Donnerstag, 14. April 2011

Company Flow - Funcrusher Plus


Release Date:
28. Juli 1997

Label:
Rawkus Records

Tracklist:
01. Bad Touch Example
02. 8 Steps To perfection
03. Collude / Intrude (Feat. J-Treds)
04. Blind
05. Silence
06. Legends
07. Lune TNS
08. Help Wanted
09. Population Control
10. Definitive
11. Lencorcism
12. 89.9 Detrimental
13. Vital Nerve (Feat. BMS)
14. Tragedy Of War (In III Parts)
15. The Fire In Which You Burn (Feat. Breezly Brewin & J-Treds)
16. Krazy Kings
17. Last Good Sleep
18. Info Kill II
19. Funcrush Scratch

Review:
In den Neunzigern waren die Auswüchse, die sich im HipHop-Genre finden ließen, sicherlich noch nicht so bunt wie über ein Jahrzehnt später, es gab auch nicht die kommerziell-ideologische Einteilung in Mainstream und Underground in der Form, wie man sie heute kennt, doch ebensowenig war beispielsweise die Ostküste eine einzige, gleichgesinnte Gemeinschaft. Inwiefern das relevant ist? Company Flow werden oft als Mitinitiatoren oben angesprochener Aufspaltung genannt. Dabei beginnt die Gruppengeschichte recht normal: Ein auf die Label-Welt nicht gut zu sprechender El-P gründet mit DJ Mr. Len (die beiden lernen sich kennen, als Len zu El-P's 18. Geburtstag auflegt) eine Gruppe, als Folge der relativ kurzen Liaison mit Libra Records gesellt sich noch Bigg Jus ins Lineup. Nach den ersten Anklang findenen Aufnahmen (Singles und eine EP) sind es die Leute von Rawkus, die die Gruppe signen und "Funcrusher Plus" (die Vollversion schon erwähnter EP) zudem zum ersten Label-Release machen.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Schon deshalb hat man es wohl mit einem geschichtsträchtigen Album zu tun. Doch glücklicherweise ist das nicht die einzige Besonderheit, mit der Co-Flow aufwarten. "Funcrusher Plus" ist in vielerlei Hinsicht neu und anders als bisher Dagewesenes. Hauptsächlich ist es die Arbeit von El-P, doch auch Len und Jus steuern ein, zwei Beats zu dem bei, was sich der Soundteppich dieses Albums nennt - nicht ganz unverantwortlich für die Außergewöhnlichkeit der gesamten LP. Die Neuartigkeit mag heute vielleicht nicht mehr vollkommen nachvollziehbar sein, die Klasse von dem, was einem hier 70 kompromisslose Minuten lang entgegenschallt, ist erstaunlich und beschreibt sich selbst vorzugsweise als "independent as fuck". Was damit gemeint ist, lässt sich so einfach gar nicht in Worte fassen. Präsent ist dieses Feeling allerdings von der ersten Sekunde an, mit Einsetzen der verschrobenen Samples, die den Hörer als "special friend" begrüßen, um ihm mit diesem Hörerlebnis ein "special treatment" zu verpassen. Kurz darauf setzt El-Producto's Beat ein und nimmt den Hörer mit auf einen Trip, der nicht nur auf dieser Welt stattfindet. Die Sounds, die einem links und rechts um die Ohren wehen, mag so mancher Hörer verschmähen und als chaotischen Lärm abtun, wer damit allerdings auf einen grünen Zweig kommt, den erwarten großartige Minuten. Schon der erwähnte Opener "Bad Touch Example" glänzt mit fetter Bass-, unkonventioneller Drumline und vor allem mit Battle-Raps von Jus und El-P, die den befremdlichen Charakter der Musik mit ihrem Mix aus bodenständigen Punchlines und abgehobenem Wortjonglieren noch unterstreichen. Raps dieser Art füllen den Großteil des Albums, doch wie unschwer zu erraten sind beide MCs nicht nur darauf bedacht, klug zu klingen, hinter den Metaphern steht oft genug auch ein Anliegen. Dass die Label-Industrie die eine oder andere Salve abbekommt, war zu erwarten, in "Lune TNS" dagegen spinnt Bigg Jus ein Netz, das den mit der Writer-Szene von NY Vertrauten gewidmet und zu entwirren vorbehalten ist. Direkt im Anschluss werden Samples aus Montana Sacra für ein aussagekräftiges Interlude verwendet ("Help Wanted", grandios untermalt), das als Vorspann für "Population Control" dient, einem von vielen eigenwilligen Stücken, auf dem unkonventionelle Produktionen auf anspruchsvolle, nicht minder unkonventionell aufgetragene Raps treffen. El-P's rapider Wortfluss macht nur ab und an für prägnante Lines wie "I don't try to be different - I am" Halt. Noch abgefahrener wird es in "The Fire In Which You Burn", das von den Indelible-MC's-Kollegen erstklassige Unterstützung erhält. El-P ganz alleine und thematisch ausgefallener gibt es in "Last Good Sleep", in dem seine traumatische Kindheit in nicht minder verstörende Klänge gepackt wird. Zwischen all diesen sehr individuellen Tracks Highlights zu küren fällt beileibe nicht einfach, der wohl bekannteste Track - das spacige "8 Steps To Perfection" - drängt sich als Kandidat jedoch geradezu auf, da er relativ (lediglich relativ zum hiesigen Rest) leicht verdaulich ist und trotzdem das Wesen der Scheibe bestens wiedergibt. Je länger man sich mit dem Longplayer auseinandersetzt, desto mehr andere Tracks gewinnen an Reiz, und so mag ein Track wie "Info Kill II" anfangs unter den Tisch fallen, mit seiner weltfremd-schwarzen Atmosphäre aber Stück für Stück an Replay-Wert gewinnen. Das Rezept von Co-Flow geht nicht in jedem Track auf bzw. wird für viele Konsumenten an einer Stelle nicht funktionieren - "Vital Nerve" ist ein nahe an der Grenze zur Lästigkeit wandelnder Verdächtiger. Doch in Anbetracht von Meisterwerken wie Bigg Jus' düster blubbernder Spielwiese "Silence", dem Industry-kritischen Genickbrecher "Collude / Intrude" oder dem beinahe entspannten "Krazy Kings" hat man kaum Zeit, sich daran zu stören.

El-P, Len und Jus hatten sich wahrscheinlich nicht im Traum ausgemalt, welcher Erfolg diesem Album beschert sein würde. Genau deshalb ist die Scheibe wohl auch so gut. Sie lebt von und in der abgeschotteten, unverwässerten, abstrakten Welt, in der die musikalische Gemütsverfassung dieser Gruppe zu finden ist. Wie es bei solchen Querdenker-Releases der Fall ist, werden sie vom einen Teil der Hörer links liegen gelassen und vom anderen in den Himmel gelobt. Dass die zweite Fraktion so eindeutig überwiegt, mag zuerst überraschen, spricht aber letzten Endes nur dafür, dass man auch mit Nonkonformität Erfolg haben kann. "Funcrusher Plus" gelingt das in erstaunlichem Ausmaß - und selbst ungeachtet der Bedeutung dieser LP für das Genre bleibt zu sagen: zu Recht.

9.0 / 10

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