Dienstag, 23. August 2011

Decipher 73I - I Of The Heavens


Release Date:
01. Januar 2011

Label:
Insane Asylum Recordings

Tracklist:
01. Becoming One With Nature
02. Dominant Genes
03. Fuck A Plan B
04. Travel Wit Us (Feat. Atun Sen Geb)
05. Love That Never Was
06. Sodom & Gomorrah
07. The Source
08. Godz Handz (Feat. Rhetoric, Gamblez & Gage-One)
09. 999 (Interlude by Dr. Malachi Z. York)
10. Put The Mic Down
11. Gotta' Be Heard (Feat. Frantik)
12. Books Of The Pyramids
13. Strugglin'
14. Meditating On Pain
15. Red, Black & Green
16. Right Knowledge (Interlude by Dr. Malachi Z. York)
17. Never Did
18. Sluts, Hoes & Bitches
19. Life Goes On
20. Caramelanin (Feat. Aslaam Mahdi & Tos-El Bashir)
21. Mantra Jaba
22. Everything Is For A Reason
23. Awaken The Mind (Feat. Sick Since, Ill-Mega & Jon Murdock)
24. Curse Of Allah
25. One Love (Interlude by Dr. Malachi Z. York)

Review:
Die Affinität zum Andersartigen findet sich nicht nur in großen Metropolen: Decipher 73I stammt aus Port St. Lucie in Florida und weckt schon mit seinem Namen Assoziationen zu den Lost Children Of Babylon. Wen wundert es da noch, dass er auch tatsächlich unter dem Banner von LCOB Productions agiert. Doch seine eigentliche Crew ist die Insane-Asylum-Bande, eine unbekannte Truppe (u.a. mit Frantik als Kopf) aus der Nachbarschaft. Decipher selbst zählt sich darüber hinaus zum Rastafari-Zweig der Bobo Ashanti und agiert als Produzent und Emcee. Indem er einige Beats absetzt (u.a. für Outerspace, RA EL), fasst er Fuß, über Insane Asylum kann er mit "I Of The Heavens" ein erstes nennenswertes Lebenszeichen von sich geben.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Man muss leider feststellen, dass sich die Zahl der Künstler, die sich dem LCOB-Umfeld zurechnen, immer weiter anschwillt, was teils schon an den guten alten Wu-Tang Clan erinnert. Parallel zu den Abläufen in der Wu-Fam gibt es auch bei den LCOB eine zu große Zahl Möchtegern-Künstler, die sich ein bekanntes Logo auf ihr Album klatschen, aber eigentlich absolut nichts zu bieten haben und somit gutgläubigen Fans die kostbare Zeit stehlen. Decipher unterlässt diese Werbung zumindest auf dem Cover, selbiges drängt die Assoziation mit den Rap-Astronauten aus Philly jedoch geradezu auf. Jegliche Vermutungen dieser Art werden gleich im Opener in einer Art und Weise dick unterstrichen, wie man es kaum für möglich gehalten hätte: "Becoming One With Nature" legt mit afrikanischen Drums los, schickt den Hörer mit seiner Sound-Kulisse irgendwo ins Nildelta und stellt einen Decipher vor, der so unverschämt nach dem Rasul Allah der frühen 2000er klingt, dass man annehmen muss, dass Decipher sich genau dort für seinen Flow inspirieren hat lassen. Das Albumkonzept ist natürlich ebenfalls in ähnlichen Gefilden zu suchen: 73I meint das dritte Auge Gottes, "I Of The Heavens" demnach also (wie unschwer zu erraten) die "Third Eye Vision", Gottes und damit die höchste aller Perspektiven, von der aus Decipher beobachtet und seine Schlüsse in Albumformat zur Erde sendet. Da er auch seine Beats selbst bastelt, kann er in einer Weise zu Werke gehen, die vollständig seinen Vorstellungen entspricht, munter loslegt und die man von dem Rastafari kaum erwartet hätte. 