-Gerüst einen bitteren Nachgeschmack und legt R.A. an eine Leine, die ihn nur ganz knapp übers gute Mittelmaß hinauslässt.

7.0 / 10

Evidence - Cats & Dogs


Release Date:
23. September 2011

Label:
Rhymesayers Entertainment

Tracklist:
01. The Liner Notes (Feat. Aloe Blacc)
02. Strangers
03. The Red Carpet (Feat. Raekwon & Ras Kass)
04. It Wasn't Me
05. I Don't Need Love
06. You
07. God Bless That Man
08. Fame (Feat. Roc Marciano & Prodigy)
09. James Hendrix (Feat. The Alchemist)
10. Late For The Sky (Feat. Slug & Aesop Rock)
11. Crash
12. Where You Come From? (Feat. Rakaa, Lil Fame & Termanology)
13. ...
14. To Be Continued...
15. Falling Down
16. Well Runs Dry (Feat. Krondon)
17. The Epilogue

Review:
Bis heute ist es nicht eindeutig zu erklären, wie Evidence mit seinem ersten Soloalbum so viel Beifall einheimsen konnte. Fakt ist, dass sich das kurze Zeit später angekündigte Nachfolgealbum schnell mit großen Erwartungen konfrontiert sah. Doch das war nicht das einzige, was sich für Ev geändert hat: Plötzlich ist er ein gefragter Mann, kann es sich erlauben, erst einmal bei Decon anzuheuern und dort eine überbrückende EP zu veröffentlichen, während ihm die 2007er Kollabo mit Slug schließlich das Angebot beschert, das ihn zufriedenstellt: 2009 heuert Ev bei Rhymesayers an. Er produziert hier ein wenig, tritt dort ein wenig auf, hält so seinen Namen im Umlauf und bringt schließlich "Cats & Dogs" kurz vor dem Zeitpunkt, zu dem sich kein Schwein mehr dafür interessiert hätte, auf den Markt.

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Schlechtes Zeit-Management kennt man bei Rhymesayers nicht, weswegen man's auch mit der ordentlichen Verspätung noch geschafft hat, pünktlich zum Album-Release weitläufiges Interesse zu wecken. Unterfüttert wird dieses Interesse von einer dicken Liste an Beitragenden, von Premier über Sid Roams und Alchemist bis zu dem üblichen Standardpack an gerade angesagten oder zu erwartenden Gast-Rappern. Ein festes Konzept liegt der Platte dabei ebensowenig zugrunde wie schon bei der "Weatherman LP", doch parallel zur offensichtlichen Anspielung mit "Cats & Dogs" auf das Vorgängeralbum will das Cover auf die unauffälligen, gerne übersehenen Dinge hinweisen - sei das nun aufgrund von Ev's Leben in Venice ohne den Gangster-Alltag oder weil sein Album gerne ähnlich tiefgründig wäre. In jedem Fall gilt weiterhin: Wer Mr. Slow Flow raptechnisch unattraktiv findet, der sollte seine Zeit hiermit nicht verschwenden - Evidence schleicht sich immer noch konstant aber zähflüssig durch seine Tracks und ist dementsprechend auf die richtigen Instrumentals angewiesen, die ihm diese Eigenart erlauben. Da er einen guten Riecher für solche Beats hat, ist man zumeist auf der sicheren Seite. Gerappt wird nicht selten mehr oder weniger cleveres Wortspiel, oft sind es aber auch persönliche und Konzept-Songs, die Ev's doch recht normales Leben in etwas dramatisierter Form wiedergeben - vielleicht ist "Well Runs Dry" aber genau deshalb massenkompatibel, weil neben Ev auch jeder andere seine Brötchen zu verdienen hat. Produktionstechnisch wählt Ev einen soliden, aber irgendwo auch unspektakulären Untersatz - ein Phänomen, das sich wiederholt auf "Cats & Dogs" findet. Der Rest ist allerdings mehr als ordentlich: Sei es nun das selbstproduzierte "I Don't Need Love", das den Verlust der Mutter nochmal verarbeitet ("When Kanye was chasin' space ships all over the nation / I was at the graveside, face on the pavement"), mit seinem dominierenden Voice-Sample oder mit "James Hendrix" das andere Extrem, in dem die Step Brothers einfach wild drauf los rappen - Evidence liefert Vorzeige-HipHop, der fast überall salonfähig ist. Die ganz großen Momente gibt es allerdings nur selten, denn wenngleich die Re-Introduction in "Liner Notes" (mit einem kaum auffallenden Aloe Blacc im Hintergrund) oder das misstrauische "Strangers", das den engen Freunden zwar in Geld-, aber nicht in Weed-Angelegenheiten traut, Oberklasse sind, zum amtlichen Banger reicht es nicht. Doch wofür gibt es DJ Premier? Die Producer-Legende ist dieser Tage zwar kein Sure-Shot mehr, aber "You" geht so unbeschwert in die Vollen, wie man das von Premo Ende der 90er kannte. Da Guru ebenfalls nie hetzte, verwundert es kaum, dass Ev dazu nicht verkehrt klingt. Der zweite große Höhepunkt der LP ist "The Red Carpet", für das Alchemist sich alter Stärken besinnt und auf einem Voice-Sample seinen stärksten Beat seit längerer Zeit entfaltet. Die Gäste auf der ganzen Scheibe treten in guter Form auf, was Ev auf die persönliche Ebene der Zusammenarbeit zurückführt. Das ändert allerdings nicht viel daran, dass bei den drei verschiedenen Perspektiven auf "Fame" (Roc Marcy wurde wohl aus der Decon-Zeit mitgenommen) nicht viel passiert und auch "Late For The Sky" nicht gerade der optimale Boden für die an sich interessante Dreierkollabo ist, was wieder von Höchstnoten abhält. Weitere Stationen sind ein absichtlich fehlender dreizehnter Track ("The 13th floor was missin' in the towers" - was Ev sich in "To Be Continued..." bei der Anspielung auf die Freimaurer gedacht hat, wissen die Götter), ein sehr mittelmäßiges "Where You Come From" mit Standard-Hook von Lil Fame, lästigem Termanology-Auftritt und einem Alchemist-Beat, der wie ein Restposten von einem der letzten Prodigy-Alben klingt, sowie schließlich und letztendlich der "Epilogue", für den Ev noch einen älteren Premo-Beat mit bekanntem Sample aus dessen Studio abstaubt, um dem Album ein selbstbewusstes Outro zu verpassen.

