Sonntag, 30. Januar 2011

Snowgoons - Kraftwerk


Release Date:
07. Dezember 2009 (US) / 28. Januar 2011 (DE)

Label:
ihiphop Distribution / Goon MuSick

Tracklist:
01. Snowgoons Dynasty (Feat. Freestyle)
02. The Uncrushables (Feat. Ill Bill, Sicknature & Sabac Red)
03. Put Em Up (Feat. N.B.S. & Slaine)
04. Can't Go On Like That (Feat. Torae & Skyzoo)
05. Dangerous Ways (Feat. The Closers (Red Eye & Shabaam Sahdeeq) & Bekay)
06. Who's Side (Feat. Side Effect)
07. We Nah Play (Feat. Banish, Crooked I & Beenie Man)
08. Warlords (Feat. UG, IDE, Alucard, Jise & Freestyle)
09. Road Warriors (Feat. Sadat X, Fel Sweetenberg & Punchline)
10. Three Bullets (Feat. Esoteric, Mykill Miers & Qualm)
11. The Real And The Raw (Feat. M-Dot & Jaysaun)
12. No Favors (Feat. Wise P & Sauce Money)
13. The Madness Begins (Feat. Outerspace & Banish)
14. Statue (Feat. Virtuoso)
15. The Beast (Feat. Lateb)
16. Big Bang Bomb (Feat. Lady Repo)
17. Rotten Apple (Feat. Ice Water, A.G., Nutso & Tre Seven)
18. Global Domination (Feat. Lord Lhus, Sean Strange, Sicknature & Psych Ward)
19. Cold Dayz (Feat. F.T., Lord Willin & Reef The Lost Cauze)

Review:
Wer dachte, er käme im Jahr 2010 ohne die Snowgoons davon, der hat sich geschnitten. Seit 2007 droppt die Nummer Eins der deutschen Produzentenexportprodukte in den US-Underground jährlich ein Album (im letzten Jahr sogar zwei) und definiert dabei wieder und wieder den Standard bezüglich vollbepackter, Eastcoast-lastiger Producer-Alben mit. Wenngleich abzusehen ist, dass sich daran auch mit der vierten Runde des MC-Schaulaufens nichts ändern wird, gibt es doch einige Änderungen zu vermelden: DJ Waxwork geht inzwischen eigene Wege und reduziert die Goons nunmehr auf DJ Illegal und Det. Daran zu stören scheint sich bei "Kraftwerk" glücklicherweise aber niemand.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Spätestens jetzt sollte man, wenn man alle bisherigen Alben der Goons mitverfolgt und gehört hat, an dem Punkt angelangt sein, an dem die benutzten Formeln bekannt und vertraut sind. Spätestens jetzt sollte man zum Schluss gekommen sein, dass zur Aufrechterhaltung des durchaus überraschend hohen Niveaus der drei bisherigen Producer-Alben ein paar neue Impulse vonnöten sind. Doch "man" entspricht ganz offensichtlich nicht dem Großteil der Goons-Hörer, weswegen Illegal und Det nicht im Entferntesten daran denken, das Erfolgsrezept zu modifizieren: Wieder trudelt eine Unzahl an MCs ein, die wie schon bei "Trojan Horse" nicht mehr durchgehend bekannt sind - da die Snowgoons inzwischen selbst eine Instanz sind, dürfen auch neue Gesichter präsentiert werden (auch wenn dem Connaisseur der Großteil vertraut sein sollte). Gemein haben die Gäste nicht übermäßig viel, "Kraftwerk" ist wieder einmal ein großes Aufeinandertreffen zum Austausch von Battle-Raps. Das alles ist natürlich absolut kein Problem, denn vollends geschlossen sind solche Alben nie; solange also die Beats genügend Schubkraft aufbieten, sollte es wenig Grund zur Kritik geben. Dass Illegal und Det sich keine halben Sachen vorgenommen haben, legt zumindest das eröffnende "Snowgoons Dynasty" nahe: Langsam, aber bestimmt erfolgt der Einstieg, auf dass kurz darauf düstere Streicher die Zügel in die Hand nehmen und einen feurigen Beat antreiben, dessen einziger Schönheitsfehler die falsche Wahl Gastes ist: Freestyle in Ehren, doch ein Chief Kamachi hätte an dieser Stelle besser ausgeteilt. Für die restlichen 18 Tracks wettern erwartungsgemäß Drumlines, immergleiche Cuts, Streicher und Bläser, was in einigen starken und leider auch einigen austauschbaren Songs endet. "Three Bullets" mag losstürmen, wie es will, man wird das Gefühl nicht los, diese Vorstellung bereits besucht zu haben. Das Déjà vu ist der größte Feind der Goons - bleibt es aus, erhält man zumeist die besten Tracks: "The Real And The Raw" flippt sein gepitchtes Voice-Sample (natürlich ebenfalls kein neues Utensil im Goons-Werkzeugkasten) so erstklassig, dass man sich unweigerlich daran erinnert fühlt, wie gut von Zeit zu Zeit diese deutschen Beats von Illegal und Det sind. Andere Songs allerdings werfen ganz andere Fragen auf: Was hat Beenie Man im ohnehin etwas oberflächlichen "We Nah Play verloren? Gedenkt "Put 'Em Up", neben seinen vertraut klingenden Streichern nur mit Representer-Gehabe und übertriebener Kick zu punkten? Hat es das durch und durch austauschbare "Big Bang Bomb" nur auf die LP geschafft, weil man auch eine weibliche Spitterin im Lineup haben wollte? Leider bringen es dann auch gestandene Haudegen wie Virtuoso nicht zur Bestleistung, was natürlich teilweise Sicknature's Beat (ob der Däne die von Waxwork gerissene Lücke bei den Goons vollständig füllen soll, scheint noch nicht klar) in die Schuhe zu schieben ist. Das Creative-Juices-Team macht in "Warlords" zwar keine schlechte Figur, ist aber auf seinen eigenen Lo-Fi-Produktionen besser aufgehoben. Ill Bill dagegen stehen dramatische, voluminöse Instrumentals mit furiosem Chorgesang bestens zu Gesicht, "The Uncrushables" ist dementsprechend gelungen (wenn auch nicht wirklich etwas Besonderes). Weitere hervorstechend gute Momente werden von "Road Warriors" und vor allem vom abschließenden, leicht melancholisch gehaltenen "Cold Dayz" markiert, in dem Lord Willin und Reef Gelegenheit bekommen, sich über mediale Missstände auszukotzen.

