Freitag, 22. Juli 2011

Tragedy Khadafi - Against All Odds


Release Date:
05. Juni 2001

Label:
Gee Street Records

Tracklist:
01. Intro (The Conflict)
02. Against All Odds
03. Crime Nationalist (Feat. Headrush Napoleon & Tasha Holiday)
04. Lift Ya Glass
05. The Jump Off (Skit)
06. Bing Monsters (Feat. Ja Rule & Headrush Napoleon)
07. Live By The Gun
08. They Force My Hand (Feat. Cormega)
09. Permanently Scarred (I Don't Wanna Wait) (Feat. Joya & B-Minor)
10. Sidewalk Confessions (Feat. Killa Sha & Headrush Napoleon)
11. Say Goodbye (Feat. Dave Bing & Killa Sha)
12. Blood Type
13. What Makes You Think (Feat. Killa Sha & Angel Dust)
14. More Thugg, More Names (Skit)
15. Never Bite The Hand (Feat. Milz)
16. T.M. (Massage To Killa Black)
17. 2-5 Radio (Feat. Killah Sha & Angel Dust)
18. In Memory Of... (Feat. Olu)

Review:
Er ist das jüngste Mitglied der Juice Crew, dort wie auch allgemein und für spätere Rapper-Scharen ein Repräsentant und Vorreiter dessen, was dieser Tage gemeinhin als der Stil der Queensbridge verstanden wird, und darüber hinaus veröffentlicht Tragedy als Intelligent Hoodlum zwei inzwischen sehr geschätzte, aber damals mit mäßigem Erfolg beschiedene Alben. Doch selbst wenn ihn dieser Umstand etwas aus der Fassung bringt, hat Tragedy zu diesem Zeitpunkt schon wesentlich Schlimmeres (in erster Linie in seiner Jugend und Kindheit) hinter sich. Die weiteren Neunziger schlägt sich der inzwischen mit dem Beititel Khadafi operierende Mr. Chapman damit um die Ohren, eben mal Mentor für einen Klassiker von CNN zu spielen. Sein Projekt mit Imam Thug dagegen kommt nie aus den Startlöchern und auch beim Solo gibt es langwierige Verzögerungen, die das Release von "Against All Odds" ins Jahr 2001 zurücktreiben.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
"Kann Tragedy es überhaupt noch alleine?" fragen sich nicht nur viele Fans, sondern auch Tragedy selbst - daher auch der Titel. Ganz alleine ist er natürlich auch bei seinem inzwischen dritten Solowerk nicht, das selbst aufgebaute Label 25 To Life zeigt seine Präsenz in Form einiger Features, während seitens der Produktionen Namen wie Spunk Bigga, Sha Money XL oder Just Blaze in Erscheinung treten. Dass in der Tracklist alle ursprünglich geplanten Tracks zu lesen sind, ist anzuzweifeln, im mehr als einjährigen Ringen mit dem Label aufgrund dieses Albums fielen einige Songs unter den Tisch, u.a. jene mit Imam Thug als Iron Sheik sowie ein hörenswertes Stück mit Havoc-Beat und -Feature. Zeugnis dieses Prozesses ist ein Promo-Tape namens "Thug Matrix 4118". Doch es macht keinen Sinn, sich lange mit den nicht auf der LP zu hörenden Tracks aufzuhalten, zu wenig Kost gibt es auf "Against All Odds" schließlich nicht. All jene, die den politisch motivierten Intelligent Hoodlum wiederzusehen hoffen, werden etwas enttäuscht sein, denn nach seinem letzten Album scheint Trag die Entscheidung getroffen zu haben, seinen Fokus neu ausrichten zu müssen, weswegen hier vermehrt der Reality Rap und Street-Talk, den es um die Jahrtausendwende auf jeder zweiten Platte zu hören gibt, bemüht werden. Probleme bereitet das nicht, denn Targ profiliert sich auch in dieser Rolle. Wesentlich bedauerlicher ist es da schon, dass vor allem auf Sound-Ebene keinesfalls an Klassiker wie "War Report" angeknüpft wird - was beispielsweise der poppige Totalaussetzer "2.5 Radio" hier verloren hat, ist nicht mit Mitteln der Vernunft zu erklären. Der Rest der Tracks bewegt sich zwischen hartem Straßenalltag, wofür Tragedy der eigene Lebensweg zugute kommt, sowie schwermütigen Minuten, bei denen natürlich das trauernde "In Memory Of" (mit etwas zu viel Pathos gesungen) nicht fehlen darf. Besser gefallen da schon Songs wie Ayatollah's "Lift Ya Glass", denen der rohe QB-Charakter schon aus der Snare tropft. Genau dort macht sich auch der zu erwartende und von DJ Clue überraschend messerscharf ausstaffierte Song über die Untugend des Snitchens ("Blood Type") breit. Als kleines Ärgernis sind auf dem Album (Intro eingeschlossen) drei insgesamt zu lange Skits zu hören, die Gefängnis- und Straßenrealität wiedergeben sollen. Abgesehen vom langweiligen "Say Goodbye" hat man die größeren Kritikpunkte damit aber abgehandelt. Im restlichen Lineup warten auf den Hörer Highlights wie das mit Cormega eingespielte "They Force My Hand" (nicht umsonst auch noch auf dessen Album zu finden), ein strikt nach vorne preschendes "Crime Nationalist", "Sidewalk Confessions", das einen von vier sehr erfreulichen Auftritten von Killa Sha aufweist, sowie noch zwei melancholische Nummern, die der Atmosphäre der Scheibe sehr zuträglich sind: "Permanently Scarred" versprüht ein wenig Weltschmerz mit starkem Gesang im Chorus, das nicht minder ergreifende "T.M." dagegen ist Killa Black gewidmet und lässt zwischen den Zeilen Interpretationsfreiraum hinsichtlich Trag's Meinung über Black's traurigen Tod.

Man kann nicht verschweigen, dass Tragedy immer ein Händchen für gute Soloalben hatte. Bei diesem, das die Brücke zwischen dem Intelligent Hoodlum der Frühneunziger und dem Khadafi, den man noch heute kennt, schlägt, ist das keine Ausnahme, wenngleich es doch einige Schönheitsfehler anzukreiden gibt. Ein Gefühl von Geschlossenheit stellt sich beim Durchhören nur bedingt ein: Die langen Skits sind zwar zusätzlich kontraproduktiv, der Hauptgrund ist allerdings wie so oft bei den Beats zu suchen, denen es teils an Qualität, in ihrer Gesamtheit aber an einer klaren Vorgabe fehlt - dem alternierenden Konzept der knallharten QB-Straßenklänge und der das Streetlife betrauernden Songs fehlt die finale Konsequenz. Diese Kritk muss sich Tragedy gefallen lassen, die Klasse der LP unter den Tisch kehren darf man deshalb nicht - "Against All Odds" bietet oft genug feinste QB-Kost.

7.0 / 10

Domingo - The Most Underrated


Release Date:
13. März 2007

Label:
Latchkey Recordings

Tracklist:
01. Intro (Feat. Gino The Ginny)
02. Bed Stuy Represent (Feat. Big Daddy Kane)
03. Exactly (Feat. Joell Ortiz)
04. Major Game (Feat. Guru)
05. All Clap (Feat. Canibus)
06. Cold World (Feat. Termanology)
07. Street Hustle (Feat. Immortal Technique)
08. Bootleg (Interlude)
09. Next Dose (Feat. Rugged Intellect & Ras Kass)
10. Get Live (Feat. The Beatnuts)
11. 100 Roundz (Feat. Kool G Rap)
12. Next To Die (Feat. Deacon The Villain)
13. 2 Step (Feat. Born Unique)
14. Caught Between Worlds (Remix) (Feat. Non Phixion)
15. What's That (Feat. Precise)
16. Easy Now (Feat. Tonedeff)
17. Fuck You Mean (Feat. PackFM, Slug & Brother Ali)


Review:
Man möchte auf den ersten Blick sagen, Domingo sei eines dieser Neunziger-Reptilien, die den Sprung ins neue Jahrtausend nicht wirklich geschafft haben. Doch bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass der Latino aus East New York, der unter den Fittichen von Marley Marl ins Game fand, seine Hintergrundrolle noch nie aufgegeben hat, auch wenn er seine Finger vielerorts im Spiel hatte. Selbst sein offizielles Debüt wäre ohne Zutun von außen nicht zustandegekommen - Nomadic aus den Reihen von Latchkey Recordings muss Domingo praktisch ins Studio schleifen. Dann allerdings helfen die zahllosen über die Jahre geknüpften Connections, um "The Most Underrated" voranzutreiben. Ende 2006 wird das Album dann zu allem Überfluss auch noch gebootleggt und Domingo kehrt nochmal ins Studio zurück, um die Platte zur hier vorliegenden Version zu überarbeiten.

