Samstag, 30. Oktober 2010

Hell Razah - Heaven Razah


Release Date:
28. September 2010

Label:
Nature Sounds

Tracklist:
01. The Arrival (Intro)
02. Negro Angelitos
03. Book Of Heaven Razah
04. Medical Kush
05. Raised In Hell
06. Fear Of God
07. Cinematic
08. Return Of The Renaissance (Feat. R.A. The Rugged Man)
09. Kids In The Street
10. A Brooklyn Tale (Feat. Shabazz The Disciple)
11. Selah (A Thug's Prayer)
12. Dear Lord (Project Heaven)
13. My Testimony (Feat. Darnell McClain)
14. Heaven On Earth (Feat. Timbo King & Darnell McClain)
15. Armageddon (Heaven & Hell)

Review:
Zurück aus dem Reich der Halbtoten: Nachdem Hell Razah vor dreieinhalb Jahren mit der Veröffentlichung seines offiziellen Debüts eine Release-Flut ankündigte, die sich in der Folgezeit in der Tat zu bewahrheiten schien, war es die letzten zwei Jahre überraschend still. In die Öffentlichkeit meldet er sich 2010 abseits der Musik mit der Nachricht zurück, dass er sich im Krankenhaus und im Koma befinde. Das Album namens "Heaven Razah", das bereits nach "Renaissance Child" angekündigt wurde und das als zweites auf Nature Sounds erscheinen würde (und deswegen auch groß und breit als Sophomore angekündigt wurde), sei aber schon fertig. Inzwischen geht es Razah wesentlich besser, er ist auf Reha und kann die Veröffentlichung miterleben.

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Wäre nicht bekannt, dass Razah's Krankenhausaufenthalt nach Abschluss der Aufnahmen stattfand, man hätte dieses Album als logische Folge davon angesehen: Ein wiederauferstandener, noch geläuterterer Razah illustriert schon auf dem Cover den mit Engelsflügeln bewerkstelligten Aufstieg von Hölle zum Himmel, um dem schon länger angekündigten Namenswechsel bestmöglichen Ausdruck zu verleihen. Abgesehen von der Fragwürdigkeit der sich bereits im Voraus abzeichnenden Intensivierung gewisser lyrischer Interessen stellt Razah dann aber doch recht interessante Eckdaten zusammen: Auf zu viele Gäste wird verzichtet, in der Produzentenliste tummeln sich mit 4th Disciple, Mathematics, Bronze Nazareth, Godz Wrath und Ayatollah ganz eindeutig die richtigen Namen und selbst Dev 1 (ganze viermal und somit am häufigsten vertreten) ist alles andere als ein Stümper. Das ändert zwar nichts daran, dass Razah auf der Performance-Ebene weiter von den hungrig-heiseren Anfangstagen abdriftet und weiterhin die Parallelen zu Killah Priest pflegt, sollte aber selbst die kritischsten Hörer wohlwollender stimmen. Gerade deshalb ist es wohl so überraschend, wie wenig Großartiges auf "Heaven Razah" passiert. Damit ist die Katze schon aus dem Sack, und um sie noch etwas zu konkretisieren: "Renaissance Child" mochte schon bei dem einen oder anderen nicht auf fruchtbaren Boden gefallen sein, doch unleugbar hatte es seine starken Momente mit einigen sehr ausgeprägten Songs; "Razah's Ladder" profitierte vom atmosphärischen und geschlossenen Gerüst von BSBD; dieses Album ist größtenteils eher wie "Ultra Sounds": immer gut hörbar, nie überragend - die zusammengefasste Formel einer Einheitsrezension, die sich auf unzählige Alben anwenden ließe. Doch wie oft kommt es schon vor, dass der schlechteste Track einer LP von Bronze Nazareth (und seinem Bruder) stammt? "Medical Kush" jedenfalls bringt dieses Kunststück mit einem tödlichst nervigen Piano-Sample fertig. Die Texte von Razah ziehen dabei relativ spurlos am Hörer vorbei. Statt mit feurigen Höllenreimen wird nun die weise Schiene gefahren, es mischen sich spirituelle Ansätze (vorwiegend mit Bibel-Referenzen) mit historischen Fehlinterpretationen. Abwechslung gibt es nur selten, beispielsweise mit dem selbsterklärenden "Kids In The Street", bei dem Ayatollah unter seinen Möglichkeiten bleibt. Selbiges gilt für 4th's "Cinematic", das mit intensiver Streichernutzung trotzdem gut funktioniert und Raziel's Blaxploitation-Tribut gelungen untermalt. Schöne Momente bietet auch das eher melancholische "Book Of Heaven Razah", ebenso wie "A Brooklyn Tale" mit starkem Zusammenspiel mit 'Bazz. Das Aufeinandertreffen mit dem Rugged Man (dem Tragedy diesmal leider fernblieb) fällt - in Erwartungen einer mäßigen Fortsetzung - ebenfalls erstaunlich angenehm aus. Später läuft das Album dann ganz gemütlich Richtung Ziellinie, um mit einem für Havoc-Verhältnisse keinesfalls schlechten "Armageddon" die (ganz und gar nicht stürmischen) Pforten zu schließen.

Man schätzt Hell Razah durchaus für seine Lyrics, da sie ihren eigenen Charakter haben und sich selbst von denen eines Killah Priest (mit dem Razah dieser Tage zu Recht oft verglichen wird) leicht unterscheiden. Was hier jedoch abgeliefert wird, wirkt inhaltlich als auch raptechnisch teils etwas saft- und kraftlos. Ein wenig mehr Energie wäre sicher nicht verkehrt. Schlichtweg verwunderlich ist es dagegen, dass bei gegebenem Producer-Lineup ein doch recht unspektakulärer Beat-Teppich zustandegekommen ist. Damit kommt "Heaven Razah" zwar trotzdem noch über den Durchschnitt hinaus, für ein nächstes Werk darf man dann aber doch wieder auf etwas mehr hoffen.

5.8 / 10

The Lost Children Of Babylon - Zeitgeist: The Spirit Of The Age


Release Date:
11. September 2010 / 19. Oktober 2010

Label:
LCOB Productions

Tracklist:
01. The Great Depression (Feat. Cosmic Crusader, Atun Sen Geb & Rasul Allah)
02. Allah One Mind (Feat. Rasul Allah, Lex Starwind, Atun Sen Geb & Richard Raw)
03. Men Behind The Curtain (Feat. Tragic Allies, Jon Murdock & Rasul Allah)
04. Skull & Bones (Feat. Rasul Allah, Jon Murdock, Lex Starwind & Cosmic Crusader)
05. Babylon AD (Feat. Rasul Allah, Vengeance, Lex Starwind, Atun Sen Geb, Jon Murdock, Richard Raw & Cosmic Crusader)
06. Illuminazi (Feat. Rasul Allah, Cosmic Crusader & Lex Starwind)
07. Beware The Zeitgeist (Feat. Cosmic Crusader, Lex Starwind, Jon Murdock & Rasul Allah)
08. Esoteric Agenda (Feat. Atun Sen Geb, Cosmic Crusader & Rasul Allah)
09. Martial Law (Feat. Rasul Allah, Jon Murdock, Lex Starwind, Atun Sen Geb & Cosmic Crusader)
10. Drug Wars (Feat. Tragic Allies, Cosmic Crusader & Rasul Allah)
11. Shadow Government (Feat. Rasul Allah, Lex Starwind, Cosmic Crusader, Jon Murdock & Atun Sen Geb)
12. Fabled Enemies (Feat. Lex Starwind, Rasul Allah, Jon Murdock & Cosmic Crusader)
13. The Venus Project (Feat. Rasul Allah, Cosmic Crusader, Atun Sen Geb & Emily Clibourn)
14. Revolution In Now (Feat. Rasul Allah, Richard Raw & Cosmic Crusader)
15. 2012 (The Mayan Factor) (Feat. Rasul Allah, Atun Sen Geb & Cosmic Crusader)

Review:
Die Lost Children Of Babylon sind nicht mehr das, was sie einst waren. Die Änderungen vollzogen sich schon nach dem zweiten Album, doch selbst nach dem inzwischen beinahe berühmten "911 Report", das inzwischen auch schon wieder einige Jährchen her ist, hat sich einiges getan. Nicht direkt im Kreise der LCOB - auf ein ernst zu nehmendes Solo von einem der Kernmember wartet man bis zum heutigen Tage -, sondern im Umfeld: Mit der Gründung von LCOB Productions ist man nicht mehr auf Babygrande angewiesen und außerdem bildet sich ein wucherndes, weltweites Netzwerk an Affiliates aus. Durch die zahlreichen Verschiebungen geht da die Veröffentlichung des vierten Albums, "Zeitgeist", beinahe unter.