75 Minuten reine LCOB-Kopie erwarten einen trotzdem nicht, denn Decipher deckt sowohl soundtechnisch als auch inhaltlich ein größeres Spektrum ab - als Beispiel sei das seichte "Love That Never Was" genannt, in dem zu leicht verdaulichen, mehr oder weniger trauernden Klängen einer verflossenen Liebe nachgetrauert wird. An dieser Stelle klingt Decipher dann auch nicht mehr wie Rasul und entwickelt seinen eigenen Charakter, der sowohl stimmlich als auch technisch eher unauffällig gerichtet ist. Stört aber nicht, Decipher schafft es gut, seine Botschaften an den Mann zu bringen - "Strugglin'" (ein eher frohsinnig gestrickter Kopfnicker) findet ihn im alltäglichen Kampf, der Welt die Wahrheit näherzubringen. Letztere setzt sich für 73I neben seiner Bobo-Ashanti-Zugehörigkeit aus der Lehre der Five Percenter, den Dogmen des Nuwaubianismus, afrozentrischen und gen Afrika blickenden Ansätzen sowie dem "Islam" (zumindest der eigenen Affassung davon) zusammen. Marcus Garvey, Emmanuel Charles Edwards oder Haile Selassie sind die entsprechend verehrten Repräsentanten dieser Strömungen. So lassen sich die meisten Track recht gut einem dieser Einflüsse zuschreiben: Da wird in "Red, Black & Green" Afrika- und Naturverbundenheit bekundet, das Piano-untermalte "Sluts, Hoes & Bitches" bedient sich der Einteilung in niedere Huren und Königinnen, die in afrozentrischen und pseudoislamischen Bewegungen gepflegt wird. Zur Abgrenzung vom Rest betont Decipher mehrmals seine Zugehörigkeit zu den Fünf-Prozentern, warnt vor den teuflischen zehn Prozent und nutzt viel zu oft die (altbekannte) Wortneuschöpfung "overstand". Positiv fällt die Produktion auf, die einerseits relativ breit gefächert ist (irgendwo zwischen den herkömmlicheren Sounds der Insane-Asylum-Kollegen und besagter nahöstlicher Einflüsse ist der Mittelwert zu setzen) und teils echte Perlen abwirft: "Godz Handz" schwebt mystisch-düster vorbei, "Put The Mic Down" ("If you don't know the 5%, put the mic down" - den Rest kann man selbst dazudichten) punktet wieder mit Klavier und "Books Of The Pyrammids" sowie "Mantra Jaba" gefallen als erstklassige LCOB-Nachahmungen der "Words From The Duat"-Ära. Kaum verwunderlich, dass mit Atun Sen Geb sogar ein echtes verlorenes Kind Babylons vorbeischaut. Schlussendlich noch zu erwähnen sind drei Interludes, in denen der Ober-Nuwaupu-Priester und Kinderschänder Dwight York selbst spricht und unter anderem mit haarsträubender Numerologie unterhält.

Das größte Problem, mit dem Decipher auf der Platte zu kämpfen hat, ist die Länge. Mit 75 Minuten ist sein Album stattlich ausgerüstet und kann produktionstechnisch auf diese Länge dann doch nicht ganz bestehen. Die Handvoll schwacher Tracks bekommt so zusätzliches Gewicht, das Album als Ganzes verliert an Schwung und Geschlossenheit. Darüber hinaus ist Decipher selbst kein Ausnahme-MC und ebenfalls nicht unbedingt für solche Spielzeiten geschaffen. So wird ein Album, das eigentlich positiv überrascht, unnötig anstrengend und verliert einiges des Kredits, den es durch seine Highlights erspielt hat. Denn exzellente Momente hat Decipher einige, sei es nun mit ägyptischen Flöten oder BoomBap. Unterm Strich verbleibt mit "I Of The Heavens" ein interessantes Werk mit guten Ansätzen, einigen leicht behebbaren Mängeln und deshalb viel Luft nach oben. In diesem Fall darf attestiert werden: Wer die Lost Children Of Babylon schätzt, der ist bei Decipher 73I, der knapp die höheren Wertungsränge verpasst, gut aufgehoben.

6.2 / 10

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