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Mit der Auffassung, die Domingo von seiner Position im Genre hat, mag er zwar etwas übertreiben, doch ganz falsch liegt er - wie oben schon angedeutet - nicht. Des Weiteren erscheint "The Most Underrated" in einer Zeit, in der Producer-Alben gerade anfangen, wie Löwenzahn aus dem Boden zu schießen. Hinsichtlich der Gäste kann sich Domingo mit seinen Connections und dem Hinzuziehen zahlreicher Veteranen - entgegen den sonst meistens sehr ähnlichen Gästelisten der Konkurrenz - jedoch absetzen. Zwar besitzt er keinen extrem ausgeprägten Trademark-Stil, doch seine klassischen Drumlines führen doch wie ein kleiner roter Faden durch sein Album, auf dem sich neben einigen waschechten Schwerkalibern auch einige Newcomer einfinden. Ansonsten gibt es über diese Scheibe erstaunlich wenig zu erzählen, denn sie ist durch und durch ein typisches Producer-Album: Es gibt kein spezifisches Konzept, es gibt keine einheitliche Richtung beim Sound, es gibt Party- und es gibt Street-Tracks, die Gäste decken eine recht breite Spanne ab, was nicht verwundert, da Domingo's Beats im QN5-Umfeld ebenso wie auf den Straßen New Yorks anzutreffen sind. Auf ein geschlossenes Hörerlebnis sollte man also nicht setzen oder hoffen, praktisch jeder der Songs hat seinen eigenen Mann zu stehen, was ein dementsprechend schwankendes Bild liefert. Den Anfang macht ein "Intro", das mit Youtube-Mafiosi-Knirps Gino The Ginny Ratlosigkeit zurücklässt, glücklicherweise aber nicht zu lange dauert. Überleitende Interludes scheinen sowieso nicht Domingo's Ding zu sein, "Bootleg" hätte man sich (Anspielung auf den Leak der ursprünglichen Albumversion hin oder her) schenken können. Schließlich hat Domingo einige gute Tracks zu bieten, beispielsweise das wunderschöne (leider etwas kurze) "Exactly" mit dem Wörter invertierenden Rookie Joell Ortiz oder das perfekt auf Immortal Technique abgestimmte, simple "Street Hustle". Nicht nur betont Domingo, dass er einen Hang zu Samples aus der Latino-Musikwelt hat, auch hört man das eindeutig. Häufig zieren Trompeten und weitere Bläser seine gesunden Drumlines - sei es nun beim hübschen Beatnuts-Cut "Get Live" oder bei Big Daddy Kane's Opener "Bed Stuy Represent", der etwas zu repetitiv ausfällt. Als kleiner Malus ist anzumerken, dass die meisten Gäste wenig erzählen, was auf einem solchen Album nicht wirklich essenziell ist, doch wenn wie in "Major Game" dann noch eine für Guru etwas zu wuchtige Hörner-Walze anrollt, klingt die Zusammensetzung nicht wirklich optimal. Gerade Tonedeff beweist, wie viel amüsanter es doch funktionieren kann: "Easy Now" ist ein Dauerbrenner, den der QN5-Meister in entspannt-lässigem Singsang (und natürlich erlesenstem Flow) über die Bühne bringt - die dabei erzählte und urkomische Story sei an dieser Stelle nicht verraten. Weitere Leckerbissen sind Canibus' "All Clap", da Mr. Rip The Jacker mit dem schweren Instrumental definitiv etwas anzufangen weiß, ebenso wie Deacon in einem sehr ausgelassenen (was 2007 keine Alltäglichkeit mehr ist) "Next To Die". Non Phixion erhalten für ihr "Caught Between Worlds" einen neuen Beat, der das Original in Sachen Tempo links überholt und auch insgesamt seine Berechtigung hat, der aber gegen Domingo's finalen Paukenschlag einpacken kann: In "Fuck You Mean" tanzen Pack, Slug und Ali bestens gelaunt mit einem wilden Trompeten-Sample und machen nochmals ordentlich Stimmung. Das ist auch bitter nötig, denn einige der bisher nicht erwähnten Anspielstationen lassen dieses Feuer etwas vermissen: G Rap hat mit einem etwas schläfrigen Beat zu kämpfen, Termanology darüber hinaus noch mit sich selbst, während "Next Dose" die Nerven schnell (über-)strapaziert.

Das große Problem, das Domingo bei hiesigem Album zu schaffen macht, ist das Fehlen eines richtigen Grundes. Man hört, dass diese Musik einfach aufgenommen wurde, damit es ein Domingo-Album gibt. Da die Gäste - die zwar fast alle für sich genommen sehr interessant sind - recht wahllos zusammengewürfelt sind, hat man es mit einer Aneinanderreihung von Songs zu tun, nur bedingt aber mit einem echten Album. Die Konsequenz ist eine strikt mögliche Treffer-Nichttreffer-Einteilung. Gemessen an diesen nicht gerade rosigen Rahmenbedingungen legt Domingo dann doch noch eine sehr respektable Anzahl hörenswerter Songs aufs Parkett. "The Most Underrated" ist deshalb also insgesamt kein Must-Have, beherbergt aber durchaus starkes bis sehr starkes Material.

6.3 / 10

Virtuoso - World War One: The Voice Of Reason


Release Date:
28. August 2001

Label:
Omnipotent Records

Tracklist:
01. I'm Virtuoso
02. Beatdown (Feat. T-Ruckus & Jedi Mind Tricks)
03. Guaranteed
04. All We Know (Feat. Casual & Del The Funky Homosapien)
05. One
06. Interlude
07. Slicin' Your Wrists
08. Provoke Me (Feat. Reks)
09. Keep The Time
10. Show Respect
11. Orion's Belt (Feat. Esoteric & Mr. Lif)
12. Want Me (Feat. Iyadonna)
13. Omnipotence
14. Smash Ta' Piece Theater
15. What We Live (Feat. Jaz-O & K.T.)
16. Interlude
17. Incinerator
18. Remember (Feat. Nancia)

Review:
Mit einem Vater, der in einem Musikstudio arbeitet, wird Virtuoso der Draht zur Musik praktisch in die Wiege gelegt. In recht jungen Jahren erfolgt dann der Zugang zur Bostoner Musik-Szene, weswegen es nicht verwundert, dass der aus Cambridge stammende Virtuoso im Alter von 17 Jahren schließlich selbst sein erstes Vinyl releast. Sein weiterer Werdegang ist dann kein außergewöhnlicher und führt ihn über die lokale Battle-Szene, wo er sich ordentlich Respekt erarbeiten kann. Genug jedenfalls, um in die Reihen der ursprünglichen Army Of The Pharaohs aufgenommen zu werden, was für jeden andeuten sollte, mit welcher Sorte Rapper man es hier zu tun hat. Das eigene Debüt lässt dann auch nicht mehr lange auf sich warten, 2001 ist die Zeit reif für "World War One".

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Wenn nicht die Feature-Liste, dann stellt spätestens das Produzenten-Lineup klar, dass Virtuoso schon in äußerst feinen Kreisen verkehrt und halb Boston auf seiner Platte versammelt. Zusammen mit seinem Auftreten am Mikro, das sehr vom messerscharfen Flow und der schneidigen Stimme profitiert, ergibt sich ein interessantes Bild, das nicht etwa als halbgarer JMT-Ripoff abgetan werden sollte. Natürlich finden sich Schnittstellen, doch im Großen und Ganzen deckt "World War One" ein wesentlich breiteres Feld ab, was nicht zuletzt dem bunten Producer-Aufgebot zuzuschreiben ist, das von Molemen's Panik über den mehrmals engagierten Beyonder bis hin zu Clinton Sparks reicht. Auch bei seinen Inhalten kuckt Virt das eine oder andere Mal über den kantigen Battle-Rap-Tellerrand hinaus und entscheidet sich zu diversen weitergehenden Themen: "Slicin' Your Wrists" ist mit einem (schon damals) recht herkömmlichen Instrumental nicht der beste Track, nimmt sich aber des Themas der gestiegenen Gewaltbereitschaft - verpackt in eine schöne Kurzgeschichte - bestens und mit ehrenwerter Einstellung ("In life there's many situations, which can lead to confrontation / Take the time for contemplation, try to end it with a conversation") an, was zu einem sehr hörenswerten Ergebnis führt. So sehr es löblich ist, dass Virtuoso sich um Abwechslung bemüht, sind es doch die düsteren Stücke, in denen er - wie sollte es mit einer solchen Stimme anders sein - aufgeht: Die eigene Vorstellung in "I'm Virtuoso" schreitet mit einer gewöhnlichen Drumline und überragenden Hörnern ein und avanciert schnell zur persönlichen Hymne ("I cut you up into cubes over the groove / So don't be grimmin' like you got somethin' to prove") und zum unbedingten Kopfnicker. Typischen BoomBap-Flavor mit schönem Streicher-Outfit bietet dann "Guaranteed", eine weitere kleine Geschichte über Gangster-Machenschaften und Rache, in der kein Platz für ein Happy-End ist. Auch soundtechnisch wird die ganze Eastcoast-Palette abgedeckt, vom furiosen "Beatdown" (mit einem noch sehr hörenswerten Vinnie) bis zu den vollkommen entspannten Klängen von "One", das zu verantwortungsvollem Umgang u.a. mit Nachwuchs und Natur aufruft. Sogar für einen Party-Track ("Want Me") wird Platz eingeräumt, der mit seiner platten Hook allerdings weder ins Konzept passt noch besonders begeistert. Wesentlich besser gefällt da doch ein gehaltvoller Brecher wie "Smash Ta' Piece Theater" oder der Boston-Gipfel im Streicher-befeuerten "Orion's Belt". Dank gemeinsamen Tourens versteht man sich außerdem mit der Hiero-Crew, was dem Hörer das ansehnliche "All We Know" beschert. In keiner dieser Kollabos muss Virtuoso sich verstecken, stets wird das Ruder in der Hand behalten; so auch mit Newcomer Reks oder den alten Hasen K.T. (einst Teil der Concrete Click) und Jaz-O im mäßigen "What We Live". Als weitere Anspieltipps sind Panik's "Omnipotence" und natürlich die erste Single, "Incinerator", zu nennen, die Virtuoso ganz in seinem Element vorfinden, während auch das abschließende "Remember" (mit gelungener Hook) als Widmung an Freunde und Familie seriös und ansprechend über die Bühne gebracht wird.