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Wie schon zu erwarten war, haben sich seit dem letzten Album einige Dinge geändert: Der bereits erwähnte Weggang von Babygrande beschleunigte die Promotion des eigenen Labels LCOB Productions, was letztendlich dazu führte, dass sich jeder zweite rappende Verschwörungstheoretiker zu den LCOB hingezogen fühlte und sich um die Gruppe eine Art Gefolgschaft bildete, die entfernt an das Wu-Tang-Phänomen erinnert. "LCOB Presents" findet sich auf immer mehr Alben und ist anscheinend ein begehrtes Gütesiegel. Der wesentliche Unterschied zum Clan ist aber die Popularität der Generäle. Die LCOB selbst hielten sich weitesgehend im Hintergrund, Infos über die Truppe sind immer noch eher rar. Ganz im Stillen distanzierte sich Amun Sen Hotep Re von der Gruppe, was hinter den Kulissen ablief, bleibt vorerst verschleiert. Auf dem neuen Album ist er jedenfalls nicht zu hören, und da Mad Scientifik nur noch einige Beats beiträgt, ist man für den Rest auf Namen wie Snowgoons oder DJ Woool angewiesen, was den wahren LCOB-Fan bereits vorab schmerzen sollte - wie soll so die Rückkehr zum Stil der ersten beiden Alben bewerkstelligt werden? Gar nicht. Doch das heißt nicht, dass die LP ein Reinfall ist. Zu den relevanten Komponenten sind noch zwei Neuzugänge im Gruppen-Lineup zu zählen, nämlich die Niemande Jon Murdock und Lex Starwind (zusammen als Foundation unterwegs), bei denen man gespannt sein darf, was sie zu bieten haben. In jedem Fall verlangt die höhere Zahl aktiver Mitglieder eine Umverteilung der Mic-Zeiten: Rasul und Cosmic bleiben als Kernmitglieder auf (fast) jedem Track vertreten, es folgen Atun Sen Geb, Jon Murdock und Lex Starwind mit jeweils Auftritten auf gut der Hälfte aller Tracks, während Richard Raw nur noch spärliche dreimal zu hören ist. Gerechtfertigt ist das ganz und gar nicht, denn vor allem Jon Murdock spielt sich durch einen unharmonischen Flow regelmäßig zum überflüssigen Ärgernis auf, während Lex zwar eine Stufe besser rappt, dem Image der außergewöhnlichen Styles der LCOB aber trotzdem direkt entgegenwirkt. Was also hat das Album sonst zu bieten? Mit dem Titel "Zeitgeist" wird an Peter Joseph's Film angelehnt, ganz allgemein will sich die Platte, nachdem mit dem "911 Report" eine direkte Auswirkung angeprangert wurde, mit den unbemerkten Machenschaften hintergründiger Geheimgesellschaften, Parteien und Mächte beschäftigen und die blinde Masse aufklären - die LCOB sind vollends im Sumpf der Verschwörungstheorien gelandet und empfängnisbereit für jeden letzten Mist, solange er nur Regierung und Banken als Teufelsdiener portraitiert. Die LCOB sind dort angekommen, wo viele andere Rapper auch schon wühlen, was einerseits schade ist, andererseits aber auch zeigt, wie man es richtig macht; und entgegen aller Befürchtungen beweisen Rasul und Cosmic bei der Beat-Wahl einen recht guten Geschmack. Vorauszusehen war dagegen, dass ein Woool wenig Elegantes beisteuern würde, weswegen "2012" und "Illuminazi" auf instrumentaler Seite wenig glänzen. In zweiterem Song popularisieren die LCOB eine selten geistarme Wortneuschöpfung, die Rasul untermauert, indem ihm Hakenkreuze aus der Dollar-Note entgegenfliegen. Damit haben die Illuminaten aber noch nicht ausgedient - als Paten der "Skull & Bones", der berüchtigten Yale-Studentenverbindung, müssen sie ebenso herhalten wie als eine der Kernorganisationen der Neuen Weltordnung. Alles in allem kennt man die Themen schon. Lediglich die Geldreligion (dem zweiten "Zeitgeist"-Film gemäß) wird anderenorts vielleicht weniger behandelt und auf dem angeblich dämonischen Bankwesen wird meist auch nicht so vehement herumgehackt. In diesen Sphären auszumachen, wer die lyrisch beste Show abliefert, ist eine schwer ironische Aufgabe, bezüglich des Gesamteindrucks fegt Richard Raw in "Allah One Mind" (ein Highlight, für das man White Lotus danken darf) seine Mitstreiter allerdings mit schlafwandlerischer Sicherheit aus den Boxen. Eine etwas deplatzierte Produktion ist das Snowgoons'sche, viel zu stürmische "Babylon AD". Weitaus besser gefällt das düstere "Esoteric Agenda" und das sich anschließende, ähnliche "Martial Law", die weitaus näher an dem liegen, was man sich von den LCOB wünscht.

Es bleibt unerlässlich, an dieser Stelle ein wenig Enttäuschung auszudrücken, die von falschen, von Rasul selbst geschürten Erwartungen herrührt. Wie auf den ersten beiden Alben solle es hier zugehen. Doch die Abwesenheit von DJ Man-E schmerzt mehr denn je, während auch auf textlicher Ebene die nuwaubianischen Traumtänzereien keine Rolle mehr spielen. Es scheint dieses das neue Gesicht der LCOB zu sein, und wer sich damit abfindet, der wird auch "Zeitgeist" etwas Positives abgewinnen können, denn gute Tracks finden sich einige, während auch im direkten Umfeld einige sehr talentierte Produzenten (allen voran Amos The Ancient Prophet) unterwegs sind. Bei "Zeitgeist" reicht es für ein knappes "gut" und auf jeden Fall für Spannung hinsichtlich zukünftiger (seit Ewigkeiten angekündigter Solo-)Releases.

6.7 / 10

Watchmen - Wu-Tang Management Presents: Watchmen


Release Date:
12. Oktober 2010

Label:
Platinum City Entertainment / Khepera Records / Universal Music Group

Tracklist:
CD 1:
01. New Student (Intro)
02. Assassins
03. Touch Of Death
04. It Is Not Too Late
05. Damsel In Distress (Interlude)
06. Hero (Feat. Eclypse)
07. If I Needed One
08. Apocalypse (Feat. Blue Raspberry)
09. It's A Shame (Feat. Eclypse)
10. Glorious Fist
11. Throw Ya Hands Up
12. Cruisin' (Feat. Aileen Rosario)
13. Don't Know Me
14. Banga
15. Mantis Style (Skit)
16. Off Wit His Head (Feat. Stumik)
17. More Soldiers (Skit)
18. War

CD 2:
01. Mamma Wu Intro
02. Not Living (Feat. Eclypse)
03. Poison Dart
04. Everything (Feat. Timbo King)
05. Blood Brothers
06. Welcome To The Zu (Feat. Raison The Zu Keeper)
07. Get It
08. Chinese Split (Feat. Eclypse)
09: Street Corner (Skit)
10. 3rd Eye
11. 2010 (Feat. Polzino)
12. Knowledge
13. Man In The Mirror
14. Internal
15. Like I Want You (Feat. Eclypse)
16. Hard Body (Feat. Cheena Black)
17. Basis Of Hip-hop (Skit)
18. We Love You Too

Review:
Die Watchmen sind ein besonderes Phänomen in der Szene: Sie betreten die Rap-Bühne durch das Wu-Tang-Portal, genau genommen durch das jüngst in rege Geschäftigkeit ausgebrochene Wu-Tang Management. Wo heutzutage neue Namen im Wu-Universum meist ohne wirkliches Label-Backup dastehen, zwielichtige Connections angeben und sowieso mit allerschärfster Kritik begrüßt oder gleich wieder zum Teufel gejagt werden, haben die Watchmen einen Deal mit Universal in der Tasche, sie berufen sich u.a. auf John 'Mook' Gibbons und Cappadonna und stellen sich mit einem 36 Tracks umfassenden, selbstbetitelten Doppelalbum vor. Dass einige der Mitglieder bereits im Verborgenen über ein Jahrzehnt im Musikgeschäft unterwegs sind, wird dabei ebenso unterschlagen wie die Tatsache, dass man um 2006 mit einem kompletten Album (zehn Tracks unter dem Titel "Power") schon kurz vor einem Deal stand.