"Kraftwerk" knüpft nahtlos an "The Trojan Horse" an und bekommt genau deshalb kleine Probleme: Es gibt nicht viele Künstler, die wieder und wieder dasselbe tun können, ohne dabei Abnutzungserscheinungen aufzuweisen. Und während man zugeben muss, dass den Snowgoons genau das noch erstaunlich gut gelingt, bleibt inzwischen die Euphorie bei manchen Songs, nach deren exaktem Strickmuster man bereits eine Handvoll kennt, aus. Ein wenig mehr Kohärenz bei der Wahl der Gäste wäre darüber hinaus wünschenswert. Da die Goons auch mit zunehmender Zahl an Auswärtsproduktion Gefahr laufen, sich selbst auszuschlachten, darf man gespannt sein, wie das nächste Album ausfällt. "Kraftwerk" ist immer noch ein schwer ordentliches Album, das aber ganz knapp hinter seinen Vorgängern zurückfällt.

5.9 / 10

Watchmen - Power


Release Date:
09. November 2010

Label:
Platinum City Entertainment

Tracklist:
01. Intro
02. Dishonor
03. Bloody Palm
04. Devil's Dagger, Heaven's Glory
05. Final Hour
06. Skit
07. Everyone Of Us
08. Don't Make Me
09. Curtains (Show's Over)
10. Power
11. Torture Chamber

Review:
Da haben sich die Watchmen gerade erst mit einem Doppelalbum vorgestellt und schon wird der Zweitling hinterhergeschoben? Nein, ganz so krass ist der Output der fünfköpfigen Gemeinschaft dann doch nicht. Die Erläuterung zu dem, was einem hier vorliegt, erfordert einen kleinen Blick auf die Geschichte der Watchmen, denn somit wird der interessierte Hörer feststellen, dass Black Mask und Konsorten bereits vor vier Jahren ein Album aufgenommen hatten, das aufgrund von Labelproblemen nie das Licht der Welt erblickte. Dieses Album, das den Titel "Power" trug, ist nun ausgegraben worden und erfährt doch noch eine Veröffentlichung, da man den momentanen Zeitpunkt wohl als günstig erachtet.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Mit seiner halben Stunde Spielzeit ist "Power" kaum mehr als Album zu bezeichnen, vielmehr darf man von einem kurz gehaltenen Blick ins Jahr 2006, der zeigen soll, dass die Watchmen es schon damals verdient gehabt hätten, weitläufigere Aufmerksamkeit zu erhalten, sprechen. Ob es wirklich der klügste Zug war, so unmittelbar nach dem massiven Debütalbum, das man selbst als wohlwollender oder evtl. angehender Fan der Gruppe gerade erst verdaut hat, gleich "neues" Material hinterherzufeuern, sei einmal dahingestellt, in jedem Fall ist "Power" beileibe keine Erleuchtung, die die Sichtweise des Hörers auf das Quintett fundamental ändert. Schon damals waren die Mitglieder Black Mask, 7th 7ign, PRO, Prox, Cipher und Eclypse als inoffizielles sechstes Mitglied - das wird sogar in einem eigenen Skit ausführlich dargelegt. Für die Produktion ist ein gewisser Analog zuständig, doch obgleich es nunmehr erwähnt wurde, fühlt man sich beim gegebenen Beat-Teppich nie angehalten, die Frage nach dem Autor dessen, was einen beschallt, zu erfragen. Entgegen den nicht wenigen satten Produktionen auf dem Doppelalbum nämlich passiert auf hiesiger Ebene herzlich wenig - für die Eastcoast-Puristen, die "The 7th Hour" feierten und die auch auf "Watchmen" fündig wurden, gibt es auf "Power" leider keine echten Lichtblicke. Tracks wie "Power" sind ganz nett, mehr aber auch nicht. Die ausführliche, mit Battle-Raps unterbutterte Selbstinszenierung kriegt man anderswo außerdem in besserer Form. Insofern wirkt die LP durchaus noch etwas unreif. "Final Hour" (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Track von 7th 7ign) setzt sich als einziger Track mit Klavier und Streichern in eine melancholische Richtung ab und wird in seiner Ausnahmestellung direkt im Anschluss durch das ermüdende "Everyone Of Us" bestätigt. Wer sich seine Erwartungen vom "Intro" formen ließ, den wird das sich ihm bietende Bild nur enttäuschen können, denn der anfangs suggerierten Stimmung wird nachfolgend zu keiner Sekunde Rechnung getragen - was auf die Gruppe, die sich den unverwässerten Eastcoast-Sound auf die Flagge geschrieben hat, kein gutes Licht wirft. Einen der besten Momente bietet da noch "Please" mit stimmungsvollem Voice-Sample. Auf der Seite der zu kritisierenden Tracks macht es sich dann noch "Dishonor" gemütlich und findet in "Torture Chamber", in dem entgegen dem vielversprechenden Titel herzlich wenig passiert, einen indirekten Nachbar.

Man will gar keine weiteren Worte zu diesem Release verlieren. Schlecht ist es nicht unbedingt, nur gut ist es ebensowenig. Wer die Watchmen kennenlernen will, der sollte ganz sicherlich nicht hier anfangen. Die Produktionen sind wesentlich schlechter als die später in Eigenregie entstandenen, die Rhymes sind noch nicht ganz so ausgefeilt und auch bei der Wahl des eigenen Stils scheint man sich noch nicht ganz sicher gewesen zu sein. Black Mask's Zweifel, dieses Album überhaupt zu veröffentlichen, waren durchaus berechtigt, denn wenngleich sich auf "Power" letztendlich doch einige solide Tracks finden, stellt sich die Frage, ob und wen dieses Werk interessieren soll. Dass man die Frage nicht wirklich beantworten kann, sollte aussagekräftig genug sein.