Die Rezeptur, mit der Virtuoso erfolgreich ist, umfasst zum Großteil ostküstliche Hardcore-Kost, doch auch Spuren von damals noch nicht ganz so alltäglichem frischem Neo-BoomBap sind zu finden. Außerdem ist Virtuoso zwar ein erstklassiger Battle-Rapper, lässt es sich jedoch nicht nehmen, auch ein paar ehrenwerte Anliegen auf seinem Album zu adressieren, was ihm hoch anzurechnen ist. Erstaunlich ist, dass die kunterbunte Mischung bei den Produzenten funktioniert, denn letzten Endes klingt dieses Debüt ganz und gar nicht zusammengewürfelt. "World War One" ist zu Unrecht in der Versenkung verschwunden, denn wenngleich es kein Überalbum ist, gibt es sowohl für AOTP-Fans der damaligen Zeit als auch für gemäßigtere Ostküstenanhänger sehr viele empfehlenswerte Tracks.

7.0 / 10

Bad Meets Evil - Hell: The Sequel


Release Date:
14. Juni 2011

Label:
Shady Records / Interscope

Tracklist:
01. Welcome 2 Hell
02. Fast Lane (Feat. Sly Jordan)
03. The Reunion
04. Above The Law (Feat. Claret Jai)
05. I'm On Everything (Feat. Mike Epps)
06. A Kiss
07. Lighters (Feat. Bruno Mars)
08. Take From Me (Feat. Claret Jai)
09. Loud Noises (Feat. Slaughterhouse)
10. Living Proof
11. Echo (Feat. Liz Rodriguez)

Review:
Ein Wunder, dass die Geschichte von Royce Da 5'9" und Eminem zur angemessenen Vermarktung noch in keine Sitcom gepackt wurde - genug Stoff für eine erste Staffel gäbe es auf jeden Fall. Die gemeinsame Geschichte beginnt 1997, als ein junger Royce auf einem Konzert Em vorgestellt wird und man sich sofort (auch in der Booth) versteht. Mit einem Track auf der "Slim Shady LP" und der auf dem bis dato für seine Cover bekannten Label Game Recordings veröffentlichten Single "Nuttin' To Do / Scary Movies" setzt man sich ein erstes Denkmal, das die Erwartungen an eine Ausarbeitung auf Vollzeit gewaltig nach oben schraubt - nicht zuletzt erfahren zu diesem Zeitpunkt beide Künstler auch solo einen gewaltigen Hype. Doch es läuft mal wieder nichts wie geplant, Royce bleibt auf der Strecke und zu allem Überfluss verscherzt er es sich erst mit Dr. Dre und dann mit D12 und Em selbst. Es dauert bis zu Proof's Tod, bis das Duo Bad Meets Evil seine Streitigkeiten beiseite legt und wieder Kontakt aufnimmt, der nach kurzer Zeit auch im Studio gepflegt wird. Ende 2010 reicht Em dann sogar Slaughterhouse (dem Junggesellenbund der gestrandeten Industry-Leftovers) die Hand und mit Nickel gibt es eine EP namens "Hell: The Sequel".

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Zwölf Jahre nachdem Eminem dem Hörer prophezeite, man sehe sich für eine Fortsetzung in der Hölle wieder, dackeln Bad Meets Evil also mit diesem Projekt an, das in der Deluxe Edition mit seinen elf Tracks sowieso mehr Album als EP ist. In jedem Fall sind Mr. Bad und Mr. Evil viel zu spät dran, denn wenn die Zwischenzeit etwas gelehrt hat, dann, dass solche Projekte in der Regel als grauenhafte Reinfälle enden. Doch selbst wenn man es in den letzten Jahren des Öfteren vergessen hat, Eminem war einmal (bzw. ist) ein sehr sehr fähiger Rapper, während Royce diese auch für ihn geltende Tatsache über die Jahre zu diversen von der Öffentlichkeit meist großteils ignorierten Gelegenheiten demonstrierte. Anscheinend haben sich auch Nickel und Slim gedacht, dass man dieses Können mal wieder aus dem Schrank lassen könne, denn - man möchte es kaum glauben - "Hell: The Sequel" gehört zum Besten, was diese beiden am Mic je zelebriert haben. Schlimmer noch, Eminem verbannt den schrottigen Reimstil der letzten Jahre, pfeift darauf, sich über dies und das auszuheulen und beschließt, Spaß beim Rappen zu haben, wovon sich Royce direkt anstecken lässt. Dann muss also nur noch der Rest stimmen, und da man mit positiven Überraschungen anscheinend nicht geizen möchte, startet "Welcome 2 Hell" gleich nach Maß durch: Havoc schraubt einen fetten Beat (was schließlich selten genug passiert) mit Choral-Sample und treibender Hi-Hat zusammen und erlaubt BME, mit aberwitzigen Punchlines fröhlich-munter den ersten Kopfnicker hinunterzufegen. Bunter wird's direkt im Anschluss in "Fastlane", das erneut nicht den Fehler macht, als merkwürdige oder spaßig gedachte Rotzproduktion anzutanzen (lediglich die Synthies gegen Ende hätten nicht sein müssen), sondern eine schön dunkel-gewaltige Wand aus Kick und Bässen aufstellt, die von Royce und Em in ebenbürtiger Entschlossenheit mit Lines niedergerissen wird, die so bombenstark geflowt sind, dass man sich fragen muss, womit die beiden in den letzten Jahren ihre Zeit verschwendet haben. Irgendwo in der Mitte von Sly Jordan's Hook, wenn man Zeit zum Luftholen gefunden hat, fällt dann aber das erste und leider später wiederkehrende Manko der EP auf: Wo man in den Strophen jeglichen Mainstream-Appeal in den Wind schlägt, scheint Interscope doch einige halbwegs zahme Hooks durchgeboxt zu haben, denn zu oft schieben sich Hooks ein, die nicht zum Rest des Songs passen und auch für sich genommen wenig bis nichts können. Der schlimmste dieser Kompromisse ist das miserable "Lighters", für das man Tyler, The Creator glatt das Messer in die Hand drücken und ihn auf Bruno Mars hetzen will. Sowohl mit dem klebrig-süßen Beat als auch mit seinem Refrain legt er diesem Song den Strick um den Hals. Doch vielleicht ist "Lighters" ja auch nur ein schlechter Scherz, der zeigen soll, dass das bedenkenlos stark spuckende Duo mit seinen Raps selbst durch Zuckerwatte schneidet. Im abschließenden Bonus "Echo" wird Liz Rodriguez wesentlich besser in den Song eingearbeitet, doch in einem Track wie "Taken From Me", das allen falschen Fans und Bootleggern den Mittelfinger vor die Nase hält, ist Claret Jai nur Zeitverschwendung zwischen der Reimen von Royce und Em. Die (oft von Mr. Porter beigesteuerten) Produktionen dagegen stimmen meistens, Sid Roams liefern das schlichte "The Reunion", das nicht etwa die gemeinsame Geschichte aufrollt, sondern mit unterhaltsamem Storytelling über die Damenwelt glänzt. Selbst Bangladesh greift im bassschweren "A Kiss" nicht vollkommen ins Klo, wenngleich die eingesampelte Hook wie auch der Song als Gesamtheit fernab vom Optimum spielen. Gleiches gilt für "I'm On Everything", das dank seiner austauschbaren Instrumentalisierung wenig packend ausfällt. Einen letzten Kritikpunkt darf man an der schnell sehr eintönigen Hook des anderweitig mit ganzer Mannschaft gut abgehenden "Loud Noises" anbringen, zu begrüßen ist dagegen der Bonus "Living Proof", dem eine schöne Drumline sowie starkes Bass-Spiel zugrunde liegen.

Da sie selten genug passieren, sind positive Überraschungen eine tolle Sache - vor allem bei einem Major-Release. In erster Linie gebührt Eminem und Royce Da 5'9" Respekt für den Bombenhagel an kunterbunten Lines, mit denen sie den Hörer eindecken und der so treffsicher und teils schnell geflowt ist, als hätten beide seit jeher nichts anderes gemacht. Abzüge gibt es für einige der Produktionen (wenngleich es in dieser Hinsicht wesentlich schlimmer hätte kommen können), vor allem aber für die Hooks und die dafür engagierten (oder vom Label vorgeschriebenen) Gäste, die zu oft unnatürlich und unpassend klingen. Doch selbst das vermag das positive Gesamtbild von "Hell: The Sequel" nicht zu trüben. Wenn Bad Meets Evil jetzt noch Hooks wie früher bei "Scary Movies" ins Programm nehmen, darf man sich auf weitere Zusammenarbeit freuen.