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Die erste Hürde der Akzeptanz stellt auch für die Watchmen die kritische Wu-Fangemeinde dar, aus der überraschenderweise auch positive Stimmen hallen. Wer sich mit der Materie ein wenig intensiver beschäftigt hat, für den sollte der Sound der Watchmen nicht unbedingt eine Überraschung sein: Mitglied 7th 7ign veröffentlichte 2009 ganz im Stillen bereits ein astreines Album. Im Aufgebot der Watchmen sind des Weiteren PRO, The Cipher, Prox und BlackMask zu finden, Letzterer ist dabei als inoffizieller Kopf der Truppe (und auch langzeitiger Manager) anzusehen. Bei solch kreativen Namen möchte man als Hörer sofort das Handtuch werfen, doch man möge darüber hinwegsehen, denn im Gegensatz zu so vielen anderen Acts haben die Watchmen in der Tat etwas zu bieten: ein Doppelalbum, dessen Existenz daher rührt, dass man beim Aussortieren des aufgenommenen Materials so viele Songs als dope ansah und sich nicht von ihnen trennen wollte, dass man sich entschloss, statt einer eben zwei CDs zu füllen. Es darf außerdem davon ausgegangen werden, dass die Gesamtzahl der Tracks (36) kein Zufall ist. Auch sonst sind im Watchmen-Slang immer wieder Wu-Referenzen zu finden - das Quintett feiert seine Fam-Zugehörigkeit, ohne dabei wie andere Killa Beez zu klingen. Ein Grund dafür ist die Produktion, für die die Watchmen großteils selbst aufkommen; neben BlackMask und 7th 7ign ist es vor allem PRO, der einen großen Teil der Beats beiträgt. Um der langen Reise den richtigen Startpunkt zu setzen, sampelt das "Intro" aus dem "Kung Fu"-Pilot und geht dann in "Assassins" über, eines der Edelstücke der LP, in dem sich alle fünf Watchmen vorstellen und das von Cappadonna kohärent abgeschlossen wird. Es ist typischer Wu-Sound, den die fünf praktizieren, die Raps wälzen die entsprechenden Themen und das Instrumental wird hier und da von fliegenden Fäusten durchschnitten. Auch im weiteren Verlauf stößt man immer wieder auf Samples aus alten Kung-Fu-Streifen, etwa dem gerne benutzten "Shaolin Vs. Wu-Tang". Am Mic beweisen sich alle fünf Emcees als fähige Wortakrobaten, in PRO findet man das grobschlächtigste und in 7th 7ign das überzeugendste Mitglied im Aufgebot. In jedem Fall legen die Watchmen einen beachtlichen Start hin: "Touch Of Death" orientiert sich gnadenlos nach vorne, "It Is Not Too Late" bemüht ein stimmungsvolles Voice-Sample. Weibliche Hooks kommen von Blue Raspberry, die ihren Beitrag zugunsten eines sehr interessanten, aber gelungenen Ergebnisses über Handy für das starke, schwermütige "Apocalypse" einsingt, und auch vom inoffiziellen sechsten Mitglied Eclypse, die "Will you be my Hero?" schmettert. Oder aber es wird auf eine Hook gepfiffen, nachzuhören in "If I Needed One", das bis auf dämliches Hintergrundgegröle ebenfalls gelungen ist. Im weiteren Verlauf des Albums stellt sich heraus, dass Universal als Label seinen Tribut fordert: "Cruisin'" ist der erste von einigen wenigen (radiotauglicheren) Songs, die ganz klar mit dem Albumfluss brechen und klingen, als wären sie ins Album gezwungen worden. Gegen Ende der ersten Scheibe verlieren die Watchmen dann etwas an Fahrt, flippen in "War" dasselbe Sample wie Ill Bill für "War Is My Destiny" (dass das Ergebnis nur den Kürzeren ziehen kann, ist abzusehen) und brauchen auch auf Scheibe Zwei nach dem dürren "Not Living" wieder etwas Anlauf, bis in "Everything" wieder die Topform gefunden ist. Die hat es mit simplem Piano-Sample und starkem Timbo-Feature dann aber in sich. Ähnlich stark geht es dann in "Blood Brothers" und mit dem Besuch von Raison weiter und nachdem man als Hörer während "Chinese Split" dem Label einen mentalen Mittelfinger schenkt, zeigt 7th 7ign in "3rd Eye" mit klassischem Eastcoast-Streicher-Sample wieder seine ganze Klasse, die schon in seinem Solotrack "Don't Know Me" in einem deftigen Brett resultierte. Der Rest der Spielzeit behält sich ein gewisses Auf und Ab vor, wenngleich die positiven Elemente klar überwiegen. Selbst schwächere Momente wie "Throw Your Hands Up" bieten dem Wu-Fan mit ihrer Parallele zu GZA's "Liquid Swords"-Opener gewisse Unterhaltung.

Über zwei Stunden dauert dieses Monsteralbum. Danach weiß man, dass die Watchmen nicht nur dahergelaufene Aufschneider sind, um die man lieber einen großen Bogen gemacht hätte. Sie demonstrieren, wie roher Wu-Sound heutzutage klingen kann (so wie es 7th 7ign schon im Jahr zuvor vormachte). Ebenso offensichtlich ist aber, dass "Watchmen" wesentlich besser hätte sein können, wenn man die Qualität auf einer Scheibe konzentriert hätte. Doch wer weiß, vielleicht (was gar nicht so unwahrscheinlich scheint) war ein Doppelalbum der einzige Weg, die vom Label gesetzten Kacktracks zur Minderheit zu machen. "Watchmen" ist keinesfalls perfekt und darf sich nur knapp als gute Platte rühmen, doch sie erfüllt ihre Rolle als Vorstellungsrunde. Bleibt abzuwarten, ob die bereits angekündigte Welle an Soloalben erscheint und ob die einzelnen Watchmen hierauf aufbauen können.

6.5 / 10

Qwel & Maker - Owl

Release Date:
14. September 2010

Label:
Galapagos4 Records

Tracklist:
01. Owl
02. The Game
03. The Down Dumbing
04. Holler
05. El Camino
06. Gin River
07. Voice Of Reason
08. Silver Mountains (Remix)
09. Cookie Cutter
10. Gambling Man
11. Letting Life Pass By
12. Word To The Wise
13. Pitching Pennies

Review:
Spätestens jetzt scheint es offensichtlich, dass Qwel in Maker einen Bruder im Geiste gefunden hat. Mehr gemeinsame Alben hat Adam Schreiber nur mit Jackson Jones (und das auch nur unter Berücksichtigung der Tour-Alben) veröffentlicht. Und wer dachte, Qwel würde sich nach dem Abschluss seines "Four Seasons"-Albenquartetts erstmal eine Pause gönnen, der hat sich geschnitten: Der Spaß hat gerade erst begonnen. "Owl" ist das dritte (offizielle) Album inerhalb von drei Jahren und zeigt schon deswegen, wieso Qwel die Nummer Eins im Stall Galapagos4 (das sich dieses Jahr mit Releases eher zurückhielt) ist.