4.8 / 10

Gangrene - Gutter Water


Release Date:
22. November 2010

Label:
Decon Records

Tracklist:
01. Intro
02. Boss Shit
03. Not High Enough
04. Gutter Water (Feat. Raekwon)
05. Get Into Some Gangster Shit (Feat. Planet Asia)
06. Take Drugs
07. Chain Swinging
08. Wassup Wassup (Feat. Fashawn & Evidence)
09. All Bad
10. Breathing Down Yo Neck (Feat. MED)
11. From Another Orbit (Feat. Roc C)
12. Ransom
13. Standing In The Shadows
14. Brass Knuckle Rap (Feat. Guilty Simpson)
15. Not Leaving (Feat. Big Twins)

Review:
Dass diesem Projekt Jaylib-Vergleiche bis zum Abwinken um die Ohren gewatscht würden, war praktisch vorprogrammiert. Der zweite Jackson-Bruder Oh No und dann noch ein illustrer Name wie The Alchemist in einem Mashup aus Beats und auch (in beiden Fällen die Zweitpriorität bekleidenden) Raps, da juckt es jeden Redakteur natürlich mächtig in den Fingern. Ob der Zusammenschluss als Gangrene eine komplett unbefangene Betrachtung verdient hat, sei dahingestellt, die Arbeitsmoral und der Status, den beide Charaktere innehaben, macht "Gutter Water" in jedem Fall zu einem Album, das interessante Minuten verspricht.

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Aus heiterem Himmel sind Gangrene ja beileibe nicht gefallen, zumal Alchemist's Draht zur westküstlichen Backpacker-Szene zu seinen Anfängen zurückreicht. Ein Projekt wie dieses, das schon hinsichtlich des Designs wesentlich eher im verwachsenen Schrebergarten von Oh No zu spielen scheint, ist trotzdem keine Alltäglichkeit für ALC, während Herr No mit seinen sonstigen Projekten an nicht wenigen Hörern vorbeizieht und hier Gelegenheit hat, ein größeres Publikum zu erreichen. Komplettiert wird das Bild durch ein gesundes Aufgebot an Features, das wiederum keine Überraschungen bietet. Doch das ist auch nicht deren Aufgabe, denn obgleich es weder Oh No noch der inzwischen als vollwertiger Rapper selbstdeklarierte Alchemist am Mic faustdick hinter den Ohren haben und demnach ein wenig Abwechslung nicht verkehrt ist, sind die Raps natürlich nicht der Hauptfokus der Scheibe. Der liegt im Zusammenspiel der beiden doch recht unterschiedlichen Produzenten, die hier ein überraschend harmonisches Bild abgeben. Manche Beats lassen sich zwar klar zuordnen, andere jedoch treffen sich gekonnt in der Mitte und sorgen dafür, dass man sich nie zu sehr wie in einer bloßen Gegenüberstellung fühlt. Ob der LP ein klares Konzept vor Augen schwebt, ist nicht direkt auszumachen, wahrscheinlicher ist, dass großteils Spaß und Gras am Steuer saßen. Doch wie wir alle wissen ist das im HipHop mitnichten eine verkehrte Kombo, die schon zu mancher Großtat führte - hier allerdings nicht. Damit sei dem Album sein Unterhaltungswert definitiv nicht abgesprochen - denn Spaß macht "Gutter Water" durchaus -, nur der ganz große Wurf ist es nicht geworden. An einigen Stellen muss dazu noch angestrichen werden, dass vor allem die Alchemist-Raps etwas zu sehr zur Nebensache werden - der Mann ist nunmal (so sehr er das selbst wohl anders sieht) in erster Linie Produzent. Auch ein routinemäßiger Auftritt vom in letzter Zeit etwas zu präsenten Raekwon ("Gutter Water") reißt niemanden vom Hocker. Ein erfrischender Gast dagegen ist der derzeit schwer gehypte Fashawn, der zudem vom dicken Unterbau von Oh No in "Wassup Wassup" profitiert. Die Blickrichtung ist immerhin durchgehend lobenswert - keine Ausreißer in peinliche oder unpassende Gefilde. Das bewahrt den Doc und den Alchemist zwar nicht vor einigen mittelmäßigen Tracks, garantiert aber, dass "Gutter Water" als Ganzes hörenswert ist. "Standing In The Shadows" und "Brass Knuckle Rap" zählen zweifelsohne zu den schwachen Momenten, die Alchemist mit Schmuckstücken wie "Chain Swinging" oder "Get Into Some Gangster Shit" selbst wieder ausbügelt. Die Mehrheit der Top-Tracks stammt trotzdem von Oh No, auf dessen Kappe das abgedrehte "Ransom", das inhaltlich etwas fragwürdige "Take Drugs" und vor allem das abschließende "Not Leaving" (mit einem überraschend guten Twins) gehen.

"Gutter Water" ist genau das Projekt, das man sich bei einer Zusammenarbeit von Alchemist und Oh No vorstellt. Vielleicht ist das schon ein Schlag in die Rippen für No und ALC, die vielleicht mehr Überraschungselemente miteinzubauen gedachten. Der eigentliche Knackpunkt, wieso die Scheibe aber keine wirklich hohen Wertungen abstaubt, ist das Fehlen von Knallern, die über der schmutzigen Sample-Schlacht und für sich alleine stehen. Bei der Frage, wer von beiden Protagonisten die bessere Figur macht, darf man getrost Oh No als Antwort geben, denn der Madlib-Bruder legt eine höhere Qualitätsdichte bei den Beats und eine bessere Form am Mic an den Tag. Insgesamt darf "Gutter Water" jedem, der die Kombo aus Oh No und ALC potentiell interessant findet, empfohlen werden, ein Bombenalbum sollte aber niemand erwarten.