6.6 / 10

Binary Star - Masters Of The Universe


Release Date:
31. Oktober 2000

Label:
Subterraneous Records

Tracklist:
01. Reality Check
02. Conquistadors
03. Solar Powered (Intro)
04. Solar Powered
05. Slange Blade (Intro)
06. Slang Blade
07. Binary Shuffle (Intro)
08. Binary Shuffle
09. Fellowship (Feat. Athletic Mic League & Decompoze)
10. New Hip Hop
11. Masters Of The Universe
12. Indy 500 (Feat. Decompoze)
13. Evolution Of Man (Feat. Brenda J)
14. I Know Why The Caged Bird Sings (Part 1)
15. I Know Why The Caged Bird Sings (Part 2)
16. Honest Expression
17. Honest Expression (Outro)
18. Glen Close
19. Wolf Man Jack (Intro)
20. Wolf Man Jack
21. One Man Army
22. K.G.B. (Intro)
23. K.G.B. (Feat. Malaki, Texture, Elzhi, O Type Star, Lacks & Juice)
24. Outro

Review:
Beim Städtchen Pontiac (Michigan) geht der erste Gedanke zu General Motors, eher weniger zu HipHop-Musik. Die Stadt mit relativ hoher Armutsquote bot in den Neunzigern allerdings zahlreichen Jugendlichen Nährboden, in kriminelle Machenschaften abzurutschen. So auch den zwei hier im Rampenlicht stehenden Herren, deren Verbrecher-Laufbahn recht schnell im Kittchen endet, wo sich One Man Army und Senim Silla erstmals begegnen (Ersterer konvertiert sogar zum Islam). Da beide zuvor schon in der lokalen HipHop-Szene aktiv waren, schließt man sich nach Freilassung zu Binary Star zusammen und nimmt das Low-Budget-Release "Waterworld" (limitiert auf 1000 Exemplare) auf. Bewährungsauflagen verbieten zu diesem Zeitpunkt noch das Verlassen von Michigan und größere Bekanntheit, doch ein Jahr später und mit der Gründung des eigenen Labels (Subterraneous) wird "Waterworld" nochmals aufpoliert, umsortiert, erweitert und als "Masters Of The Universe" veröffentlicht.

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"Binary stars are like two stars that appear to be one star. But they revolve so close, if you look at them closely, in reality they're two stars revolving around each other", so die Erläuterung zum "Gruppen"-Konzept. Als nicht unwichtiger Teil dieser Compilation ist noch Decompoze zu nennen, den One Man Army alias One Be Lo alias The Anonymous von früher kennt und der an der Gründung von Subterraneous teilhat. Dieser Decompoze nämlich produziert einen beachtlichen Teil der Songs, den Rest machen Silla und (hauptsächlich) Lo unter sich aus - "MOTU" ist also eine Inhouse-Angelegenheit, was der Platte erlaubt, ihren ganz eigenen Charakter zu entwickeln. Der rührt sowohl von den Produktionen als auch von den beiden Emcees her, die sich beide als stilistisch ähnliche, sehr agile und elegante Flower herausstellen, mit gerade der richtigen Differenz in der Stimmlange. Für das Anliegen von Binary Star muss man sich die damalige Zeit vorstellen, die klar einen Wendepunkt für HipHop-Musik darstellt - erstmals war die Notwendigkeit für Emcees wie Silla und Lo gegeben, um die Leute daran zu erinnern, wie echter HipHop zu klingen hat. Was die beiden nun so besonders macht, ist der Umstand, dass dieses Realkeepen keineswegs im Vordergrund steht, hier wird einfach unbeschwert ans Werk gegangen und genau dadurch ein starkes Statement gesetzt. Alles, wofür Binary Star stehen, wird schon im Opener zusammengefasst: Es eröffnet ein Piano-Intro, es wird ein unerwarteter Fade eingeworfen, auf dass kurzzeitig nur noch Kick und Snare in den eigentlichen Track überleiten, der mit einem weiteren Piano-Loop wie eine frische Brise ins Haus weht - der perfekte Nährboden für einen gut gelaunten One Be Lo, der sich mit Zeilen wie "It ain't all about economy, so the fact that all these wack emcees is makin' Gs don't bother me / Honestly, my number one policy is quality, never sell my soul is my philosophy" vorstellt. Gute Laune ist ein wichtiger Teil der Reise durch dieses Album, darüber hinaus ist es die Konstellation der beitragenden Komponenten, die Großes hervorbringt: Auf Low-Budget-Ebene finanziert, haftet den Songs streckenweise der Lo-Fi-Charakter der Neunziger an, die Kreativität des Duos verhindert jedoch, dass die Geschichte altbacken wirkt und mit dem locker-jazzigen Outfit fährt man sowieso seine eigene Schiene. Staunend gibt man sich dem parallel rohen und smoothen "New Hip Hop" des Duos hin, lauscht, wie in zwei ebenbürtigen "I Know Why The Caged Bird Sings"-Teilen über den Knastaufenthalt berichtet wird oder wie mit der AML und Decompoze in "Fellowship" ausgelassen das Mic durch die Runde wandert. Schmackhafte Basslines, dezente Drums und knackfrische Samples finden sich praktisch auf jedem Song in Gesellschaft der munteren Flows der beiden Pontiac-Rapper. "Indy 500" bemüht ein schwermütiges Piano-Sample und bezieht klare Stellung gegen diktierende Majors, was ebenso herzhaft über die Bühne geht wie "Honest Expression", das eine scharfe Definition davon abgibt, was HipHop ist und welche falschen Richtungen eingeschlagen werden. Darüber hinaus findet sich noch ein wenig Storytelling: "Wolf Man Jack" beschäftigt sich mit der nicht alltäglichen Werwolfthematik, "Glen Close" mit einem unliebsamen weiblichen Anhängsel. Mindestens ebenso hörenswert sind die inhaltlich weniger gehaltvollen Tracks, in ihrer besten Form in der basslastigen Stimmungsgranate "Slang Blade" oder im abschließenden "K.G.B.", für das sich im russischen Punchline-Mob (Lo: "I make it harder for the next emcee, that's my specialty") u.a. die Chicagoer Juice und O Type Star, Lacks mit einem seiner ersten Auftritte als auch ein blutjunger Elzhi einfinden.

Glücklicherweise erreichten Binary Star noch die Neuveröffentlichung von "Waterworld", bevor sie sich dazu entschieden, getrennte Wege zu gehen, denn es hat sich gelohnt: Ihr "zweites" Album klingt geschlossener, runder und steigert die Qualität noch ein wenig. Wie schon erwähnt ist diese Stellungnahme zweier HipHop-Fans, die ihr Genre vor die Hunde gehen sehen, gerade deshalb so stark, weil sie Altes mit Neuem verbindet und dabei ihren ganz eigenen Vibe entwickelt. Darüber hinaus haben Senim Silla und One Be Lo, obwohl sie damals praktisch Newcomer waren, in abgeklärter Weise einiges zu erzählen, weshalb man die Lyrics problemlos viele Male durchlaufen kann. Deshalb ist "Masters Of The Universe" für jeden, der sich mit Non-Gangsta-HipHop identifiziert und die Scheibe noch nicht kennt, höchst empfehlenswert.

8.7 / 10

V/A - Angels & Insects



Release Date:
2002

Label:
Mondrian Sound Network

Tracklist:
01. Plead The 5th - Buggin'
02. Tomek - Instrumental
03. Delta - An Angel's Entomology
04. Kasm & Cannibal Ox - A & I
05. T1 - Instrumental
06. Impervious - Mosquito Bit
07. Aesop Rock - Bad Karma
08. Tomek - Instrumental
09. Shrug & Eudai - Wing Split
10. T1 - Instrumental
11. Blueprint, Manifest, Inkwell & Illogic - Wings Earned
12. Sub Conscious & Mojo - The Angel And The Insect
13. T1 - Instrumental
14. Alaska, Cryptic One & Windnbreeze - 32 Perspectives
15. Maliks - Instrumental

Review:


Manche Künstler haben es besonders gut geschafft, mit ihren Alben komplett in der Versenkung zu verschwinden. Noch leichter geschieht das mit Compilations - mit dieser zum Beispiel. Verantwortlicher ist ein kleines Label, das offensichtlich einige gute Kontakte pflegt und so ein Aufeinandertreffen von Gleichgesinnten initiiert. Mondrian Sound ist der Name, das Label hat einige fast gänzlich unbekannte Künstler unter Vertrag stehen, von diesen aber noch nichts veröffentlicht. An dieser Stelle kommt "Angels & Insects", eine "Konzept-Compilation", ins Spiel, denn als Debüt-Release des Labels und mit einigen bekannteren Namen möchte man der Welt die eigenen Leute schmackhaft machen.