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"The Owl watches and grows wiser. As we became more aware of our environment, we gained new perspectives. This album is our way of reconnecting with everything that surrounds us." Das ist die Erklärung, die Maker zum Titel beizusteuern hat. Im Endeffekt ändert sich nicht viel im Vergleich zu den bisherigen Releases, was eigentlich alles ist, was Qwel-Fans hören wollen. Als einer der wenigen Künstler in diesem Genre hat Qwel es geschafft, seine Musik einer Formel zu unterwerfen, die konsequent funktioniert und dabei bisher nie langweilig klang. Und während man schon im Voraus weiß, dass ein solches Album niemals auch nur mittelmäßig sein kann, so erwartet und fürchtet man doch insgeheim den Moment, in dem Qwel es nicht mehr schafft, das geradezu lächerlich hohe Grundniveau seiner Alben nicht ganz zu erreichen. Nach einmal Durchhören sollte sich niemand anmaßen, ein solches Urteil zu fällen, doch nach vielfachen Durchläufen darf man sagen, dass dieser Fall hier leider eingetreten ist. Nichtsdestoweniger ist "Owl" ein Grower, der viel von seiner Klasse erst nach und nach entfaltet. Qwel als weise Eule unterscheidet sich nicht wirklich vom bekannten, sarkasmusbeladenen und immer nachdenklichen Qwel, den man schon kennt; lediglich die Stimmung der Tracks schwenkt noch ein wenig mehr Richtung ruhiger Songs. Die Brecher, die "The Harvest" noch beherrschten, sind fast komplett abwesend, die schneidend-feurigen Rap-Tiraden gehören wohl (wie auch schon auf "So Be It") größtenteils der Vergangenheit an. Der Anfang sollte dabei noch alles und jeden zufriedenstellen: Nach routinierter Einstimmung in die LP startet "The Game" von Null auf Hundert in wenigen Sekunden und gibt Qwel die Möglichkeit, die Hörerschaft mit seinem einzigartigen Überflow zu beglücken. Dieser Flow hätte es auch einmal mehr problemlos geschafft, diesem Album Topnoten einzubringen, doch die Instrumentals wollen da nicht so ganz mitspielen. Beizeiten klingt Maker's Arbeit etwas kraftlos, Qwel wird wie in "Gin River" oder "Cookie Cutter" durch halbgare Soundlandschaften geschickt, denen die bei Maker sonst gesetzte intensive Atmosphäre völlig fehlt. Auch "Word To The Wise" muss sich trotz Qwel's Philosophiestunde ähnliche Vorwürfe gefallen lassen. Man wandelt erstaunlich nah an der Normalität. Das heißt natürlich noch lange nicht, dass auch nur an einer einzigen Stelle die Skip-Taste vonnöten wäre - selbst wenn "The Down Dumbing" in der Hook Punktabzüge erhält, ist der Track selbst noch besser als der Großteil allen derzeit veröffentlichten Materials. Und es wäre kein Qwel-Album ohne einige weitere Highlights: "El Camino" begeistert mit gefühlvoll-warmem Sample und Qwel's typischem Erzählstil, "Letting Life Pass By" ist auf demselben hohen Niveau und als selbstreflektierender, die eigenen Lebensentscheidungen überdenkender, unwahrscheinlich gefühlvoller Song konzipiert. Wem das nicht reicht, der stößt in "Voice Of Reason" auf ein Interlude mit Samples aus "Colossus", hört in "Silver Mountain" einen sehr trockenen Beat mit D'n'B-Elementen und darf sich schließlich im abschließenden "Pitching Pennies" über einen Hauch Melancholie freuen.

Wie schon erwähnt: Man kann keine gravierenden Unterschiede zu "So Be It" benennen, die dafür verantwortlich gemacht werden könnten, dass "Owl" den hohen Qwel-Standard nicht erreicht. Vielleicht liegt es daran, dass der Trend, härter geschusterte Brecher aus dem Programm zu nehmen, fortgesetzt wurde. Damit verliert Qwel das Gleichgewicht, das den "Four Seasons"-Alben allesamt eigen war. Letztendlich kann man es aber auch viel einfacher fassen: Maker's Beats hätten besser sein können. Diese doch recht ausführliche Kritik orientiert sich natürlich an einem sehr hohen Maßstab und sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass "Owl" dem Großteil der Konkurrenz voraus ist. Lediglich zu einem sehr guten Album hat es nicht gereicht.

7.3 / 10

Black Milk - Album Of The Year


Release Date:
14. September 2010

Label:
Fat Beats Records

Tracklist:
01. 365
02. Welcome (Gotta Go)
03. Keep Going
04. Oh Girl (Feat. AB)
05. Deadly Medley (Feat. Royce da 5'9" & Elzhi)
06. Distortion (Feat. Melanie Rutherford)
07. Over Again (Feat. Monica Blaire)
08. Black And Brown (Feat. Danny Brown)
09. Round Of Applause
10. Warning (Keep Bouncing)
11. Gospel Psychedelic Rock
12. Closed Chapter (Feat. Mr. Porter)

Review:
Ein erster, vollkommen unbelastet unvoreingenommener Blick auf Black Milk's neustes Machwerk bereitet nicht gerade Grund zu überschwenglicher Freude: Ein (selbst unter der Entschuldigung der Schlichtheit) hingekotztes Cover und ein arroganter und vor allem einfallsloser Titel drängen die Frage auf, ob man es hier mit einem würdigen Nachfolger zum inzwischen zwei Jahre alten "Tronic" zu tun haben soll. Erwarten sollte man es zumindest, schließlich hielten sich seine Aktivitäten (Touren und Gastauftritte) in der Zwischenzeit im überschaubaren Bereich - das Random-Axe-Album beispielsweise wartet weiterhin darauf, releast zu werden.

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Am besten sucht man die Erklärung in der Musik, denn genau dort ist sie zu finden: Gleich zu Beginn erklärt Milk den Titel. Grob ein Jahr ist zwischen Anfang der Aufnahmen und Einreichen der fertigen LP beim Label vergangen. Alles Erlebte wurde in diesem Album, dem Album dieses Jahres, verarbeitet. Während er für das Cover-Design eine Rechtfertigung schuldig bleibt, kann man sich nun also voll und ganz auf die Musik konzentrieren, von der schließlich einiges zu erwarten ist, nachdem "Tronic" die geschützten Sphären von herkömmlicher Sample-Arbeit hinter sich ließ, um sich mittels Experimentierfreudigkeit von anderen Produzenten abzusetzen. Das ist auch bei "Album Of The Year" das erklärte Ziel, diesmal allerdings ist die Marschrichtung eine andere und auch die Mittel unterscheiden sich. Live-Instrumente - das Schlagwort, bei dem sesselfurzende Kritiker feuchte Hosen bekommen - werden ins Album integriert und verdrängen die "Tronic"-Synthies größtenteils. Ein wenig Respekt muss man Milk für seine Entwicklung und die in dieses Album gesteckte Arbeit (streckenweise Eigenkompositionen) durchaus zollen, einen Freifahrtschein für Lobhudelei gibt es trotzdem nicht. Denn in Sachen Experimentierfreude ist "Album Of The Year" keineswegs eine Steigerung zu "Tronic". Black Milk mag ins Rennen schicken, was er will, die Musik, die einem entgegenschallt, klingt trotzdem wesentlich altbackener als noch vor zwei Jahren. Den direkten und besten Vergleich bietet "365", das als Opener Parallelen zu "Long Story Short" aufweist, diesmal aber logischerweise die vergangenen 365 Tage Revue passieren lässt. Das passiert über einen Beat, der viel eher nach "Popular Demand" als nach "Tronic" klingt und auch qualitativ in diesem Vergleich glasklar den Kürzeren zieht. Rap-technisch hört man schon an dieser Stelle, dass BM an sich gearbeitet hat, und während der Stil immer noch derselbe ist, so klingt das verbesserte Feintuning durchaus durch. Der Gehalt seiner Raps bewegt sich dagegen weiterhin zumeist knapp über dem Nullpunkt, etwas anderes wäre aber gar nicht wünschenswert. In "Over Again" eingebrachte Storytelling-Elemente zeigen, dass Black immer noch eindeutig als Producer besser ist, sein Ladies-Track ("Oh Girl") hätte aufgrund nicht vorhandener inhaltlicher Variation auch schon auf "Popular Demand" oder früher erscheinen können. "Distortion" dagegen verarbeitet die persönlichen Ereignisse des vergangenen Jahres, den Tod von Freund und Mentor Baatin sowie den Krankenhausaufenthalt von Manager HexMurda, und lenkt somit teilweise vom mittelmäßigen Instrumental ab. Black's saftige Drumlines sind nach wie vor als Markenzeichen vorhanden, nur fehlt ohne füllende Samples oder Synths oft ein herausspringendes Element im Instrumental, was aber dringend benötigt wird: "Deadly Medley" verfügt als eines der Highlights (zudem mit starker Rap-Performance) in Form von Gitarreneinsatz darüber, "Black & Brown" mit seinen Streichern ebenfalls. In "Gospel Psychedelic Rock" passiert allerdings entgegen des bunten Titels enttäuschend wenig. "Round Of Applause" wäre durchaus genießbar, verspielt sich das finale Lob dann aber duch unnötige Länge, in der Black instrumentale Ehrenrunden läuft. "Warning" verärgert dadurch, dass das am Ende kurz eingespielte Instrumental das des eigentlichen Songs erheblich überbietet, "Closed Chapter" ist mit siebeneinhalb Minuten wieder einen Tick zu lang, wobei es ansonsten seine Funktion als abschließender Track, in dem Black nochmals seinen Weg, Werdegang und seine Situation in der Szene zu Papier bringt, gut erfüllt.