6.2 / 10

SmooVth - Little Boy Blue


Release Date:
23. November 2010

Label:
Digi Crates Records

Tracklist:
01. Slow It Down
02. Happiness
03. One Of Those Nights
04. Little Boy Blue
05. Girl
06. I'm Still Here
07. Deep Shadows
08. Me, Myself And I
09. Where You Goin'
10. Wish
11. Splash N Dash (feat. Hus)
12. What's Mine Is Yours
13. Ackronyms

Review:
Während in diesem Jahr Hempstead vorrangig wegen einem Album - "Marcberg" - von Belang war, werkeln zwei andere Vertreter aus Long Island ebenfalls kräftig und nimmermüde weiter: Hus hat sein Digi Crates Records zu einem handfesten Label mit diversen Releases ausgebaut, SmooVth war damit beschäftigt, sein zweites Album aufzunehmen. Und pünktlich zur Fertigstellung bedarf es nicht mehr der Hilfe von Domination Recordings, nein, "Little Boy Blue" lässt sich direkt bei und über Digi Crates erwerben. Ungestört der geringeren Aufmerksamkeit, die man so eventuell in Kauf nimmt, gilt es, dem Album auf den Zahn zu fühlen, schließlich ist die Output-Rate bei Tha Connection nach wie vor alarmierend hoch.

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Bisher allerdings hatten Hus und SmooVth immer genügend fähige Produzenten zur Hand, um ihre zahlreichen und teils halboffiziellen Releases mit starken Beats zu unterfüttern. Gerade dieser Umstand schlägt auch hier wieder durch und verwundert erneut: Eine Horde von großteils unbekannten Produzenten bildet ein großes Netzwerk von Künstlern, die allesamt eine ähnlich gerichtete und miteinander äußerst verträgliche Schiene fahren und zudem ein überraschendes Niveau an den Tag legen. So und nicht anders war es bei "Checkmate" und so ist es auch wieder bei "Little Boy Blue". Mit von der Partie sind diesmal Langzeit-Kollabopartner DJ Kryptonite, Labelmates Fresh Sly und Ackryte sowie einige andere Namen: Pawel G, Brous One, Baker, Darkitect, AGQ, Tape Roc und Side Effect. Wer das erste Album oder auch Connection-Werke kennt, der wird sich fragen, ob es nennenswerte Änderungen zu früheren Releases gibt. Im Großen und Ganzen darf gesagt werden, dass SmooVth sich selbst treu bleibt, mit bloßer Kopie hat man es jedoch trotzdem nicht zu tun. Als erstes und auffälligstes Merkmal wurde die Tracklist erheblich gekürzt, während die LP mit unter 40 Minuten ebenfalls keinen Marathon bereithält. Grund zu voreiliger Beschwerde sollte es deswegen nicht geben, denn mit der Komprimierung erfolgt zugleich eine leichte Intensivierung und Verlagerung der Atmosphäre: "Checkmate" gab den kompletten Radius des Connection-Tellers wieder, "Little Boy Blue" dagegen fokussiert noch mehr die - man findet kein passenderes Wort - smoothen Elemente; besser als in diesem Fall kann man seinen eigenen Namen kaum unterstreichen. Die Lyrics sind dabei laut Eigenaussage erwachsener und nachdenklicher, was sich bestätigen lässt. Die Rhymes selbst sind zumeist sehr simpel gehalten und dank SmooVth's Klasse am Mic doch immer schwer prägnant und on point. Lines wie "Biggie said it best, I'm going back to Cali / But I learned from Biggie, I ain't gonna go without a vest" sind keine Erleuchtungen, sie kommen schlichtweg genau zum richtigen Zeitpunkt - in diesem Fall auf einem der absoluten Prachtstücke, dem herrlich relaxten "Where You Goin'" - und machen die Raps durchgehend zum Genuss. Da die Beats zum Großteil ebenfalls mitspielen, steht weiteren Highlights nichts im Weg: Schon der Anfang ("Slow It Down") gerät butterweich und gleichzeitig elegant, kurze Zeit später laden SmooVth und Tape Roc zu "One Of Those Nights", das den Hörer in einer Wolke eines instrumentalen Kunstwerks bettet und zum Träumen einlädt, nur um nach viel zu kurzen zweieinhalb Minuten in den nächsten Höhepunkt überzugehen: Der Titeltrack "Little Boy Blue" beinhaltet natürlich Kindheitserinnerungen, die von Krypto so kunstvoll und launemachend begleitet werden, dass man unter Umständen direkt auf Repeat landet. Dies ist insofern verständlich, als der Mittelteil zwar ernster, aber gleichzeitig auch weniger stark ausfällt. Im hinteren Teil gibt es dafür nochmal eine Vergütung: "Wish" ist weiterhin nachdenklich und diesmal dank Brous One ein echter Leckerbissen, der erneut ein sehr langsames Tempo fährt. Nach einem Gastauftritt von Hus gibt es noch eine Saxx-Note im behaltenswerten (und, wer hätte es gedacht, wieder königlich entspannten) "What's Mine Is Yours".

Man hat es hier mit einer dieser Scheiben zu tun, die nur für bestimmte Anlässe gut ist. Wer sein Auto mit der richtigen Musik füttern will, der wird nicht zu "Little Boy Blue" greifen. Wer sich ein paar ruhige Minuten alleine illustrieren möchte, dem sei diese Scheibe dafür umso mehr ans Herz gelegt. Generell wendet sich SmooVth mit diesem Longplayer an alle, die einen Moment zum Durchatmen suchen. Dank der meist vorzüglichen Verköstigung, die er von seinen Produzenten erhält, darf man SmooVth nach "Checkmate" erneut zu einem guten Album gratulieren, das in Sachen Geschlossenheit den Vorgänger sogar noch überholt. Furore wie beim Nachbarn Marciano wird es zu Recht nicht geben, doch wer über "Little Boy Blue" stolpert, der wird es nicht bereuen.

