Montag, 19. September 2011

Jay-Z & Kanye West - Watch The Throne


Release Date:
12. August 2011

Label:
Def Jam Recordings / Roc Nation

Tracklist:
01. No Church In The Wild (Feat. Frank Ocean)
02. Lift Off (Feat. Beyoncé)
03. Niggas In Paris
04. Otis (Feat. Otis Redding)
05. Gotta Have It
06. New Day
07. That's My Bitch
08. Who's Gon Stop Me
09. Murder To Excellence
10. Welcome To The Jungle)
11. Made In America (Feat. Frank Ocean)
12. Why I Love You (Feat. Mr. Hudson)

Review:
Wenn Jay-Z und Kanye West ein Album namens "Watch The Throne" veröffentlichen, muss man unweigerlich eine der arrogantesten Platten der HipHop-Geschichte annehmen - wenn nicht sogar die arroganteste. Doch das macht diese Kollabo nur noch interessanter, schließlich redet die HipHop-Welt in den Tagen, die das Release umrahmen, von nichts anderem, obwohl die Vorab-Promo beileibe noch nicht so lange läuft. Die Entscheidung, diese Zusammenarbeit auf Albumlänge durchzuziehen, liegt immerhin noch verhältnismäßig unweit zurück und der Aufnahmeprozess, der vorwiegend in Hotels stattfand, mehreren künstlerischen Differenzen standhalten musste und anfangs wenig fruchtete, lief eher unauffällig - gemessen am Status, den dieses Gespann, das sich auf so verblüffende Weise vom Mentor-Schüler-Status zum Eintritt ins 21. Jahrhundert zu einem sich gegenseitigen stützenden, gleich gewichteten System entwickelt hat, innehat. Doch das nur nebenbei, denn die Erwartungen an "Watch The Throne" sind sowieso enorm und jeder, der mehr als ein halbes Ohr hat, wartet nur darauf, das Album in den Himmel zu loben oder es zu verdammen.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Kanye und Jay stört das jedoch recht wenig, denn ganz ungeachtet der Musik braucht man eine gewisse Arroganz, um all solche Aspekte auszublenden. Alle werden sowieso nicht zufrieden sein, es wird sowieso jede einzelne Zeile fünfmal umgedreht und interpretiert werden. In dieser Hinsicht muss man dem Duo gleich zu Beginn gratulieren, denn zu keiner Sekunde lässt man sich jeglichen Druck anmerken, Verkrampftheit muss man anderswo suchen. Jay und Ye sind nämlich viel zu sehr damit beschäftigt, sich selbst ihrem Albumtitel angemessen zu inszenieren. Dazu gehört ein unkonventionelles, aber Bände sprechend "edles" Cover und eine Dreiviertelstunde Musik, die nun endlich fokussiert werden soll: Ohne groß Zeit zu verschwenden rollt das Königsduo mit "No Church In The Wild" und einem auf 88-Keys' Mist gewachsenen, pulsierend-basslastigen Instrumental ein, das den Hörer in seiner treibenden Form sofort mitnimmt und mit OFWGKTA-Export Frank Ocean (der dem Traumstart als erster am Mic erheblich hilft) hervorragend besetzt ist. Frank sorgt dann auch gleich für die erste lyrische Überraschung und wirft mit einer Portion Selbstironie ("What's a king to a god? What's a god to a non-believer?") sämtliche Braggadocio-Erwartungen über den Haufen, bis dann Jay majestätisch loslegt, gewichtige, aber auch selbstkritische Metaphern ("Socrates asked, who's bias do y'all seek?") abfeuert und mit einem ganz und gar nicht hochgegriffenen Dreifaltigkeitsbildnis abschließt. Dagegen wirkt The-Dream mit einem kurzen Auto-Tune-Intermezzo gehörig armselig, während auch Kanye nicht ganz hinterherkommt, wenngleich er nebenbei die Jay-Ye'sche Dynastie als eigene Religion deklariert und sogar noch Zeit findet, dieses Monstrum eines Tracks mit einem kurzen Instrumental-Zwischenspiel abzurunden. Der nächste Track fasst dann alles, was man für dieses Album befürchten konnte, zusammen: Jigga's Frauchen trällert vergessenswert die ihr in den Mund gelegten Worte und reist mit der Hook zum Mars, was anscheinend (neben einem eingestreuten Raketenstart) ausreicht, um Ye und Jay auf diesem Song zu Avantgardisten zu erklären, weswegen man sich gar nicht die Mühe macht, (behaltenswerte) Lines zu setzen. Bereits zu früher