Evidence' größte Stärke ist, dass er bei fast jedem gut ankommt. Das liegt nicht nur (wohl eher kaum) an seinem Rap-Stil als vielmehr an dem präsentierten Gesamtpaket und damit zu großen Stücken den in typisches, aber clever aufgereihtes Rap-Fundament gebetteten, semipersönlichen Texten sowie natürlich den Beats, die diesmal erfolgreich auch einige weniger bekannte Namen einbinden. Ev schafft es, so seinen eigenen Sound, der irgendwo zwischen Ost und West balanciert, zu präsentieren: einen Allrounder-Sound, der auf "Cats & Dogs" zu zwei satten Highlights führt und immer mindestens mittelmäßig (oft wesentlich besser), in seiner Gesamtheit (wie eben schon "The Weatherman LP") aber zu unfokussiert ist, als dass Ev ganz groß abräumen könnte. Diese fehlende Kompaktheit deutet zu einem gewissen Grad schon die Premo-Verpflichtung an.

6.7 / 10

Big Noyd - Episodes Of A Hustla


Release Date:
16. September 1996

Label:
Tommy Boy Music

Tracklist:
01. It's On You
02. The Precinct
03. Recognize & Realize (Part 1) (Feat. Prodigy)
04. All Pro (Feat. Ty Nitty, Twin Gambino & Prodigy)
05. Infamous Mobb (Feat. Prodigy)
06. Interrogation
07. Usual Suspect
08. Episodes Of A Hustla (Feat. Prodigy)
09. Recognize & Realize (Part 2) (Feat. Mobb Deep)
10. I Don't Wanna Love Again (After Six Entertainment Remix) (Feat. Se'Kou)
11. Usual Suspect (Stretch Armstrong Remix) (Feat. Prodigy)

Review:
Er ist die Personifikation eines Mitläufer-Rappers aus dem Camp einer erfolgreichen Gruppe. Big Noyd gehört vom ersten Tag an (schon auf "Juvenile Hell") zum Anhang von Mobb Deep, schafft es aber, dank seines Verses auf "Give Up The Goods" einen eigenen Solo-Deal mit Tommy Boy an Land zu ziehen. Mitte der Neunziger zählen Mobb Deep zu den ganz Großen, was selbst für den Lakai Noyd rosige Aussichten mit einem Soloalbum verheißt. Doch ein Zwischenfall kostet ihn den großen Wurf: Während der Aufnahmen wandert er wegen versuchten Mordes ein und hinterlässt Tommy Boy ein halbfertiges Album, das schließlich als "Episodes Of A Hustla" irgendwo zwischen LP und EP seinen Weg in die Läden findet.