6.6 / 10

Celph Titled & Buckwild - Nineteen Ninety Now


Release Date:
26. Oktober 2010

Label:
No Sleep Recordings

Tracklist:
01. The Deal Maker
02. Out To Lunch (Feat. Treach)
03. Eraserheads (Feat. Vinnie Paz)
04. Fuckmaster Sex
05. Swashbuckling (Feat. Apathy, Ryu & Esoteric)
06. I Could Write A Rhyme
07. Hardcore Data
08. Mad Ammo (Feat. F.T. & R.A. The Rugged Man)
09. Tingin'
10. There Will Be Blood (Feat. Sadat X, Grand Puba, A.G., O.C. & Diamond D)
11. Miss Those Days
12. Step Correctly
13. Wack Juice
14. Styles Ain't Raw (Feat. Apathy & Chino XL)
15. Where I Are
16. Time Travels On (Feat. Majik Most & DutchMassive)

Review:
Jahrelang krähten Fans nach einem Album von diesem Mann - nun ist Celph Titled diesen Forderungen nachgekommen. Dabei veröffentlicht der Mann, der morgens gerne zu seinem Müsli den Geruch von Napalm in der Nase hat, nicht das typische Album, das man von einem inzwischen schon als Veteran laufenden Haudegen wie ihm eventuell erwarten würde. Wahrscheinlich hätte gerade dieses Unterfangen in einem weiteren Standard-Retro-Album geendet, das weder besonders schlecht noch wirklich erwähnenswert geworden wäre. Celph umschifft dieses Problem und profitiert dabei von einem Bündel glücklicher Umstände, für die andere Rapper wohl töten würden: Aus den Neunziger-Archiven eines gewissen Buckwild purzelt eine Ladung Beats, die "Nineteen Ninety Now" untermalt.

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Irgendwo ist es nur konsequent - unzählige Rapper trauern diesem Jahrzehnt hinterher und behaupten, es mit ihren Alben wieder heraufzubeschwören, nur um dann in kläglichem Mittelmaß zu scheitern. Bei dieser Scheibe sieht man sich mit diesem Problem gar nicht erst konfrontiert, denn zweifelsohne war Buckwild damals eine Sure-Shot-Adresse, bei der sich höchstens die Frage stellt, wieso diese Beats bis heute kein Zuhause gefunden haben. In der schweren Hoffnung, es hier also nicht mit zweit- oder gar drittklassiger Ausschissware zu tun zu haben, gibt man der LP, die so offensichtlich die Neunziger feiert, dass alle, die damit ein Problem haben, schon vor den Toren kehrtmachen, eine Chance. Und siehe da, "The Deal Maker" beginnt genau so, wie man eine solche Scheibe anzufangen hat: Emcee und Instrumental beißen sich trotz Altersunterschied nicht (höchstwahrscheinlich wurde Buckwild's Material entsprechend aufpoliert), trotzdem ist der 90s-Flair ausgeprägt und vor allem - im Gegensatz zu so vielen anderen Platten der letzten Jahre - echt. Die Charakterzüge der goldenen Ära greifen als Motor störungsfrei in die Zahnräder von Celph's pikanten Punchlines, die wie immer mit einer bombensicheren Selbstverständlichkeit, wie sie stellenweise an einen Freddie Foxxx um die Jahrtausendwende erinnert, vorgetragen werden. An dieser Stelle muss natürlich angemerkt werden, dass man an verbalen Backpfeifenorgien Gefallen finden sollte, um mit Celph Titled glücklich zu werden. Die Themenwiese erstreckt sich zwar noch einige Meter weiter, aber zuhause ist Celph, wenn Phonies und Fakes mit Breitseiten eingedeckt werden. Dass es deshalb nichts zu bemängeln gäbe, wäre trotzdem gelogen. Ohne Frage ist es eine wahre Freude, Buckwilds Erzeugnisse von Mal zu Mal ihren Lauf nehmen zu hören, von den Snares, die diese musikalische Ära mitdefinierten, empfangen zu werden, doch deshalb ist nicht jeder der Tracks ein Highlight. Es ist unschwer vorstellbar, dass es dem einen oder anderen Hörer irgendwann zu viel vom Hauptdarsteller wird, während manche Beats außerdem Zweitware sind. "Tingin'" ist solch ein schwer unspektakuläres Beispiel. Ein wichtiger Aspekt sind zudem die Gäste, die zumeist bestens gewählt wurden - die Brand-Nu-D.I.T.C.-Party in "There Will Be Blood" macht schlicht und ergreifend Spaß. Sparen können hätte man sich dagegen Vinnie Paz und eigentlich auch "Eraserheads", sowohl Beat als auch Pazienza stellen sich als zu schwerfällig heraus. Für "Swashbuckling" war wohl die Devise, vier Beats, die jeweils nicht gut genug für volle Tracklänge sind, sinnvoll zu nutzen - mit akzeptablem Outcome (mitunter dank der Gäste). An anderen Stellen muss man sich allerdings wirklich fragen, wieso Buckwild dieses Material erst jetzt an die Öffentlichkeit dringen lässt. "Miss Those Days" ist so ein Fall, der als thematisch schon zu oft gehörte (aber gut gestaltete) Nostalgiestunde mit käsig weiblicher Hook (irgendwie auch ein Merkmal der Neunziger) sein Potential allerdings nicht vollends ausschöpft. Ebenfalls ein Standardthema, das in diesem Fall aber bestens umgesetzt und zudem höchst informativ ist, bietet die Dia-Show des eigenen Werdegangs, "I Could Write A Rhyme". Exakt dasselbe gilt für das amüsante "Funkmaster Sex". Unter den restlichen Tracks noch qualitativ zu differenzieren fällt schwer, "Wack Juice" fällt im Vergleich zu den restlichen Leckerbissen etwas zurück, "Mad Ammo" und "Styles Ain't Raw" dagegen sind Pflichtprogramm.

Jeder wird sich bereits vorgestellt haben, was hier in die Tat umgesetzt wurde: für ein Album statt des Mittelmaßes der Neuzeit Instrumentals zu verwenden, die aus dem vorigen Zeitalter stammen. So also klingt ein solches Album. Man hätte es wahrscheinlich noch besser machen können, doch große Vorwürfe lassen sich Celph Titled noch viel weniger machen. Ein Album mit diesen Beats wäre in den Neunzigern ebenso gut gewesen wie heute. Abzüge müssen Buckwild und Celph dafür hinnehmen, dass man bei Bedarf trotzdem das originale Material der Ninetees bevorzugen wird und dass "Nineteen Ninety Now" auch einige mittelmäßige Minuten beinhaltet. In Erinnerung wird man die Scheibe trotzdem behalten und wem die Mixtur aus 2010er Raps und 90er Beats in der Theorie gefällt, der kann hiermit absolut nichts falsch machen. 

7.0 / 10

Cap D - PolyMath


Release Date:
26. Oktober 2010

Label:
All Natural Inc.

Tracklist:
01. King Of The Mountain (Feat. Brother Ali)
02. Champion Anthem
03. I Got U
04. Who, What, Where, When, Why, How, Crush
05. Crush
06. Chicago Five-O
07. Life Is A Hustle (Feat. Tragedy Khadafi)
08. Addiction
09. All I Want
10. Think
11. Respect
12. Watch Your Step
13. Live My Life

Review:
Man hat wohl zugegebenermaßen eher auf einen Nachfolger zu All Natural's "Elements|Fire" gewartet als auf ein neues Solo von Capital D, doch wer möchte sich bei der relativ plötzlichen Ankündigung zu hier vorliegendem Album schon beschweren? Cap D zählt so oder so zu den fähigsten Emcees, die Amerika's drittgrößte Stadt je hervorgebracht hat. Zu Tage getreten ist das neben Werken von All Nat vor allem in den ersten beiden Soloalben, während selbst das dritte noch eine weniger dichte, aber trotzdem schwer genießbare Atmosphäre aufzubauen vermochte. Wohin er sich also mit dem inzwischen schon (man möchte es kaum glauben) vierten Album wendet, steht in den Sternen, in jedem Fall darf man an "PolyMath" durchaus Erwartungen stellen.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Der Erstling wartete mit intensivem Storytelling auf, der Zweitling war eines der politisch getränktesten Alben des Jahrzehnts und 2007 unternahm Cap - schon nicht mehr so konzeptgebunden - einen Blick Richtung Golden Era. Was also ist diesmal das Thema der Platte? "PolyMath" wird übersetzt als "Universalgelehrter" und darf in Bezug auf den hauptberuflichen Anwalt Cap D sicherlich eher in den Raum gestellt werden als bei vielen anderen Rappern. Die Implikation, es hier mit einem Bisschen von allem zu tun zu haben, kann diese Tatsache allerdings auch nicht schönreden. Denn ein wirkliches Konzept hat "PolyMath" nicht. An einigen Stellen lässt Cap D den kritischen Beobachter zum Vorschein kommen, der "Insomnia" veredelte, doch dabei sei nicht vergessen, dass jenes sechs Jahre älteres Album in Eigenregie entstand - hier wird viermal auf Illmind sowie u.a. auf No I.D., Yuani oder K-Kruz gesetzt. Ein Fehler, wie sich herausstellt. Was auf "Return Of The Renegade" noch ganz gut funktionierte, verleitet hier zur Verhärtung der Annahme, dass ein Album heutzutage (vor allem dann) nur selten gelingt, wenn hinter mehr als 70% der Tracks verschiedene Produzentennamen stehen. Vor allem der in einem ungesund breiten Spektrum tätige Illmind beraubt die Scheibe eines gewissen Charakters, und die restliche Gemeinde werkelt leider nicht viel besser. Nun muss natürlich angemerkt werden, dass man sich immer noch im Kontext der qualitativ äußerst hochwertigen Diskographie eines Capital D bewegt, dass der Eingangsschwall an Kritik also noch lange kein Mülltonnenrelease verheißt. Schließlich ist Cap D ein Spitzenemcee, der sich in Tracks wie "Addiction" ein Thema ordentlich zur Brust nimmt und in seine starken Zeilen packt. Dass ihm im Beispielfall ein nur leicht überdurchschnittlicher Beat und eine schwache Hook zu schaffen machen, ist dabei eine ganz andere Baustelle, die allerdings das Bild der LP mitprägt. Da erinnert man sich an "Insomnia" und ein eher düsteres Soundbild, das die politisch motivierten Tracks perfekt untermalen konnte. Auf instrumentaler Ebene in eine ähnliche Richtung schlagen hierauf genau die zwei Tracks, die Cap D selbst produziert und die - kaum eine Überraschung - die Highlights ausmachen: "Chicago Five-O" rechnet mit dem lokalen Arm des Gesetzes ab, "Champion Anthem" ist der inoffizielle Titeltrack. Dem gegenüber stehen einige Ärgernisse: "Respect" und "Think" sind (trotz ansprechender Thematiken) nicht miserabel, aber mit ihren Voice-Samples doch recht unpassend. "Crush" leidet, abgesehen von einem nicht in Bestform auftretenden No I.D., an einer schwer versemmelten Hook und "Life Is A Hustle" recycelt ganz schamlos Tragedy's (zugegebenermaßen viel zu kurzes) "Intimate Vision" zu einem vollwertigen Song, dessen leichte Modifikationen es nicht gebacken bekommen, auf ein Niveau mit der Vorlage zu kommen. Das zweite bzw. erste Feature, Brother Ali, kommt immerhin auf dem soliden "King Of The Mountain" zum Tragen, bis auf das unerfreuliche "I Got U" und das gelungen abschließende "Live My Life" nisten sich die restlichen Stücke in einem gut hörbaren, aber für Cap D doch enttäuschenden Qualitätsstreifen ein.

Künstler wie Capital D haben die hohen Ansprüche, die an sie gestellt werden, selbst verschuldet und dürfen sich demnach nicht beschweren, wenn man von einem Werk wie "PolyMath" enttäuscht ist. Cap's viertem Longplayer hätte eine klarere Marschrichtung nicht geschadet, hätte vor allem eine Einschränkung der Gastproduzenten gut getan. Es ist schlichtweg unbegreiflich, wie ein herausragender Produzent wie Cap fast vollständiges Outsourcing bei seinen Instrumentals betreibt - zumal die Wahl nicht so klug getroffen wird wie einst noch mit einer vollständigen Ausstattung der Molemen. Die positiven Eindrücke überwiegen zwar immer noch, doch wer sich vom Titel "PolyMath" ein ähnlich tiefgründiges und stimmungsvolles Album wie "Insomnia" versprochen hat, der wird bitter enttäuscht sein.

6.1 / 10

Wisemen - Children Of A Lesser God


Release Date:
26. Oktober 2010

Label:
ihiphop Distribution

Tracklist:
01. Intro
02. Children Of A Lesser God
03. Thirsty Fish (Feat. Raekwon)
04. Faith Doctrine (Feat. Beace)
05. Interlude: Don't Nut in My Bed!
06. Lucy
07. Get U Shot
08. Hurt Lockers
09. The Illness 2
10. Words From Big Rube (Feat. Big Rube)
11. I Gotta Know
12. Listen To The Wisemen (Feat. Minister Watson)
13. Panic In Vision Park
14. Do It Again
15. Interlude: Toxic
16. Makes Me Want A Shot
17. Victorious Hood (Feat. Victorious & Planet Asia)
18. Corn Liquor Thoughts
19. Outro: Hip Hop Blues

Review:
Was genau passiert ist, dass die vor einiger Zeit noch ausgiebig ihren Weggang von Babygrande feiernde Sektion um M-Eighty (und somit hauptsächlich Bronze Nazareth und seine Wisemen) nun doch wieder beim Label von Chuck Wilson eintrudelt, wissen die Götter, weitaus bedeutender ist allerdings die Tatsache, dass das zweite Gruppenalbum nun endlich seinen Weg in die Öffentlichkeit gefunden hat. Nach dem 2007er Debüt war lange von einer Sophomore-Runde die Rede, nun macht "Children Of A Lesser God" den Anfang. Nennenswerte Änderungen gibt es dabei zwei und die heißen Illa Dayz und June Megalodon.

WRITTEN FOR Rap4Fame
Nach den zahlreichen Jobs, für die sich Bronze Nazareth außerhalb des eigenen Camps verpflichten lassen hat, bekommt man nun also wieder einmal einige seiner hoffentlich besten Beats zu hören. Etwas weniger als die Hälfte der Produktion und somit mehr als noch vor dreieinhalb Jahren übernimmt Kevlaar 7, der ganz offensichtlich fleißig bei seinem Bruder weitergelernt hat und eine immer wichtigere Rolle bei den Wisemen einnimmt - zumal sich die Zeiten am Mic inzwischen (zumindest theoretisch) sechsteilen, wobei sich schnell herausstellt, dass die markantesten Namen Bronze, Kevlaar und Phillie bleiben, die glücklicherweise auch die größten Anteile bekommen. Was die Wisemen in jedem Fall von mit ins Erfolgsboot geholten Anhängselgruppen unterscheidet, ist eine angenehme Qualität, die von jedem Emcee an den Tag gelegt wird. Vor allem die drei genannten Zugpferde unterstreichen den nachdenklichen Ton der LP und lassen immer wieder poetische Ansätze in ihre Lines einfließen. Hauptfokus liegt bei den Wisemen natürlich trotzdem auf den Produktionen, die glücklicherweise sämtlichen Erwartungen nachkommen. Man hat sich nicht lumpen lassen und trotz der teils am Debüt angebrachten Kritik den eigenen Sound konsequent fortgesetzt, um diese Scheibe mit entspannten, gefühlvollen Samples, die oft eine jazzige Note tragen, vollzupacken. Dank der nicht nur wortwörtlichen Verwandschaft zwischen Kevlaar und Bronze klingt die Scheibe außerdem wie aus einem Guss und lässt äußerst schnell einen roten Faden durchscheinen, der Tracks wie das für sich genommen vielleicht etwas trockene "Panic In Park Vision" in ein großartiges Licht taucht. Der Start geht dabei sogar eher schleppend vonstatten, der Titeltrack "Children Of A Lesser God" gehört zu den schlechtesten Tracks der Platte und erst "Thirsty Fish" nimmt langsam Fahrt auf. Dann allerdings weiß man gar nicht mehr, wo man mit der Lobvergabe anfangen soll: Vielleicht beim Auftritt von Big Rube, dessen Worte auf kaum einem guten Album fehl am Platz sein können, oder bei einem Track wie "I Gotta Know", dem die Wisemen-Essenz als langsamer, relaxter Kopfnicker aus den Boxen tropft? "Makes Me Want A Shot" könnte mit seinen Bläsern edler kaum sein, die perfekte Einbettung eines angestaubten Voice-Samples in ein rohes Drumgerüst gibt "Lucy" wieder. Im Gesamtpaket verstecken sich noch einige Schönheitsfehler, etwa ist "Do It Again" (ausgerechnet der einzige nicht von Kevlaar oder Bronze produzierte Track) ein bisschen zu viel des Pitch-Samples, wohingegen "Hurt Lockers" mit gescrewtem Voicecut (und sonst erneutem Pitch-Voice-Einsatz) in der Hook schlichtweg gewöhnungsbedürftig ist. Lyrisch großes Tennis ist "The Illness 2", insgesamt die überzeugendste Show liefert "Get U Shot" ab, ein kleines Meisterwerk mit grandiosem Wechselspiel zwischen pianogetränkten Parts und pausenartigen Hooks, für die die Rhythmussektion schweigt.

Es ist immer erfreulich, wenn ein Album, das nicht unbedingt ein Meisterwerk ist und durchaus kleinere Mängel aufweist, einen durchwegs guten Eindruck hinterlässt. Dabei sei natürlich nicht unterschlagen, dass der Zweitling der Detroiter Formation ein gutes Album ist, sogar beinahe ein sehr gutes - und in jedem Fall weit über dem derzeitigen Durchschnitt liegt. Letztendlich hätte man sich vielleicht zwei Tracks und zwei Interludes sparen können, doch wer will sich angesichts des andernorts vorherrschenden, erdrückenden Mittelmaßes schon an solchen Kleinigkeiten stören, wenn "Children Of A Lesser God" mal wieder ein Album ist, das auch als solches bezeichnet und gehört werden darf?