Man mag - vollkommen zu Recht - enttäuscht von diesem Album sein, vor allem aufgrund des Fehlens jeglicher Überbretter (lediglich zwei Tracks schicken sich an, diese Position einzunehmen). In der Tat ist bei all den live eingespielten Instrumenten das Streben nach außergewöhnlichen Songs untergegangen, was die offensichtliche Zweitbedeutung des Albumtitels hinfällig werden lässt - "Album Of The Year" ist eine runde Sache, die besser als viele Scheiben ist, die aber auch weit hinter ihren Möglichkeiten zurückbleibt. Zweifel an Black Milk sind jedoch unberechtigt, denn wenngleich "Tronic" weiterhin sein bestes Album bleibt und man sich für "Album Of The Year" mehr innovative Elemente gewünscht hätte, untermauert der Herr aus Detroit doch seinen Status als nicht austauschbarer Producer der Oberklasse.

6.2 / 10

Main Flow - Return Of The Castle


Release Date:
31. August 2010

Label:
Wanna Battle Records

Tracklist:
01. The Drawbridge
02. Return Of The Castle (Feat. Esoteric)
03. The Gate (Feat. Donte)
04. All Goes Down (Feat. Ragga)
05. The Dungeon (Feat. Chrissy Depauw)
06. Understand (Feat. Just Brea)
07. The Armory
08. Keep On Loving Me (Feat. Justin Werner)
09. Dark Ages (Feat. Neorah Havva)
10. The Drawbridge
11. Give Thanks (Bonus Track) (Feat. Justin Werner)
12. Music (Bonus Track) (Feat. Chali 2na, Donte & The Grouch)

Review:
Main Flow ist ganz fraglos derjenige, der dafür sorgte, dass man den Namen Mood nicht vergisst (gedankt sei's ihm). Seit dem Album der Cincinnati-Gruppe sind inzwischen geschlagene 13 Jahre vergangen, die Main Flow mit einem starken Solodebüt begann und dann mit Mixtapes und weniger überragenden Album (u.a. mit 7L) ausstopfte. Trotzdem ist es inzwischen vier Jahre her, dass er zuletzt etwas veröffentlichte. In dieser Zeit entwickelte er sich zum Feature-Gespenst und geisterte u.a. auf einigen Producer-Alben herum. Das bewahrt "Return Of The Castle" jedoch auch nicht davor, nach stattlicher Aufschubzeit eher im Stillen und ohne großes Label-Backup zu erscheinen.

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Wenn uns die Features der letzten Jahre (als auch die letzten Alben) etwas gelehrt haben, dann das: Main Flow ist ein Rapper, der auf Lo-Fi-Sounds wesentlich besser klingt als auf den astrein ausproduzierten und gemasterten BoomBap-Tracks dieser Tage. Schuld trägt eine Stimme, der es an Volumen und Kraft fehlt. Da Main Flow aber auch ein ausgezeichneter Flower und alles andere als ein unfähiger Emcee ist, kann er diesen Mangel meist kaschieren. Nichtsdestoweniger waren es "Doom" und "Castle Diplomat", die ihn mit einem rauen, ungeschliffenen Sound bestmöglich zur Geltung brachten. Erstes und wichtigstes Ziel für diese Scheibe sollte es also sein, genau da anzusetzen, wo 2001 aufgehört wurde und einzufangen, was man seitdem von Main Flow nicht mehr gehört hat. Der Titel weckt da natürlich Hoffnungen, doch andererseits zeigt ein nüchterner Blick in die 2010er Szene, dass die Chancen auf einen Überraschungserfolg nicht gerade hoch stehen. So dürfen sich alle Realisten (un-)glücklich schätzen, wieder einmal die richtigen Erwartungen gestellt zu haben: Mit Blunt, DJ Dez (hin und wieder für Slum Village tätig) oder den Snowgoons als Produzenten und sogar einem überraschenden Lebenszeichen von Jahson hätte man es zwar wesentlich schlechter treffen können, so wirklich überzeugt ist man dann aber trotzdem nicht, da man auf Seiten der Instrumentals mit beiden Füßen in die hungrige Falle der Austauschbarkeit getreten ist. Leider weiß sich Main Flow in dieser Situation nicht wirklich zu helfen; er lässt eine erwartungsgemäß starke Rap-Darbietung vom Stapel, versäumt es aber, mit außergewöhnlichen Konzepten die Beats entsprechend aufzuwerten. Zudem ist die Platte recht durchschaubar strukturiert: Die irritierend vielen Gäste werden den Hooks zugeordnet, was teilweise gut funktioniert, teilweise aber auch nicht. Der Titeltrack "Return Of The Castle" stellt gleich einen heißen Kandidaten für den besten Song der LP dar, in dem Esoteric perfekt eingesetzt wird. Dass inhaltlich wenig bis gar nichts passiert, stört in einem solchen Fall nicht - Wortspiele, Punchlines und Bragging mischt Main Flow ohne große Probleme zusammen. Im Falle "The Dungeon" sind die Verses erste Sahne und lediglich die Hook mindert die Qualität des Songs, "Dark Ages" dagegen ist auf ganzer Länge (nicht nur mit dem kitschigen Kinderchor-Refrain) ungenießbar - wenn erklärt wird, wieso die Musikwelt dunkle Zeiten durchlebt, dann bitte mit passender Untermalung. Die Doppelverwendung von "The Drawbridge" will keinen rechten Sinn ergeben (man möge mich gerne eines Besseren belehren), der Rest der Scheibe bietet softe Hooks von Justin Werner und Just Brea, einen sehr soliden Snowgoons-Track ("The Gate") und als Abschluss einen letzten aus dem Schema ausbrechenden Song ("Music"), in dem die (gut gewählten) Gäste erstmals Parts beisteuern - das Songkonzept wurde schon besser umgesetzt, als Abschluss auf dieser Scheibe geht der Song aber in Ordnung.

Die Rückkehr zu dem "Castle", in dem Main Flow noch 2001 residierte, ist dieses Album garantiert nicht. Main Flow fließt mit dieser Scheibe mitten im großen Strom derzeitigen BoomBaps und schafft es leider nicht, sich in irgendeiner Weise abzusetzen. Mit der inhaltlichen Leere und seiner schwachen Stimme rettet ihn da auch sein Flowvermögen nicht jedes Mal. Da man es von ihm bereits anders kennt, muss man sich fragen, wieso Main Flow nicht ein paar härtere Beats mit ins Aufgebot genommen hat, denn damit hätte er seinem Hauptproblem entgegenwirken können. Doch mit "Return Of The Castle" hat er Mühe, sich vom Mittelmaß zu distanzieren.