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Unter 40 Minuten Spielzeit sind es, darüber hinaus wurde die Tracklist mit zwei Skits aufgebauscht, man erkennt also recht schnell, dass Tommy Boy die Aufnahmen, die Big Noyd noch fertigen konnte, so gut als möglich zusammengeflickt hat. Doch das soll nicht weiter stören, solange die Musik passt. Und in dieser Hinsicht sieht eigentlich alles sehr vielversprechend aus, denn wir befinden uns in der Ära von "The Infamous" und "Hell On Earth" und niemand Geringeres als Havoc zeichnet für praktisch sämtliche Beats der Platte verantwortlich, während Prodigy auf sechs der acht Tracks zu hören ist - alleine diese Tatsache macht es schwer erklärlich, wieso "Episodes Of A Hustla" heutzutage so untergegangen ist, im Prinzip ist es sowieso eine halbe Mobb-Deep-Scheibe. Genau deshalb wird auch jenen kritischen Zungen, die den Rapper Noyd als technisch wenig standhaft abstempeln und ihm lediglich eine Existenz als Feature-Rapper auf den Alben seiner Brötchengeber zugestehen, der Teppich unter den meckernden Füßen weggezogen. Dass die Scheibe auf inhaltlicher Ebene nicht viel mehr als den vom Rauch benutzter Handfeuerwaffen geschwängerten Street-Talk der legendären Projects zwischen der Vierzigsten und der Einundvierzigsten zu bieten hat, wird niemanden überraschen - wohl erwähnenswert ist allerdings, dass Noyd offenbar genau einzuschätzen wusste, welche Mischung aus Gästen aus dem Infamous-Camp und eigenen Raps ein stimmiges Gesamtbild ergibt. Da er stets ähnlich gut wie auf "The Infamous" aufgelegt ist, darf sich niemand über Langeweile am Mic beschweren. Die wahre Magie der Scheibe passiert natürlich hinter den Boards, wo Havoc das Geschehen leitet. So viel sei gesagt: Es gibt wenig, was seinem Tun und Treiben zu jener Zeit das Wasser reichen kann, und genau an dieser Stelle liegt erst der Reiz von "Episodes Of A Hustla": Die Beats mögen nicht ganz so kohärent wie auf den IMD-Alben angesiedelt sein, doch für sich genommen packt Hav ein Juwel nach dem anderen aus. Den Anfang macht jedoch Charlemagne, der "It's On You" produziert, ein Intro, das klingt, als hätte Noyd es verpasst, darauf zu rappen. Doch das stört nicht groß, denn der Beat ist ein wahrhaftiges Sahnestück und stellt Noyd mit kurzen Cuts von "The Infamous" vor. Dann kann die Show losgehen: Dumpfe Snares pumpen an allen Ecken und Enden, fremde, düster-unheilvolle Samples tanzen durchs Bild und die Infamous-Posse spittet mittendrin ihre ungeschönten Zeilen: Im ersten Teil von "Recognize & Realize" klagt grandios ein Voice-Sample gegen Prodigy's kalten Windhauch einer Performance an, im zweiten Teil führt Havoc in "Hell On Earth"-Gefilde. Das klingt zwar nicht wie Noyd's Solo-Tracks, doch wen stört das schon. Die Bässe brummen und Noyd portraitiert sich im ersten Solo-Cut als "Usual Suspect" (dieses Bild unterstreichen auch die beiden Skits, die Noyd als von der NYPD gesuchten Mann darstellen). Im ebenbürtigen "Stretch Armstrong Remix" gibt es dann sogar noch den Prodigy-Verse, der gegen Ende des Originals eingespielt wird, in voller Länge. Im eher sperrigen "All Pro" (das erst nach einigen Malen seine Klasse offenbart) dürfen sogar Nitty und Gambino ran, im Titeltrack ist es dann wieder das so gut funktionierende Gespann Noyd-P. "Episodes Of A Hustla" ist nochmal ein Ungetüm eines Instrumentals: simpel, roh, kalt - kurzum, genau das, was man bei Havoc liebt, während Prodigy die Hook beisteuert und Noyd, immer auf der Hut vor dem Arm des Gesetzes, berichtet, was der QB-Hustler so treibt. Als potentieller Wackelkandidat und R'n'B-Nummer zu erwähnen ist noch "I Don't Wanna Love Again", doch Se'kou (die auch wirklich singen kann) macht ihre Sache durchwegs souverän und passt überraschend gut auf Hav's Produktion, die ihren Nachbarn an Trockenheit in nichts nachsteht.

Wer dieses Album gehört hat, der kann sich eigentlich nur fragen, wieso es so dermaßen untergegangen ist. Wer Mobb Deep der Neunziger Schule liebt, der braucht deren zwei Klassiker. Wer einen Nachschlag will, der braucht "Episodes Of A Hustla". Noyd scheint dabei ganz genau erkannt zu haben, wie entscheidend Hav und P für den Erfolg seines eigenen Projekts sind, was zwar darin resultiert, dass man es hier weniger mit einem Soloalbum als einer Kollabo zwischen Mobb Deep und Noyd zu tun hat, doch wieso sollte man sich darüber beschweren, wenn es eine maximale Qualitätsausbeute bedeutet. Trotzdem ist die Scheibe weit von den Mobb-Alben entfernt, was hauptsächlich daran liegt, dass man ihr anhört, dass sie eigentlich nur halbfertig ist. Hätte Noyd noch ein paar Hochkaräter mehr platzieren und die Tracks dann selbst sinnvoll zu einem Album zusammenfügen können, "Episodes Of A Hustla" hätte noch eine Stufe besser sein können. Doch auch so hat man es hier mit einem wahren Leckerbissen zu tun.

7.3 / 10