7.0 / 10

Chaundon - No Excuses


Release Date:
26. Oktober 2010

Label:
Hall Of Justus Records

Tracklist:
01. Watch Out
02. Wake Up
03. Role Player
04. No Excuses (Feat. Carlitta Durand)
05. Strangers
06. Motion Picture (Feat. Erica Thompson)
07. Nice Girl (Feat. Bishop)
08. The Blacker The Berry (Feat. Erica Thompson)
09. Looking Glass (Feat. Big Dho)
10. Crazy
11. Open Your Eyes (Feat. Carlitta Durand)
12. Yall Don't Want It (Feat. Carlitta Durand)
13. Home Sick (Feat. Darien Brockington)
14. Farewell?? (Feat. Darien Brockington)

Review:
Wir erinnern uns gut zweieinhalb Jahre zurück: Die Justus League, zwar schon nicht mehr auf ihrem Höhepunkt, spielte noch einen wesentlich wichtigeren Faktor als heute und ein gewisser Newcomer namens Chaundon schickte sich an, nach einigen Mixtapes und Feature-Auftritten seinen Namen über die Insider-Szene hinauszukatapultieren - was ihm mit einem keinesfalls überragenden Album nicht gelang. Erwähnenswertes ist seitdem nicht passiert, Chaundon's Sophomore hat es aber in jedem Fall alles andere als leichter mit dem ausgemachten Ziel, den mittelmäßigen Ruf wettzumachen und aus den (böse gesagt) dahinsiechenden Kreisen der HoJ auszubrechen.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
"No Excuses" - nachdem das eigene Debüt wohl selbst als fehlerbehaftet anerkannt wurde, will Chaundon gelernt haben und es besser machen. Ausreden gibt es diesmal tatsächlich keine, und gerade deshalb ist es unerklärlich und vor allem unverzeihlich, was für eine lauwarme Brühe Chaundon einem hier andrehen will. Man könnte ja eigentlich annehmen, das HoJ-Pack hätte inzwischen verstanden, dass der momentan eingeschlagene Weg in eine Sackgasse führt, deren qualitativ tief abfallendes Ende nur noch nicht absehbar ist. Doch es wird einem ein glorreicher Gegenbeweis vorgeführt - es wird weiter mit dem Kopf gegen die Wand gerannt, es wird weiter der gleiche, stinklangweilige Shit verzapft, für den es schon vor Jahren herbe Kritik gehagelt hat. Neben Chaundon sind die Mitschuldigen die vollkommen blass bleibenden Gäste, Illmind sowie ein gewisser D.K. The Punisher, der elf Tracks produziert und dabei offenbar zeigen will, dass man (Ex-)Rudelchef 9th Wonder doch vermissen kann. Bei dem, was der Punisher auf "No Excuses" fabriziert, denkt man beinahe selig an den Titeltrack von "Carnage" und 9th's bewährte Drumlines zurück. Doch diese Maßarbeit ist 2010 weit weg - blecherne Drums, ein bisschen Synthie-Kotze und insgesamt großteils verweichlichte Tracks, die nicht einmal ein Zielpublikum zu haben scheinen. Zu allem Überfluss ist Chaundon natürlich alles andere als ein Über-Emcee, vielmehr ist er stimmlich mäßig ausgestattetes Mittelmaß mit einem auf Dauer potentiell nervigen Flow, der darüber hinaus die üblichen Themen fleddert. Der Anfang gelingt dabei sogar noch ganz gut und bemüht genau den Sound, der Chaundon in ein besseres Licht rückt. Aber nachdem sich die Nackenmuskeln in "Watch Out" schon warmgenickt haben, gibt Illmind mit seinem zweiten Beitrag die traurige Marschrichtung der restlichen LP vor: "Wake Up" hätte kaum ein einfallsloserer "Aufwecksong" sein können. Doch das mag ganz gut so sein, vielleicht bekommt man als Hörer dann nicht mit, wie sich "Role Player" durch seine vier Minuten quietscht und wie im sich anschließenden Großteil des Albums praktisch nichts passiert. Wer bei Phrasen wie "My life is a Motion Picture" noch hinhört, ist selbst schuld, die Ausführungen über "Crazy" und "Nice Girl" sind ebenfalls alles andere als begeisternd. Das wahrhaft Schlimme an dem Album ist jedoch, dass Chaundon keine guten Beats zur Seite hat, die unspektakuläre Lyrics und Ähnliches kaschieren hätten können. D.K.'s beste und ausnahmsweise recht gelungene Arbeit findet sich in "The Blacker The Berry", das einen weiteren Ausflug in die Damenwelt unternimmt. Der einzige echte Lichtblick ist M-Phazes zu verdanken, der mit "Y'All Don't Want It" ein Brett hinknallt, das fast schon zu gut für Chaundon ist.

"No Excuses" sollte Chaundon's kräftig geführter Zweitschlag sein, mit dem er all jene, die nach dem ersten Album noch schwer verhaltene Anteilnahme zeigten, zu überzeugen gedachte. Weiter hätte er kaum vom Ziel abdriften können, denn hiergegen sieht sein Debüt noch richtig schmackhaft aus. Chaundon selbst hat sich dabei wenig verändert (eventuell hat sich die Zahl der Battle-Raps etwas reduziert), der große Fehler war die Verpflichtung von D.K. The Punisher, dessen Effizienzgrad hinsichtlich guter Beats unverzeihlich gering ist. Chaundon sagt es mit dem Titel selbst: Entschuldigungen gibt es keine mehr, und spätestens mit seinem Zweitling scheint klar, dass dieser Herr auf absehbare Zeit nicht mehr sein wird als einer aus der grauen Masse.

4.2 / 10