5.6 / 10

Cymarshall Law & The Beatnikz - Freedom Express Line


Release Date:
31. August 2010

Label:
XOXO Records

Tracklist:
01. My Platform (Express Line Intro)
02. Zion Land
03. Believe This (No Money)
04. The Flyness
05. Give I Fi I Name
06. Armagideon
07. Door Peep
08. Love (Feat. Mary Lou)
09. Don't Kill Your Brother (Feat. Skit Slam)
10. Come Mek We Run
11. Where I Am
12. A Little Way Different
13. Almost Home

Review:
Farbenfrohes Cover, die Beatnikz als Produzenten - Moment, das kennen wir doch schon. Gerade einmal zwei Monate ist es her, dass uns ein sehr ähnliches Album vorgesetzt wurde - Everliven Sound's "Freedom II", bei dem nur noch Cymarshall Law's Bruder Skit Slam zusätzlich im Aufgebot war. Woher diese plötzliche Release-Freude kommt, scheint ungeklärt. Vielleicht liegt es daran, dass an dem bis 2009 völlig independent operierenden Cymar nun ganz offensichtlich Labels interessiert sind - nach HiPNOTT ist es hier XOXO Records. Überraschend kam "Freedom Express Line" trotzdem, schließlich hatte man allerhöchstens einen Nachfolger zum Album mit Mr Joeker auf der Rechnung.

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Doch wer will sich schon beschweren, schließlich zeigte sich bereits auf den bisherigen Kollabos, dass die Gebrüder Simmons gut mit den Schweden Frank Blank und Lil Jay harmonieren. Ganz ohne Auswirkungen bleibt die quantitative Steigerung dann allerdings nicht - verwunderlich genug wäre es gewesen. Dabei ist es nicht einmal eine gewisse Übersättigung, die nach "Freedom II" und der EP zu Anfang des Jahres durchaus zu vermuten wäre. Cymar's markanter Style und seine ehrliche Art kommen genauso gut an wie schon immer - ein Wow-Effekt will sich aber bei keinem Song so recht einstellen. Doch schön der Reihe nach, schließlich fängt das Album mit "My Platform" ansprechend und vielversprechend an. Die typischen Merkmale sind da: Die kräftige und trotzdem smoothe Drumlines Beatnikz'scher Prägung trägt ganz beiläufig lockere Bläser-Sounds, die unbeschwerten Kopfnicker-Flavor versprechen, während Cy in seiner gewohnten Art und Weise seine ambitioniert und immer etwas gepresst klingenden Raps ins Mic drückt. Genau das zeichnet ihn aus und trägt auch diese Platte über weite Strecken hinweg, aber in Sachen Beats halten sich die Beatnikz leider etwas zurück. Die üblichen Variablen haben ansonsten die bekannten Werte: Trackzahl im gewohnten Bereich, wenige Gäste, die mit Mary Lou und Skit Slam außerdem zu erwarten waren. Wer vom Everliven-Sound-Track ein Highlight erwartet hat, der wird jedoch enttäuscht: "Don't Kill Your Brother" beweist zwar Dynamik am Mic, die offensichtliche Thematik wird annehmbar verpackt, die Beatnikz versäumen es aber, die gesampelten Bläser zu mehr als einem ganz netten Track aufzurichten. Erste Single der LP ist "The Flyness", das etwas zu einfach gestrickt ist und in dem auch die das Vollzeit-Bragging umrahmende Hook etwas Schieflage hat. Allgemein halten sich die Conscious-Konzept-Tracks im Vergleich zum letzten Album eher in Grenzen, Conscious-Zeilen hagelt es dafür natürlich trotzdem zur Genüge. Wenn mit Mary Lou auf die Wichtigkeit von "Love" hingewiesen wird, führt das sogar zu einem der Highlights der Scheibe. Ein weiterer Höhepunkt ist "A Little Way Different", das wie so viele Tracks von Hörnern angetrieben wird und schlicht und ergreifend auf die Verschiedenheit jeder Person hinweist. Hier passt alles, doch in den schwächeren Tracks wünscht man sich beizeiten etwas Abwechslung in Form eines Features. Zumeist unterhält Cy aber im Alleingang, was am besten funktioniert, wenn er etwas zu erzählen hat, etwa in "Give I Fi I Name", wie er zu seinem Namen kam, oder in "Believe This", das einmal mehr den sympathischen Cy charakterisiert, für den die Liebe zur Musik im Vordergrund steht. Zum Schluss werden mit "Almost Home" dann nochmal eigene Motivation und Ziele dargelegt.

Die einzige Kritik, die man an dieser Scheibe anbringen darf, hat damit zu tun, dass der Cymar-Beatnikz-Zug innerhalb kürzester Zeit wieder auf Tour geht und dazwischen anscheinend seinen Tank nicht wieder voll aufgefüllt hat. Das gilt für die Beatnikz noch mehr als für Cymar, doch auch der konnte beispielsweise auf "Hip Hop In The Soul" noch mit besseren Konzepten punkten. Die Beatnikz und Cymar passen ohne Frage zusammen, nur etwas mehr Zeit könnte man sich zum Heranreifen eines neuen Albums lassen. "Freedom Express Line" gehen die richtigen Brecher ab, schlecht ist es deswegen natürlich aber noch lange nicht.

5.7 / 10

KRS-One & True Master - Meta-Historical


Release Date:
31. August 2010

Label:
Fat Beats Records

Tracklist:
01. Intro
02. Murda Ya
03. Madonna And Child (Skit)
04. Unified Field (Feat. Dr. Oyibo)
05. Gimme Da 90's
06. Revelation (Skit)
07. Knowledge Reigns Supreme (Feat. True Master)
08. My Mind (Skit)
09. Palm And Fist
10. One Of Them Days
11. Ancient Hip Hop (Skit)
12. Old School Hip Hop
13. Naga (Skit)
14. 1-2, Here's What We Gone Do (Feat. RZA)
15. Freeman (Skit)
16. Meta-Historical
17. The Struggle (Skit)
18. Street Rhymer (Feat. Cappadonna)
19. He's Us (Feat. True Master)
20. Outro

Review:
Oh Schreck, ein neues Album von KRS-One. Ungefähr ein Jahr ist seit dem letzten Longplayer ("Survival Skills") vergangen, überbrückt wurde die Zeit mit einer EP mit dem ähnlich (für Rapper-Verhältnisse) steinalten Just-Ice sowie fragwürdiger Publicity aufgrund seiner HipHop-Bibel. Dass man inzwischen schon nicht mehr weiß, das wievielte Album denn gerade veröffentlicht wird, verlangt zumindest hinsichtlich der Aufnahmefreude des Blastmasters einen gewissen Respekt. Viel eher verwundert darf man dann ob des Kollabo-Partners sein: True Master steuert die Komplettproduktion zu "Meta-Historical" bei.

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Als Wu-Fan kann man nur staunen: Da lässt True Master die letzten Jahre kaum etwas von sich hören und produziert selbst in Wu-Kreisen äußerst wenig, nur um dann ein Album ausgerechnet mit dem selbsternannten HipHop-Messias und Religionsstifter KRS aufzunehmen. Wie zur Hölle konnte das passieren? Da greifen Wu-Größen auf fragwürdige Produzenten zurück und man wünscht sich jemanden wie True Master herbei und der hat nichts Besseres zu tun als seine Beats an den debilen Spinner der HipHop-Gemeinde zu verschachern? Natürlich sind diese Worte überspitzt scharf, denn noch steht hinter dem Blastmaster groß und breit das Schild mit der Aufschrift "Legende", noch sind Mic-Präsenz und Flow erste Sahne. Trotzdem spielt sich KRS mit dieser Platte nicht gerade in die eigenen Karten. Elf Tracks, neun Skits und die volle Spielzeit die bis zum Erbrechen propagierte Idiotenideologie des Teachers. Zu allem Überfluss gibt es auch ein Wiedersehen mit dem Hauch von Jamaican Slang, in den KRS beizeiten verfällt und der einem schon in "Murda Ya" um die Ohren weht. Setzt True Master den Hörern hier noch einen recht verhaltenen Beat vor, muss man gestehen, dass die instrumentale Verköstigung im weiteren Verlauf der LP von erfreulich hoher Güteklasse ist. Bevor darauf näher eingegangen wird, sollte jedoch das größte Ärgernis der LP beleuchtet werden: Die besagten neun Skits, die spätestens nach je zwei Songs über ein immergleiches Instrumental die mentalen Ausscheidungen des KRS-One präsentieren - und zwar so haarsträubend, dass es fast einem Verbrechen gleichkäme, sie nicht anzuschneiden: Da wird von dem mit alleinerziehender Mutter aufgewachsenen KRS ein Bogen zum Madonna-Kind-Bildnis als Religionsgrundsatz gespannt, um die Türen für KRS' Metahistorie und seine HipHop-Religion zu öffnen. Außerdem werden die Wurzeln von HipHop ins präantike Afrika an Felsmalereien festgemacht, um schließlich die heutige Zugehörigkeit zur Kultur anhand des Teilhabens am gemeinsamen "Struggle" zu definieren. Diese in jedem Skit manifestierten, beinahe kindlich naiven Vorstellungen unterbinden jeglichen Albumfluss und machen "Meta-Historical" zu einem anstrengenden Unterfangen. Das hätte es gar nicht sein müssen, denn wenngleich Beats wie "Palm & Fist" oder "Meta-Historical" viel eher zu einem Ghostface passen würden, werden sie auch im HipHop-Tempel zu teils richtig starken Tracks veredelt. Während RZA und Cap als Gäste den Wunsch nach mehr Wu-Tang noch schüren, hat man erneut zwei astreine Tracks vor sich, was sich über "On Of Them Days" so gar nicht behaupten lässt. Wenn der Blastmaster anfängt zu singen, sollte man lieber in Deckung gehen. Auch ein 90er-Tribut ist dieser Tage (selbst wenn diese Disziplin für KRS wie geschaffen scheint) kein Hingucker mehr, selbst wenn "Old Schhol Hip Hop" dank True Master absolut genießbar ist. Schließlich folgt True Master (neben einem weiteren Track) in "He's Us" noch einem aktuellen Trend, greift selbst zum Mic und liefert dabei solide, aber kaum auffällige Raps ab.

An KRS-One wird sich wohl bis zum Ende seiner Tage nicht mehr viel ändern. Andere Exzentriker der HipHop-Szene, beispielsweise verkopfte Verschwörungstheoretiker, haben mit ihren Lyrics immer einen gewissen Unterhaltungswert, KRS' penetrante Dämlichkeiten (er nennt sie wohl Weisheiten) dagegen die unbezahlbare Eigenschaft, schnell hochgradig nervtötend zu werden. Mit den Beats von True Master hat er aus seiner Sicht dabei noch das Beste gemacht, denn ohne die miserabel konzipierten Skits (die das Kunststück fertig bringen, noch nerviger als die Lyrics in den Songs zu sein) hätte "Meta-Historical" durchaus ein insgesamt gelungenes Werk werden können. Aus Sicht von True Master bleibt die große Frage nach dem Wieso allerdings unbeantwortet - mit diesen Beats hätte er mehr anstellen können. 

5.1 / 10

Samstag, 16. Oktober 2010

All Natural - No Preservatives, No Additives


Release Date:
1998 / 09. Juli 2002

Label:
All Natural Inc.

Tracklist:
01. Fresh Air
02. Phantoms Of The Opera (Feat. Allstar The Fabulous)
03. This Is How It Should B Done
04. It's O.K.
05. Take It 2 'Em
06. Portals Of Sound (Feat. Spotlite)
07. Start The Revolution
08. Prime Suspect
09. Underground And Independent
10. No Nonsense (Feat. Allstar The Fabulous)
11. MC Avenger
12. Sound Of The Fury (Feat. Allstar The Fabulous)
13. Thinkin' Cap
14. Fresh Communication (Feat. Allstar The Fabulous)
15. Time Piece (Feat. Discover)
16. 50 Years

Review:
Die Gründungsgeschichte dieses inzwischen weithin bekannten Duos reicht zurück in die berüchtige Southside von Chicago, ins Jahr 1985. Dort treffen sich die später als Tone B. Nimble und capital D bekannten Schüler und entdecken ihre gemeinsame Liebe zum DJing. Diese Kunstform perfektioniert Tone über die Jahre, während Cap sich mehr dem Emceeing zuwendet. Es ist dann ein kurzes und ertragloses Zwischenspiel bei Wild Pitch (bis zu deren Schließung), das den Entschluss zur Eigenständigkeit fördert, aus dem 1997 die erste selbst veröffentlichte Single und ein Jahr später das Debütalbum von All Natural resultieren, das 2002 ein Re-Release mit einer lohnenden Überarbeitung erhält.


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Das knapp 100 Seiten starke "Fresh Air"-Büchlein gibt es zwar nicht mehr, dafür wurden vom 15 Tracks umfassenden Debüt drei Tracks ("Niggas B Lyin'", "Writers Block" und "Cashin' The Checks") getilgt und durch vier bis dato unveröffentlichte ersetzt. Jegliche Bedenken hinsichtlich dieser Veränderungen sind nicht weiter begründet, denn All Nat verstehen es, den Geist ihres Debüts nicht durch Umstrukturierung zu schänden, vielmehr erstrahlt die Re-Release-Version in noch stärkerer Form. Die Rollenverteilung bei All Natural läuft etwas unkonventionell und nicht gleich gewichtet ab: capital D dominiert nicht nur am Mic, sondern auch an den Boards und zeichnet für ganze acht Beats verantwortlich. Für den Rest kommen Namen wie Andy C, Panik und No I.D. zusammen, während Tone neben seiner Arbeit als DJ nur ein Instrumental beisteuert. Dieses Markenzeichen der Gruppe funktioniert bestens und erlaubt einen Sound, der die düstere Conscious-Schiene der Windy City mitdefiniert. Die bisherigen Erfahrungen im Game prägen auch ganz offen Cap's lyrische Ergüsse, die meist mit Stolz auf die Unabhängigkeit und die Treue zur eigenen Sache hinweisen. Albumtitel und Crewname sagen im Prinzip schon alles: Ausübung reiner Emcee-Kunst in unveränderter, unmodifizierter Form, unbeeinflusst von anrüchiger Label-Politik und Mainstream-Sellout ist die heilige Maxime, welche von den Bewahrern All Nat gegen massenweise Fakes verteidigt werden muss. Cap's markanter Stil zeichnet sich durch einen tief-monotonen Flow und eine belegte Stimme aus, die beizeiten Erinnerungen an Prodigy weckt. Unterstützung erhält er dabei fast ausschließlich von Allstar The Fabulous und Spotlite, Mitglieder des Family Tree und zusammen bekannt als Daily Plannet. Die Instrumentals orientieren sich klar am Osten und reichen von dichten Streicher-Arrangements bin hin zu sehr schlichten Konstrukten, denen man den Neunziger-Charakter noch deutlich anhört. In diese Kategorie fällt der Opener "Fresh Air". Dem gegenüber stehen smoothe Werke wie "This Is How It Should B Done" - ebenfalls in feinster Ausführung und natürlich als Lehrstunde an alle Halb- und Unfähigen gedacht. Leider sind Tracks wie "Fresh Communication" und "No Nonsense" etwas zu trocken, um auf Dauer zu bestehen, ausgeglichen wird das jedoch durch zahlreiche unbezahlbar gute Juwelen. "Start The Revolution" ist ein perfekt eingesetztes Sample-Instrumental, dessen Streicher grandios Spannung für das mordsmäßig scharfe "Prime Suspect" aufbauen, eine Großtat aus der Hand von Panik, der auch noch den entspannten Aufruf gegen HipHop-Klischees ("It's O.K.") zu verantworten hat. G(Riot) hat seinen großen Moment mit tanzenden Streichern in "Sound Of The Fury", No I.D. schraubt das Tempo für "Thinkin' Cap" auf Minimalniveau und Tone kann pompös dröhnende Hörner in "Undergorund And Independent" verbuchen. Nachdem auch Andy C für "Take It 2 'Em" lobend erwähnt wurde, bleibt nur noch der Verweis auf das Meister- und Herzstück der LP: "50 Years" ist nicht weniger als Perfektion, egal ob in Form von Cap's wunderschönem Instrumental, Tone's sehr dezenten Scratches oder den Raps, die einen Rückblick aus der Zukunft unternehmen - wen die Atmosphäre dieses Songs nicht einfängt, dem ist nicht zu helfen.