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Schmackhaft ist diese Tracklist für Underground-Heads in der Tat, Mondrian kann Auftritte aus der Atoms Family ebenso wie aus dem Weightless-Camp sichern und so eine interessante Mischung aus den eigenen und etablierten Künstlern aufstellen. Doch nicht nur das, denn der Titel "Angels & Insects" wurde aus gutem Grund gewählt, drehen sich doch die meisten Songs genau um diese beiden Geschöpfe, um nicht selten einen Bogen zwischen beiden zu spannen. Zuerst sollte man einmal näher auf das Lineup und damit auch Mondrian eingehen: Die meisten der Namen, von denen man ruhigen Gewissens noch nie gehört hat, stehen direkt mit dem Label in Verbindung. Essenziell sind außerdem die beiden Inhouse-Produzenten T1 (alias Shelshock) und Maliks, die mit ihren Instrumentals Übergänge liefern und die Platte zusammenhalten. Seinen Anfang nimmt die Scheibe mit einem Weightless-Cut, der sofort in angenehmster Weise bestätigt, dass man sich im richtigen Film (und zwar nicht im Drama von Philip Haas) befindet: Blueprint garantiert mit Triangel und dünnen, aber eindringlichen Streichern, dass hier Samples in kunstvoller Manier elegant zusammengeführt werden, wie es all jenen, die diesem Werk ihre Aufmerksamkeit schenken (ein überschaubarer Verdächtigenkreis), schätzen werden. Passend dazu läuft sich ein überragender Plead The 5th warm und präsentiert mit Lines wie "You humans remember our names, but never remember our faces" oder "My wings take me to the heavens, like an angel in disguise / In the skies I meditate, in one place like dargonflies" die Welt aus Insektenperspektive. Als grobe Einteilung lässt sich die erste Hälfte den Insekten und die zweite den Engeln zuordnen, wobei nicht jeder Track das Thema direkt aufgreift: "A & I", eine der Edelschnitten dieser Scheibe, für das der sich im Umfeld der Atoms Fam herumtreibende Kasm von der Isländerin Björk großartige Streicher sampelt, nutzt ein Vordul für schwarze Zeilen wie "Trapped in the tunnels of hell / In the catacomb I dwell". Themenbezogener machen der Australier Delta und Mondrian-Artist Impervious ihre Aufwartung, während sich schnell herauskristallisiert, wie wichtig die überleitenden Instrumentals für die Gesamtatmosphäre sind. Maliks' erster Beitrag ist für Shrug und Eudai (zusammen Dragons Of Edin), eine japanisch-amerikansiche Kombo, die in "Wing Split" mit der Flügelthematik eine perfekte Überleitung von erster zu zweiter Hälfte bietet. Dort wartet dann auch das lyrische Highlight der Scheibe: "Wings Earned" ist Greenhouse Effect von der allerbesten Seite, in einer packenden Erzählung, die mit der Auseinandersetzung zweier Hustler tödlich anfängt, woraufhin der Verstorbene im Himmel in die Reihen der Engel eingeladen wird, sofern er es sich durch Absolvieren einer Aufgabe verdient. Nicht nur hat diese Geschichte starke Wendungen, auch versorgt Blueprint die drei Sinnesabschnitte mit gleich drei Gourmet-Beats. Mojo und Subconscious entspringen (wie auch Tomek und Apex, der folgenden Track produziert) der Dujeous-Ecke, zu der dank T1 ein Draht besteht, und stellen in "The Angel And The Insect" die zwei Geschöpfe mit HipHop als essenziellem Kontext in einer weiteren umwerfenden Geschichte gegenüber. Übrig ist damit nur "Bad Karma", ein weiteres Stück aus der scheinbar immer funktionierenden Blockhead-Aesop-Kiste, sowie "32 Perspectives", das zwar nicht der beste, aber doch ein gewohnt starker Track der (halben) Atoms Fam ist.

So prachtvoll dieser Einstand auch gewesen sein mag, Mondrian Sound war danach nicht der große Erfolg beschieden: Nach ein paar Releases der auch hier beteiligten Signings verschwindet das Label von der Bildfläche. Das ist ein Jammer, denn wer ein solches Lineup zusammenbringt, der sollte eigentlich wesentlich mehr Aufmerksamkeit erhalten. Dabei ist diese Compilation nicht perfekt, ebensowenig wie das großartige Konzept optimal umgesetzt wurde. Nicht wenige Tracks sind aber nahe an dieser Perfektion, vor allem das Storytelling ist ganz großes Kino. Zusammen mit den Instrumentals macht das Hören trotz ein paar weniger umwerfender Tracks einfach Spaß. Zusammenfassung: Königliche Gäste, amibtioniertes Konzept, Underground-HipHop, wie er zu klingen hat - für eine Compilation lässt "Angels & Insects" wenige Wünsche offen.

7.2 / 10

Random Axe - Random Axe


Release Date:
14. Juni 2011

Label:
Duck Down Records

Tracklist:
01. Zoo Drugs
02. Random Call
03. Black Ops (Feat. Fat Ray)
04. Chewbacca (Feat. Roc Marciano)
05. The Hex
06. Understand This
07. Everybody, Nobody, Somebody
08. Jahphy Joe (Feat. Melanie Rutherford & Danny Brown)
09. The Karate Kid
10. Never Back Down
11. Monster Babies
12. Shirley C (Feat. Fatt Father)
13. Another One (Feat. Rock & Trick Trick)
14. 4 In The Box
15. Outro Smoutro

Review:
Irgendwo in der Zeitspanne zwischen 2007 und 2008: Zwei befreundete Künstler aus Detroit veröffentlichen ihre Solodebüts und rücken, nachdem beide schon etliche Jahre im Game zugebracht haben, endlich ins Rampenlicht. Ein gewisser Sean Price hat zu diesem Zeitpunkt in etwa denselben Schritt schon seit zwei Jahren hinter sich und gewinnt mit seinem Zweitling erneut die Szene für sich. Bei den Aufnahmen für Guilty Simpson's "Ode To The Ghetto" ist Price dann schließlich als Feature geladen, zu diesem Zeitpunkt geistert schon die Idee des Zusammenschlusses von Black Milk, Sean P und Guilty zu Random Axe im Netz, deren Urheber im Übrigen Hex Murda (u.a. Manager von Milk und Guilty) ist. Ein gemeinsames Album soll es auch geben, die interessierten Fans werden alle paar Monate mit einer weiteren diesbezüglichen Versicherung gefüttert, bis "Random Axe" dann geschlagene drei Jahre später tatsächlich erscheint.

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Das Prinzip der Scheibe ist sehr simpel, zur Überlegung, dass drei derzeit gehypte Künstler in einem Zusammenschluss logischerweise noch mehr Hype erfahren würden, waren wohl auch Random Axe in der Lage. Also schustert Black Milk alle Beats in bester Detroit-Manier, ergreift auch ab und zu das Mic, überlasst den Löwenanteil aber seinen zwei Kollegen. Man mag Random Axe nun ein recht willkürliches Trio nennen, doch außer Frage steht, dass Sean Price und Guilty Simpson (der als Detroiter sowieso aus demselben Holz wie Milk geschnitzt ist) nicht nur optisch einige Parallelen aufweisen und dementsprechend gut harmonieren. Beide geben den bärtigen Rüpel, Sean immer mit einem lustigen Spruch auf den Lippen und Guilty immer mit der geballten Faust im Anschlag. "Random Axe" klingt also auf dem Papier alles andere als schlecht, das einzige, was einen Hörer von vornherein stören könnte ist Püü's derzeitige Feature-Omnipräsenz, die selbst den größten Ruck-Fan überfordern kann. Doch das ließe sich locker verkraften, wenn Milk die Fortschritte und Etappen, die er bei seinen Beats seit Gründung der Gruppe hinter sich gebrahct hat, in ein raues Outfit packt und es hier ordentlich krachen lässt. Genau dort liegt allerdings der Hund begraben. Aus irgendeinem Grund geht "Random Axe" die Raffinesse, die man von "Tronic" kennt, oder auch die Detailtreue von "Album Of The Year" ab. Nachdem "Zoo Drugs" noch als hübsches Kurz-Intro Stimmung gemacht hat, klingt "Random Call" beinahe wie "Popular Demand"-Restmaterial, was vor allem BM's Hook zuzuschreiben ist, die man genau in dieser Zeit ansiedeln würde. Das sich direkt anschließende "Black Ops" ist nicht verkehrt und klingt diesmal wie aus den "The Set Up"-Sessions entnommen, kurz gesagt lässt sich schlichtweg bemerken, dass es ganz offensichtlich Black Milk's Ziel war, grobe, harte Instrumentals zu erschaffen, weswegen die Kick in ihrer bei Milk typischen Art durchgehend fröhlich die Trommelfelder bearbeitet - anscheinend vergessen wurde dabei aber, einigen der Tracks das gewisse Etwas mit auf den Weg zu geben. In der Percussions-Wüste von "Understand This" etwa langweilt man sich schnell zu Tode. Auf der anderen Seite fristet das potente Instrumental zu Sean P's "The Karate Kid" mit seiner einen Minute Spielzeit praktisch ein Ersatzbank-Dasein, Gleiches gilt für das stark gerappte Guilty-Solo "Never Back Down". Leider führt die LP noch einige weitere Tracks, die ganz sicher nicht zu Milk's besten Werken gehören ("Shirley C" und die Hommage an "Hex" Murda), da helfen dann auch die Raps nichts mehr. Auf dieser Ebene stimmt (vor allem bei Guilty) zumeist alles, wenngleich Sean P fast keine denkwürdigen Lines wie etwa auf seinen Solos vom Stapel lässt. Highlights gibt es glücklicherweise trotzdem: "Another One" gefällt trotz Trick Trick, der eindeutige Überkracher ist jedoch "Chewbacca", einerseits mit dem besten Beat (in dem BM zeigt, zu was er eigentlich imstande ist), außerdem dem besten Ruck-Vers der Platte und einem feinen Wu-Tang-Verweis zum Schluss.

Die Erwartungen waren von Anfang an sehr hoch und wären wahrscheinlich in keinem Fall erreicht worden, doch man darf so oder so zu Recht sagen, dass dieses Projekt deutlich hinter seinen Möglichkeiten zurückgeblieben ist. Bei der Fehleranalyse muss man leider zu großen Stücken auf Black Milk zeigen, von dem man bei der Produktionsarbeit lieber ein wenig mehr Kreativität gehört hätte. Eine weitere Baustelle sind die Hooks, die leider nicht jedes Mal funktionieren, während es an den Jobs von Guilty und Sean wenig zu beanstanden gibt - Black Milk wird am Mic regelmäßig ausgestochen, die ganz großen Performances werden jedoch nicht geboten und bei der teils mittelmäßigen Produktion kann selbst das kombinierte Dreigespann nicht immer fesseln. Dank einiger Kracher schafft es "Random Axe" immer noch in den grünen Bereich, zum durchwegs guten Fazit reicht es leider nicht.

6.1 / 10

The Undergods - In Gods We Trust: Crush Microphones To Dust


Release Date:
31. Mai 2011

Label:
RBC Records / Sound Records & Entertainment

Tracklist:
01. Enter The Adonai (Intro)
02. Rock Wit Us (Feat. Planet Asia)
03. No Brainer
04. Undergods Roll
05. 129
06. Freestyle A Chorus
07. The Guilty Will Pay (Feat. Crooked I & Eric Sermon
08. Stop Frontin'
09. Follow El Shaddai
10. Supreme Lyrical Beings (Interlude)
11. Show Em’ What Crazy Is (Feat. Tech N9ne)
12. Torsion Fields
13. We Blakout Too
14. Gotta Be Real (Feat. Urban Rose)
15. The Princes Of Persia
16. Secret Weapons
17. Rise Of The Machines
18. Tetragrammaton Gods (Feat. Born Sun & Joe The Butcher (Bonus)

Review:
Auf den ersten Blick möchte man dieses Projekt direkt in die überflüssige Schublade der in letzter Zeit so häufig und teils willkürlich zusammenpurzelnden Veteranen-Kollabos stecken, doch Canibus und Keith Murray hatten die Idee zu einem gemeinsamen Album schon wohl seit Mitte der Neunziger, lediglich die Situation der jeweiligen Solokarriere ließ die Idee erst zum (gewissermaßen ungünstigen) jetzigen Zeitpunkt wahrwerden. Als The Undergods nimmt man nun schon seit bald zwei Jahren zusammen Tracks auf, von denen es erstmals auf der Ende 2009 releasten EP einige zu hören gab. Für "In Gods We Trust: Crush Microphones To Dust" konnte man außerdem RBC als Vertrieb gewinnen.

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Wer die EP schon kennt, dem wird auffallen, dass es einige der dort vertretenen Songs aufs Album geschafft haben, der Großteil ist aber natürlich neu und insgesamt kann man auch mit einer ansehnlichen Producer-Liste protzen: Erick Sermon steht für die Undergods als Executive ein, weiter versammeln sich u.a. Bronze Nazareth, Jake One, Shuko, die Beatminerz oder Godz Wrath. Die Zusammenstellung klingt also gar nicht so schlecht, hat aber nichts mit dem Grundproblem dieser LP zu tun: ihrer Notwendigkeit. Wer in einer beliebigen HipHop-Diskussionsrunde nach den meistgewünschten Traumkollabos fragt, der wird nirgends den auftretenden Zusammenschluss von Canibus und Keith Murray hören, denn es gibt wenig bis nichts, was Canibus und Keith verbände oder eine Kollabo der beiden nahelegte. Genau genommen passen die beiden überhaupt nicht zusammen, selbst die Battle-Raps, die eine klare Schnittmenge bilden, sind völlig verschieden strukturiert - von Flow, Stimme oder Atmosphäre, mit der man bisherige Projekte in Verbindung brachte oder in der die beiden jeweils am besten funktionieren, sei hier gar nicht die Rede. Wieso also so eine LP? Ein Canibus kann jedenfalls kaum darauf angewiesen sein, konnte er doch 2010 recht erfolgreiche Soloalben veröffentlichen. Man mag sich nun fragen, ob solche Überlegungen überhaupt notwendig sind, doch beim Hören der Platte fällt schnell auf, dass sie die Quintessenz sämtlicher (reichlich notwendigen) Kritik darstellen. Bei den Undergods passt oft einfach nichts zusammen. Bis auf die regelmäßige Feststellung, dass das Duo die dicksten Eier am Tisch hat, fehlt ein Konzept, die Beats lassen eine richtige Marschrichtung vermissen, es ist - auf den ungeschönten Punkt gebracht - ein einziges Trauerspiel. Gut ist das, was an Beats zusammengetragen wurde, nämlich auch nicht. Mal wird in "Rock Wit Us" ein total überstrapaziertes Samples von Margie Joseph nur durchschnittlich gut umgesetzt, an anderer Stelle versumpft Erick Sermon ("Stop Frontin'") in geradezu wütend machender Langeweile. Canibus spuckt zwar über das ganze Album hinweg seine scharfen Lines, zwischen beschissenen Hooks und falsch gewählten Instrumentals steht er aber zumiest auf vollkommen verlorenem Posten, während Keith Murray seine meist sehr ähnlichen Rhymes das Album rauf- und runterschiebt und dabei nur auf (sehr rar gesähten) guten Tracks nicht anstrengt. Die Liste der hörenswerten Nummern ist erschreckend kurz: "Follow El Shaddai" steht Canibus sehr gut zu Gesicht und schmeichelt auch den Raps von Keith, dem darauffolgenden Interlude ist nichts vorzuwerfen und in "Show 'Em What Crazy Is" wird ein einziges Mal gemeinsam auf die Kacke gehauen, weshalb man die Entscheidung, den stark loslegenden Tech N9ne einzuladen, loben muss. Der Rest praktiziert so ziemlich alles, was an solchen Kollabos verachtenswert ist: Shuko hat anscheinend etwas Schlechtes gegessen und erbricht "No Brainer", "Princes Of Persia" versemmelt seinen Nahost-Einschlag und harmonisiert dabei so wenig mit den Emcees, dass die Trommelfelle weinen, bei "Torsion Fields" darf sich die Hörerschaft dann nochmal im Gähnen überbieten und das (pseudo-)politisch inszenierte "Secret Weapons" ist ebensowenig ernstzunehmen wie "Rise Of The Machines", das mit dem Großteil der LP auf der Stelle tritt. Wer nach Lichtblicken sucht, dem wird der Bonus-Cut "Tetagrammaton Gods" noch halbwegs positiv auffallen, während auch "Freestyle A Chorus" durchaus erträglich ist und das "Intro" zu den stärksten Momenten der Scheibe zählt.

Und wieder muss man zurückkommen zur Frage: warum? Warum zur Hölle dieses Album? Selbst mit besseren Beats bliebe immer das sehr essenzielle Problem, dass Canibus und Keith Murray kein Kollaboalbum aufnehmen sollten, weil sie damit automatisch ihre jeweiligen Stärken neutralisieren. Doch man dürfte Freudentränen weinen, wenn dieses das einzige Problem der Scheibe wäre. Oh nein, zu allem Überfluss kommt eine miserable Beat-Auswahl hinsichtlich Kohärenz hinzu, in der der masochistische Hörer sogar noch einige besonders garstige Anwärter für seinen Mülleimer ausmachen kann. Unterm Strich und bei Betrachtung der einzelnen Komponenten ist "In Gods We Trust" sicherlich kein miserables Album, es hat auch nicht viele Totalaussetzer vorzuweisen, doch in seiner Gesamtheit passt einfach gar nichts zusammen, was das Hören des Albums zu einer Angelegenheit macht, die man sich nur antun sollte, wenn man gedenkt, aufgrund dieser schlechten Umsetzung ein paar Aggressionen aufzubauen.

3. 3 / 10

Dienstag, 5. Juli 2011

Dr. Holmes & Xunfusion - 33°


Release Date:
01. März 2011

Label:
Candid Hammer Productions

Tracklist:
01. Gun of the Hand (33° Intro)
02. Deep End (Branesnap) (Feat. MarQ Spekt)
03. Pit Of Snakes (Feat. K-The-I??? & Jive Cuttah)
04. Thinking Cap (Feat. Breez Evahflowin)
05. RFID (Interlude)
06. Hellfire (Feat. Solomon Childs)
07. Skull Rhapsody (Interlude)
08. A Living Nightmare! (Feat. Incaperseverance)
09. Playin Wit Puppets (Feat. MarQ Spekt)
10. Trained & Conditioned (Interlude)
11. MissAccomplished (Feat. K-The-I???)
12. Arrivals (I See You) (Instrolude)
13. Last Episode (Feat. Shadow Str)
14. Perfect Imitations (Interlude)
15. Mad At The Style I Got (Feat. Solomon Childs)
16. Omen Static (Interlude)
17. The Takeover (Feat. Lord Subliminal & Rebel Palestine)
18. Endless War (W.S.) (Interlude)
19. Think Too Much (Interlude)
20. Hell Isoseles (Feat. Jive Cuttah)
21. One of Their Own (Interlude)
22. What Was Your Bargain? (Interlude)
23. Hellfire (Remix) (Feat. Solomon Childs)
24. Access To Knowledge (Outro)

Review:
Aus der Mitte des erhabenen Zirkels der unbekanntesten Niemande steigen zwei Produzenten bzw. DJs in den Ring, um sich der Welt mit einem Album vorzustellen. Es gibt wenig bis nichts, an was man die bisherige musikalische Existenz von Dr. Holmes oder Xunfusion festmachen könnte, das beim gebildeten Rap-Hörer die Glocken klingeln lassen würde. Label unbekannt, keine direkte Crew, lediglich Dr. Holmes rechnet sich selbst der von D.L.A.H. gegründeten und in Wu-Kreisen kritisch beäugten Future-Chamber-Bande zu. Trotzdem konnte das Produzentenduo für ihr Album "33°", das im Übrigen nicht erst seit gestern, sondern schon ein paar Jährchen angekündigt ist, einige recht bekannte Gäste klarmachen.

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Genau genommen sind es nicht nur irgendwelche Gäste; das Lineup, das sich auf "33°" (das übrigens zuerst als "The 33rd Chamber", inspiriert von den Shaolin'schen Kammern, beworben wurde) versammelt, ist, verglichen mit so vielen anderen Producer-Alben, höchstgradig interessant: Die Zugpferde sind Solomon Childs, seines Zeichens Spitter aus dem Wu-Imperium und u.a. mit Ghost's Theodore Unit unterwegs, K-The-I???, der wie Holmes aus Cambridge stammt, Stronghold's Breez Evahflowin und schließlich noch MarQ Spekt, der in Atlanta wohnhafte MC mit Connections von Kno über die Broady Champs bis hin zu den Backwoodz Studioz. Das Bild wird ergänzt von einigen unbekannten Namen aus dem Umfeld von Dr. Holmes und Xunfusion. Die Tracklist mag dabei zuerst umfangreicher aussehen als sie eigentlich ist, denn zur Hälfte besteht sie aus Skits und Interludes, die das Rampenlicht auch auf die eigentlichen Gastgeber werfen und außerdem die Atmosphäre der LP stärken sollen. Erfreulich ist die Konzeption der Tracklist allemal, zumal die bekannten Emcees nicht dem Standard, den man sonst auf solchen Alben findet, entsprechen und außerdem am Mic sehr fähig sind. Des Weiteren ist der größte Pluspunkt das, was vom etwas halbprofessionellen Cover angedeutet wird: die Stimmung der LP. Ein schwarzes Schloss ist genau das, als was sich die Produktionen beschreiben lassen. Unheimliche Samples, deckende Streicher, wilde Drumlines und wütende Raps erwarten den Hörer. Den Rahmen liefern erwartungsgemäß die ganzen Interludes, die in bester JMT-Manier mit diversen Sample-Fetzen versehen sind - ein immer wieder durchscheinendes Thema sind die Verblendung der Massen, Verschwörungstheorien und vor allem die Skull & Bones. Dazwischen machen es sich Ungetüme wie "Hellfire", das in seinem Remix nochmal wesentlich mehr Fahrt aufnimmt, gemütlich - so und genau so macht die ruppige Mic-Erscheinung der Wu-Killerbiene Spaß. Doch auch die weitaus weniger bekannten Lord Subliminal (wie Holmes aus dem Bereich Future Chamber) und Rebel Palestine können punkten und veredeln den direkt ins Ohr gehenden Piano-Loop von "The Takeover". Dank der (meist gegebenen) instrumentalen Güteklasse der Interludes stört es selten, dass so viel Spielzeit für sie eingeräumt wird, zumal dazwischen dann immer wieder Hochkaräter warten, unter anderen natürlich die Auftritte von K-The-I???, der in "MissAccomplished" das 9/11-Lug-und-Trug-Spiel der US-Regierung verkaufen möchte und mit Jive Cuttah (aus dem direkten Umfeld von Holmes) durchs pechschwarze "Pit Of Snakes" weht, oder auch MarQ Spekt, von dem vor allem "Deep End" zu gefallen weiß, da sich sein markanter Flow perfekt mit dem Piano-Lop ergänzt. Weniger begeistern können dagegen Shadow Str mit Standardauftritt und Incaperseverance als tief genuschelter, Flow-schwacher schlechter Holocaust-Verschnitt.

Alben wie diese sind praktisch nie verkehrt, denn es gibt sie viel zu selten. Keine Kompromisse, keine bescheuerten Hooks, die aktuellen Trends genügen wollen und dabei als billige Kopien enden. Holmes und Xunfusion scheren sich nicht um Massentauglichkeit, ihr Album wird schon mit der bloßen Trackzahl viele Hörer abschrecken, die vielen Zwischenspiele (u.a. mit Film-Samples) sind ebenfalls nicht für jeden gedacht. Doch was "33°" als Gesamtpaket präsentiert ist in sich schlüssig, bietet einige echte Highlights und ist vor allem deshalb so lobenswert, weil man auf eine überschaubare Anzahl Emcees setzt, die dafür mehrmals auftauchen. Da nicht jeder Track das teils erreichte Niveau hält kann es keine Top-Wertungen geben, trotzdem hat man es hier mit einem hörenswerten und sehr interessanten Projekt zu tun.

6.9 / 10

Kool G Rap - Riches, Royalty & Respect


Release Date:
31. Mai 2011

Label:
Fat Beats Records

Tracklist:
01. Pimptro
02. Ya Chic Chose Me
03. In Too Deep (Feat. Heather Walker)
04. 70's Gangsta
05. Pillow Talk
06. The Meaning To Your Love
07. Sad
08. Maggie
09. $ Ova Bitches
10. G On
11. Pages of My Life
12. Going In
13. American Nightmare (Feat. Havoc)
14. Da Real Thing (Feat. Heather Walker)
15. Harmony Homicide

Review:
Wer niemandem mehr etwas zu beweisen und seinen Legendenstatus so unumstößlich zugeschrieben bekommen hat wie Kool G Rap, für den ist es wahrscheinlich gar nicht einfach, in der heutigen Zeit, in der die komplette Szene mit doppelter Geschwindigkeit an ihm vorbeirast, Motivation für ein neues Album zu finden - zumal seine 2008er "Half A Klip"-EP inzwischen auch schon wieder großteils in Vergessenheit geraten ist. Doch der Veteran aus Queens wartete geduldig, bis ihn mal wieder ein wenig Motivation packte und zog dann ins Studio. Die Folge war eine Anfang des Jahres veröffentlichte EP, die als Vorgeschmack auf das kommende und hier vorliegende Album, "Riches, Royalty & Respect", dient.

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Zusammen mit der Cover-Pose ist relativ klar ersichtlich, wie G Rap seinen Status in der Szene selbst auffasst. Doch ganz so königlich präsentiert sich das Album von Don KGR dann doch nicht, denn trotz des Titels sollte man kein Schaulaufen der Producer-Schwergewichte und kein Stelldichein der angesagtesten Emcees erwarten. Die Gästeliste ist mehr als überschaubar und die Produzenten fast komplett und gänzlich unbekannt. Kool G Rap nutzt die Vorzüge des 21. Jahrhunderts und sendet einen Ruf in den Wald der Beatbastler aus, um dann aus den E-Mail-Antworten die besten zu selektieren. Eine gefährliche Taktik, denn ganz gleich, wie gut die finale Auswahl sein wird, ist es sehr wahrscheinlich, dass Kritiker und Fans gleichsam ob des Fehlens illustrer Namen (lediglich Marley Marl und The Alchemist sind mit von der Partie) unzufrieden sein werden. In der Regel liegt man mit dieser Kritik nicht falsch, doch Mr. Giancana zeigt, dass er einige durchaus ansehnliche Einsendungen erhalten und diese sinnvoll zusammengesetzt hat. Schon das "Pimptro" rollt mit dicker Bassline ein und erlaubt G Rap eine Vorstellung nach Maß: Der auf die 43 zugehende Emcee sieht dabei nicht mehr die Notwendigkeit, mit den raffinierten Flows, die nicht wenig zu seinem heutigen Status beigetragen haben, zu protzen, sondern vertraut darauf, dass seine bloße Präsenz am Mic den Hauptteil der Arbeit verrichtet. Das ist zwar irgendwie schade, doch selbst mit angezogener Handbremse ist KGR erheblich mehr als ein passabler Rapper, und wenn dann in "Ya Chic Chose Me" eine erfreulich trockene Snare dem schönen Instrumental die Richtung weist und Giancana in bosshafter Manier die Begleiterinnen aller Anwesenden einfordert, kann man sich kaum beschweren. Auf inhaltlicher Ebene ist für den Rest der Scheibe das geplant, was man von einem Kool G Rap kennt, also Street- und Crime-Geschichten, wobei der Mann auch einige persönliche Elemente einbaut: "Sad" zählt die tragischen Momente auf, die das Hood-Leben für ihn bereithielt, und muss sich dabei nicht vorwerfen, an einem lahmen Beat zu leiden, "Pages Of My Life" erzählt fast dieselbe Geschichte, nur aus persönlicherer Perspektive. Vor allem im Anfangsteil ist es geradezu verwunderlich, wie stark produziert wurde: Der "70's Gangsta" geht mit der richtigen Portion Retro- sowie Hardcore-Flair über die Bühne, "In Too Deep" ist (mit überragender Hook) sogar eine waschechte Hymne auf den Gastgeber selbst. Durchgehend stark ist leider nicht alles: Vor allem "Goin' In" ist schnell unangenehm eintönig, "G On" ist typisches Füller-Material und "Maggie" setzt einen Tick zu sehr auf Pitch-Voice, während die Grundmetapher des Songs zwar nicht neu ist, der Palette der Lady-Crack-Raps aber einige weitere denkwürdige Lines hinzufügt. Das weibliche Geschlecht kommt auf den restlichen Tracks ebenfalls nicht zu kurz: "The Meaning To Your Love" ist für die Herzensdame, auf die man sich verlassen kann, "Pillow Talk" für das genaue Gegenteil, Marley's solides "$ Ova Bitches" ist selbsterklärend und "American Nightmare" portraiert (mit einer befriedigenden Alchemist-Produktion, die allerdings niemanden vom Hocker reißen wird) die von Knackis und schnellem Geld angezogenen bösen Mädchen und deren nicht minder böse endenden Schicksalen. Damit verbleibt noch der ordentlich, aber keinesfalls herausragend produzierte Schlussteil, in dem lediglich das Storytelling in "Harmony Homicide" glänzen kann.

Kool G Rap hat die Jahre besser überdauert als so manch anderer Veteran, was dieses Album deutlich unterstreicht. Man mag beklagen, dass der Herr Rap-technisch abgebaut hat, dass inhaltlich nichts Neues passiert und dass er das Level seiner alten Alben verfehlt hat, doch die beiden letzten Punkte waren zu erwarten, während Giancana am Mic immer noch einen gestandenen MC abgibt. Erfreulich ist außerdem, dass trotz der Noname-Producer ein recht einheitliches und vor allem überwiegend sehr positives Sound-Bild zustandegekommen ist, dass es zu einigen Highlights gereicht hat und dass G Rap noch problemlos mit der Konkurrenz mithalten kann, viele andere Acts sogar aussticht. "Riches, Royalty & Respect" ist kein rundum gutes Album, aber es ist doch nahe dran und damit durchaus hörenswert.

6.2 / 10

Blue Scholars - Cinémetropolis


Release Date:
14. Juni 2011

Label:
Eigenvertrieb

Tracklist:
01. Cinémetropolis
02. Hussein
03. Fou Lee
04. Lalo Schifrin
05. Seijun Suzuki
06. Anna Karina
07. Marion Sunshine
08. Slick Watts
09. George Jackson
10. Oskar Barnack / Oscar Grant
11. Yuri Kochiyama
12. Rani Mukerji
13. Tommy Chong (Feat. Macklemore)
14. Chief Sealth
15. Fin

Review:
In ihrer Heimatstadt sind sie längst so etwas wie Lokalhelden, doch die Blue Scholars sind inzwischen ein Act, der selbst auf internationaler Ebene nicht wenige Anhänger hat. Dabei ließen sie es die letzten Jahre eher ruhig angehen: Hier und da wurde ein Song releast, es gab eine EP, man verbrachte viel Zeit mit Touren und Sabzi (Producer und DJ) zog nach New York. Da man seit jeher via Internet arbeitete, änderte sich an der Arbeitsweise des Duos damit allerdings nichts. Was sich für das dritte Album allerdings geändert hat ist die Label-Situation: Auf Labels möchte man nicht mehr angewiesen sein, sieht selbige nur noch als kostspielige Instanz, die zwischen Künstler und Konsument steht. Also kommt "Cinémetropolis" ohne Label und macht sich die immer beliebter werdende Kickstarter-Kampagne zunutze, bei der mehr als genug Zaster zusammengekommen ist.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Eine Kehrtwende verglichen mit dem bisherigen Sound sowie das ambitionierteste und bisher beste Werk soll "Cinémetropolis" sein. Ein Grundthema liegt der Platte auch zugrunde, so will man sich auf den Tracks damit beschäftigen, wie sehr Film und Fernsehen Einzug ins tägliche Leben gehalten haben und dieses beeinflussen. Passend dazu wird von den gut 60000 Dollar Kickstarter-Backup ein Teil in begleitende Videos fließen. Eine weitere Besonderheit sind die Tracktitel, die fast ausschließlich durch Namen des öffentlichen Lebens inspiriert wurden - von Aktivisten über Sportler bis zu Komponisten und Filmemachern ist einiges dabei. Damit sind also alle Parameter für ein neues, nicht langweiliges Album eingerichtet und man darf sich daran machen, zu analysieren, was die LP wirklich zu bieten hat. Ab der ersten Sekunde fällt auf, dass sich Sabzi die an einigen Stellen geäußerte Kritik, die bisherigen Blue-Scholars-Alben seien zu harmlos, langweilig und austauschbar, offenbar sehr zu Herzen genommen hat. Denn "Cinémetropolis" scheint mit allen Mitteln dagegen anzukämpfen, nochmals mit solcher Kritik konfrontiert zu werden. Sabzi greift zu vielen Mitteln, um sein Sound-Bild aufzupeppen: Synthies sind Dauergast, die Drum-Patterns wurden neu angestrichen (808s lassen grüßen) und die komplette Rhythmussektion legt nicht selten ein flotteres Tempo vor, als man das etwa von "Bayani" kennt, außerdem begrüßt man den Electro-Einzug in die HipHop-Szene auch auf dieser LP. Das alles klingt zwar nicht langweilig, in trockenen Tüchern ist der instrumentale Teil der Scheibe damit aber noch lange nicht - "Hussein" beispielsweise ist anstrengendes 8-Bit-Gedudel, das zusammen mit Geologic schon gar nicht funktioniert, denn der Emcee der Gruppe ist stimmlich nunmal so schwach besaitet, dass er leicht verloren wirkt. So ist die ganze LP ein Kampf zwischen Spuren des alten BS-Sounds und Sabzi's neuen kreativen Ergüssen, die nur selten funtkionieren, beispielsweise im milden "Lalo Schifrin". Da die Scholars auch immer einen politischen Anspruch erheben, findet man natürlich einige Tracks, auf denen es Interessantes zu hören gibt, das jeweilige Thema lässt sich grob vom Songtitel ableiten: "Oskar Barnack / Oscar Grant" verknüpft den Erfinder der 35mm-Karmera mit dem Oaklander Opfer von Polizeigewalt und ist folglich (verpackt in den provokanten Slogan "Shoot the cops") ein Ruf zu der legalen "Waffe", die jedem zugänglich ist. "Anna Karina" portraitiert eine junge Schauspielerin und erinnert dabei in seiner Art arg an Slug, "Yuri Kochiyama" ist nicht nur einer der wenigen Songs, der (gelungen) auch auf "Bayani" zu hören hätte sein können, sondern huldigt außerdem der namensgebenden Menschnrechtlerin. Das qualitative Gegenteil präsentiert sich in Songs wie dem stinklangweiligen "Chief Sealth" oder (noch wesentlich schlimmer) im unausstehlichen "Slick Watts" - da helfen auch die Shoutouts an sämtliche Nachbarschaften Seattles nichts. Ebenfalls zu meiden ist "Seijun Suzuki", stattdessen höre man lieber "Tommy Chong" zweimal, denn der Track ist nicht nur relaxed produziert, mit "Wikipedia raps" lässt Geo außerdem die Geschichte der Marihuana-Kultur Revue passieren, während Macklemore einen lustigen Gastvers droppt und die Thematik mit Eigenerfahrungen abrundet.

Sie können es einem wohl nicht recht machen: Auf einem Album sind die Blue Scholars zu gutbürgerlich unaufregend und wenn dieses Problem so wie hier schließlich behoben wurde, passt die neu eingeschlagene Richtung nicht. Besonders geschickt stellen sich Sabzi und Geologic bei aller Liebe aber auch nicht an, denn Sabzi's neue Beat-Auswüchse, wenn sie nicht für sich genommen schon mit Glanz und Gloria in die Hose gehen, arbeiten nicht immer zu Geo's Gunsten. So begibt es sich, dass "Cinémetropolis" zwar eine schöne Idee zugrundeliegt, viele störende Faktoren die Zahl der genießbaren Tracks aber erheblich einschränken und eine Empfehlung nur noch bedingt zulassen. Zuversicht, dass es in Zukunft wieder bergauf geht, darf man trotzdem haben.

4.8 / 10