Stunde zeigt die LP also Schatten und Licht, und so geht es auch weiter: "Made In America" ist soft, radiotauglich, (mitunter dank Frank Ocean) angenehm anzuhören und erinnert sich an die Tage zurück, in denen Ye's Mutter noch keinen Hummer fuhr, "That's My Bitch" ist ein netter Kopfnicker, der vorführt, wie unterschiedlich die Thronenden diesen Song-Titel auffassen. Königsklasse ist das allerdings nicht, dafür qualifiziert sich schon eher die Neptunes-produzierte Ode auf den Zaster namens "Gotta Have It" mit eingängig-betörender Sample-Arbeit. Hier bedarf es dann auch gar keiner legendären Bars, denn ein hitziges Rennen, das in jedem Track nach dem Besseren sucht, ist "Watch The Throne" sowieso nicht - man thront in Eintracht und schöpft genau aus der Aura dieser Fusion. Das führt dann leider auch zu Tracks wie dem schlichtweg beschissenen "Who Gon' Stop Me", das einen (vorsichtig gesagt) unausgereiften Vorstoß in Dubstep-Gefilde wagt und neben einem deplatzierten Holocaust-Vergleich außer unzähligen Vergleichen, Bildern und falschem Pig-Latin nichts hergibt. Wenn man schließlich ein bekanntes Sample wie Otis Redding's "Try A Little Tenderness" verbaut, dann wird das gar nicht erst verschwiegen, sondern mit "Otis" groß plakatiert. Daran, dass Kanye den Otis-Voicecut in seinem Versuch, abseits der Norm kreativ zu sein, kaum nervtötender und (bis zum Erbrechen) repetitiver anbringen hätte können, ändert das allerdings auch nichts. Dagegen ist "New Day" mit einem ruhigen RZA-Beat Balsam für die Seele und die Gedanken, die man sich über die ungeborenen Söhne macht, gefallen als angenehme Abwechslung ebenso. Sogar noch besser ist "Murder To Excellence", ein Zweiteiler, der zuerst die düsterste Seite der afro-amerikanischen Existenz in Amerika beleuchtet ("And I'm from the murder capital where they murder for capital / Heard about at least three killings this afternoon / Looking at the news like Ddamn! I was just with him after school""), um dann davon zu berichten, wohin man es selbst geschafft hat ("Black excellence, opulence, decadence / Tuxes next to the president, I'm present"), nicht ohne darauf hinzuweisen, dass das System den Schwarzen diesen Weg nicht einfach macht. Die überragenden und perfekt ineinander übergreifenden Beats teilen sich Swizz Beatz und S1, Ersterer darf auch in "Welcome To The Jungle" mit einer soliden, aber nicht besonderen Swizzy-Nummer nochmal ran. Den Abschluss schließlich macht ein gut an jene Stelle passendes Quasi-Jay-Z-Solo ("Why I Love You"), das sich mit der Situation auf dem Thron sowie den unterwegs abgesprungenen Homies (wohl an das inzwischen zerstreute Roc-A-Fella-Lineup gerichtet) befasst und zu dem Schluss kommt, dass man - wenn überhaupt - am besten mit der Waffe unterm Kopfkissen schläft.

Mit dem letzten Wort von Jay-Z endet dann auch abrupt die normale Albumversion (die Deluxe-Version umfasst noch vier weitere Cuts) und hinterlässt gemischte Gefühle. Einerseits spielen Ye und Jay die Rolle der beiden Rap-Könige, die ihre Stellung nicht auf technischer Ebene (was natürlich nicht heißen soll, dass der Jigga nicht weiterhin meisterlich flowt), sondern mit dem individuellen als auch gemeinsamen, harmonierenden Auftreten untermauern, erstklassig und absolut überzeugend. Sogar auf inhaltlicher Ebene ertrinkt die Scheibe nicht in der vielleicht vermuteten Selbstbeweihräucherung. Andererseits funktioniert bei der Wahl der Beats und der Konzeption der Tracks doch nicht alles, einige Stücke werden dem Anspruch dieser Scheibe nicht ganz gerecht, während man dreimal mit Saus und Braus ins Klo greift. Damit ist "Watch The Throne" also ganz sicherlich kein Neuzeit-Klassiker und kein geschichtsträchtiges Album, in jedem Fall aber ein überwiegend gutes, das einige der interessantesten Tracks des Jahres stellt.

5.6 / 10

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen