Mittwoch, 27. April 2011

CunninLynguists - Oneirology


Release Date:
22. März 2011

Label:
A Piece Of Strange Music / QN5 Music / RBC Records

Tracklist:
01. Predormitum (Prologue)
02. Darkness (Dream On) (Feat. Anna Wise)
03. Phantasmata
04. Hard As They Come (Act I) (Feat. Freddie Gibbs)
05. Murder (Act II) (Feat. Big K.R.I.T.)
06. My Habit (I Haven't Changed)
07. Get Ignorant
08. Shattered Dreams
09. Stars Shine Brightest (In The Darkest Of Night) (Feat. Rick Warren)
10. So As Not To Wake You (Interlude)
11. Enemies With Benefits (Feat. Tonedeff)
12. Looking Back (Feat. Anna Wise)
13. Dreams (Feat. Tunji & BJ The Chicago Kid)
14. Hypnopomp (Epilogue) (Feat. Bianca Spriggs)
15. Embers

Review:
Auch wenn es sich nicht so anfühlt, seit "Dirty Acres" sind ganze dreieinhalb Jahre vergangen. Jahre, die natürlich nicht untätig verbracht wurden. Man erinnert sich an die beiden Teile der "Strange Journey", die im Prinzip sowieso als vollwertige Alben anzusehen sind und Natti, Deacon und Kno an der Seite einer Vielzahl an Gästen sahen (unnötig zu erwähnen, dass die CunninLynguists immer eine gute Figur machten). Vor kurzem wagte Kno dann den von Kritikern umjubelten Schritt in die Solo-Welt. Ein unfreiwilliges weiteres Mal geriet die treibende Produzentenkraft hinter CL wegen eines grundlegenden HipHop-Problems, dem Sampling, ins Kreuzfeuer (ironischerweise stellten ihm wohl übereifrige Fans ein Bein), weswegen kürzlich ein pampiger Brief gen Öffentlichkeit geschickt wurde. All diese Stationen führen schließlich zu "Oneirology", dem fünften vollwertigen Album der Gruppe.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Die "Strange Journey" diente ein wenig als Spielweise, auf der man die verschiedenen Facetten der CL nochmals durchprobierte, auf "Death Is Silent" gab Kno schon zu erkennen, wofür sein Herz derzeit verstärkt schlägt (neu ist dieser Stil bei den CL schließlich nicht), weswegen es nicht groß verwundert, dass man an dieser Stelle einen Titel wie "Oneirology" zu lesen bekommt - wer sich in ein Gebiet begibt, das bisher noch nicht einmal auf empirischem Weg gesichert wurde, der will viel Raum für Interpretationen lassen. Genau das passiert mit dem Eintritt in die Welt der Träume und deren Deutung. Wie stilvoll man die Geschichte angeht, lässt schon das stattlich gezeichnete Cover erahnen. Kno bestreitet das Album mit zumeist ruhigen, sehr weichen Instrumentals, in denen er seine Stärken - vor allem das lötstellenfreie Einbinden atmosphärischer Voice-Samples (jedweder Clearance-Eskapaden zum Trotz) - voll ausspielen kann. Das geht schon im Stadium des Halbschlafs, symbolisiert durch das "Predormitum"-Intro, auf sehr starke Art und Weise los, nur um fließend in die dreiviertelstündige Schlafphase überzugehen. "Darkness" ist das den Hörer umgebende Motto, in dem eine schöne Hook die Rhymes von Deacon und Natti umspielt, die wiederum in bedeutungsschwer murmelndem Tonfall einen Blick in ihr emotional brach liegendes Inneres gewähren ("I'm feeling faceless heading' for a bitter state / I'm trying to place but my heart ain't even in the race ") - was genau den Jungs über die Leber gelaufen ist, spielt dabei offenbar keine Rolle. Irgendwo zwischen Weltschmerz und der bewusst eingesetzten Kunst der Emo-Raps finden sich nicht wenige der Zeilen auf der Platte, was in gewissem Maße nicht verkehrt, in Kombination mit dem anspruchsvollen Schlummerland-Setting aber ermüdend ist. Genügend Songs fahren jedoch ein anderes Konzept, vor allem die beiden "Act"s, für die man gleich noch zeigt, dass man bei der Wahl der Gäste (nicht die großen Namen, sondern jene, die im Moment einen gewissen Hype erfahren) alles richtig macht. Für "Hard As They Come" wird aus der Sicht dreier echter Killer (Crack, Alkohol, AIDS) erzählt, "Murder" dagegen hebt das Ganze auf globale Ebene, wobei vor allem Natti als "Instrument Religion" den wohl besten Verse des Albums absondert:

"I could use worship as a warship, bible as sword
Turn men and women to minions over heaven's rewards
Promise Islamic bombers heaven's harem of whores
For taking out a couple of floors
[...]
Whoever you praise, I just made it a game
Called winners and sinners, but they one and the same
You can play along with us at home
We livin' in Rome, destined to fall
"

Später im Traum stolpert man dann über das pessimistische "Shattered Dreams", nur um von "Stars Shine Brightest" wieder mit einer (zu einem gewissen Grad widersprüchlichen) positiven Botschaft Mut gemacht zu bekommen, was dem löblichen Anspruch keinen Abbruch tut. An dieser Stelle sind es schon die Beats von Kno, die zeitweise Grund zur Kritik geben: Als instrumentale Untermalung des Traums mögen sie sehr gut geeignet sein, doch vor allem gegen Ende hin passiert etwas zu wenig - "Dreams" etwa ist insgesamt der schwächste (konzeptuell nicht notwendige) Track, woran Kno nicht ganz unbeteiligt ist. Zu smooth, zu unaufgeregt gleiten einige Tracks am Hörer vorbei und werden erst durch die lyrische Dichte aufpoliert. In diese Kategorie fallen "Looking Back" als auch "Get Ignorant", das sich mit Vater Staat und vor allem dessen unmündigen Bürgern beschäftigt. An einigen Stellen wird natürlich trotzdem ganz groß aufgespielt: "My Habit" gibt perfekte Sample-Kunst (illustriert von den Musik-Abhängigen Deacon und Natti) wieder, "Enemies With Benefits" legt mit umwerfend gutem Piano los und ergeht sich anschließend in flottem Tempo in Erzählungen über die Art Ex, die man nie ganz los wird - eine gelungene Umsetzung des Themas Hassliebe. Schließlich wären da noch instrumentale Interludes, wobei vor allem "So As Not To Wake You" der Atmosphäre der LP einen gewaltigen Push gibt. In "Hypnopomp" schließlich fasst Bianca Floyd den Zwiespalt, den das Album zu transportieren versucht, in einer Parabel griechischer Mythologie zusammen, bis mit "Embers" (mit Pitch-Sample) ein etwas zu langsamer Ausstieg aus dem Halbschlaf gewählt wird.

Es gibt viele Dinge, die man dem Album zugute halten kann, angefangen beim Konzept, dessen Komplexität trotz kleiner Schönheitsfehler dem Großteil aller Rapper wohl selbst im Traum nicht einfiele, bis hin zu Kno's Arbeit, die in erster Linie als sehr charakteristisch und gut gewählt zu bezeichnen ist - von den Samples, die klingen, als wären sie nur für dieses Album gemacht, ganz zu schweigen. Das bisher geschlossenste CL-Album wird also nicht umsonst in den Himmel gelobt. Auf der anderen Seite sieht man sich mit dem Dilemma konfrontiert, dass "Oneirology" einerseits vom Hörer fordert, am Stück gehört zu werden, dass aber genau dann einige Passagen ins Langweilige abdriften, was bei derartig glatt geschliffener Traummusik abzusehen ist. Insgesamt sind das hier also nicht Kno's beste Werke, während die Auftritte am Mic (nicht die Texte) manchmal etwas gedämpft wirken. Alles in allem liegt "Oneirology" nichtsdestoweniger auf einem hohem Niveau, das zwar die vier Kronen verpasst, deshalb wohl trotzdem bei den Top-Alben des Jahres mitmischen können wird.

7.2 / 10

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