 Weder die originale noch die 2002er Version war als Album perfekt und immer auf Höchstniveau. Doch das stört nicht, denn selbst die sehr wenigen mittelmäßigen Tracks treten selbstlos in den Hintergrund, stoßen dem Hörer nie auf und geben den Ring frei für die teils überragende Arbeit, die All Natural hier geleistet haben. Diesem Umstand ist es zu verdanken, dass sich die LP problemlos von vorne bis hinten durchhören lässt und man als Hörer mit zahlreichen als großartig abgespeicherten Songs von dannen zieht. "No Additives, No Preservatives" kommt seinem Albumtitel vollstens nach und sollte demnach für keinen Rap-Konsumenten eine falsche Entscheidung sein.

8.0 / 10

Heltah Skeltah - Magnum Force


Release Date:
13. Oktober 1998

Label:
Duck Down Records / Priority Records

Tracklist:
01. Worldwide (Rock The World)
02. Call Of The Wild (Feat. The Representativz, Starang Wondah, Hardcore & Doc Holiday)
03. Gunz 'N Onez (Iz U Wit Me) (Feat. Method Man)
04. Perfect Jab (Feat. Supreme)
05. Call Tyrone (Skit)
06. Chicka Woo (Feat. Mike Stewart)
07. I Ain't Havin' That (Feat. Starang Wondah & Doc Holiday)
08. 2 Keys (Skit)
09. Brownsville II Long Beach (Feat. Tha Dogg Pound)
10. 2 Keys II (Skit)
11. Magnum Force (Feat. Ruste Juxx & The Representativz)
12. 2 Keys III (Skit)
13. Sean Wigginz
14. Forget Me Knots
15. Black Fonzerelliz
16. Do The Knowledge [Skit]
17. MFC Lawz (Feat. Young Noble, Storm, Napoleon & Doc Holiday)
18. Hold Your Head Up (Feat. Anthony Hamilton)
19. Gang's All Here (Feat. Thunderfoot, Illa Noyz, Boot Camp Clik, Doc Holiday, The Representativz & Ruste Juxx)

Review:
Nach der ersten Generation von Alben, vier an der Zahl, genoss die Boot Camp Clik starken Aufwind. Viermal von der Szene positive Resonanz zu erhalten ist selbst in den Neunzigern keine Selbstverständlichkeit. Das schraubte die Erwartungen natürlich nach oben und machte die Enttäuschung, die das Gruppenalbum "For The People" darstellte, umso größer. Danach müssen sich Rock und Ruck alias Heltah Skeltah ihrer eigenen Herkulesaufgabe stellen - einem Nachfolger für ihr gefeiertes "Nocturnal" mit dem so persönlichen Sound. Gute zwei Jahre lassen sie sich Zeit und folgen dem Zweitling der Cocoa Brovaz mit "Magnum Force".

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Wie schon bei "For The People" ergeben sich die ersten Zweifel an diesem Machwerk aufgrund des Fehlens der Beatminerz, der Erfolgsgaranten der ersten Genretaion der BCC-Alben. Wer den Wunsch nach Weiterentwicklung akzeptiert, der wird des Weiteren herausfinden, was genau der Albumtitel meint. Die M.F.C., die Magnum Force Clik, ist ein nach dem Bauplan der BCC aufgebautes Emcee-Kollektiv mit großteils (bis heute) unbekannten Künstlern, die hier der Welt erstmals ausführlich vorgestellt werden sollen. Wieso sich Rock und Ruck schon auf ihrem zweiten Album zu diesem Schritt genötigt sehen, bleibt ihre Sache, als Resultat laufen einem auf "Magnum Force" nicht gerade wenige Gäste über den Weg, zumal der inzwischen eingetretene Ruhm zusätzlich noch in einigen namhaften Features resultiert. Wie schon zu erwarten muss man sich von den Basement-Sounds der Beatminerz des ersten Albums verabschieden, um sich auf eine neue Marschrichtung einzulassen, die ebenfalls nicht verkehrt ist: Self produziert "Worldwide" und stellt damit einen sehr angenehmen Übergang vom alten ins neue Album sicher - simple, altbewährte Snares begrüßen den Hörer neben einem Eastcoast-typischen Streicher-Aufgebot und öffnen den Vorhang für einen düsteren Track, in dem sich Stimmungetüm Rock ebenso wohlfühlt wie der lyrisch eine Nasenlänge vorne liegende Ruck ("I should treat you like a Kennedy and snipe ya / Remember me, that nigga Tall Sean, I never liked ya"). Und so hagelt es auch auf dem zweiten Album saftige Battle-Raps, mit deren humorvollem Unterton selbst die jüngeren Sean-Price-Fans bestens vertraut sein sollten. Von dieser Sorte Tracks folgen noch einige weitere auf der LP, es finden sich aber leider auch andere. R'n'B-Crossover, die man einem als Hardcore beschrifteten Duo wie Heltah Skeltah nie zutrauen würde, deuten darauf hin, dass man auf die kommerzielle Performance der LP großen Wert legte (wie sich herausstellen sollte, ohne Erfolg). "Chika Woo" ist nicht übermäßig schlecht, aber ein Fremdkörper, was auch für "Black Fonzerelliz" gilt. Ein ebenfalls unerwartetes, aber wohl auch dem Erreichen eines größeren Publikums geschuldetes Element ist die Einbindung von Westcoast-Künstlern, einmal im recht unspektakulären "Brownsville II Long Beach" sowie in "MFC Lawz", das mit seinem düsteren Afubau wesentlich besser funktioniert. Ein trotzdem weitaus trefflicher ins Bild passender Gast ist Method Man, der sich auf "Gunz 'N Onez" (mit herrlichem Chorus von Rock) sichtlich wohlfühlt. Die Gastgeber bleiben jedoch zu jedem Zeitpunkt auch die Hausherren, was Rock einmal mehr weniger mit lyrischer Finesse als mit (vor allem stimmlicher) Authorität bewerkstelligt. Ganz am Rande wird mit der "2 Keys"-Skit-Reihe noch eine halbwegs lustige Story mit Sean P integriert. Nun aber zu den Glanzmomenten der Scheibe: "I Ain't Havin' That" nimmt sich als Lead-Single ATCQ's "Hot Sex" vor und verwurstet es zu einem abgebrühten Banger, auf dem auch die Gäste Höchstleistung abliefern (und Starang eine Zeile für den Zwischenfall bei den D&D-Studios übrig hat), "Sean Wigginz" ist ein kurzes und starkes Zwischensolo von Mr. Price, "Call Of The Wild" dagegen stellt erstmals die M.F.C. vor, unter denen vor allem Doc Holiday und eine hungrige Hardcore hervorstechen. Im Schlussteil setzt man noch einen Fuß ins R'n'B-Näpfchen, was an der Seite von Anthony Hamilton allerdings erstaunlich gut gelingt, während es am abschließenden, monströsen, neunminütigen Posse-Track "Gang's All Here" nicht das Geringste (nicht einmal die Länge) auszusetzen gibt.

Die Abkehr von den Beatminerz ist zwar in gewisser Weise schade, sie hätte dieses Album aber nicht davon abgehalten, mindestens genauso gut zu sein wie das Debüt. Die verpflichteten Producer hätten, wenn sie denn gewollt hätten, genau den richtigen Sound bereitstellen können. Leider war das wohl nicht durchwegs die Vorgabe, da die Mainstream-orientierten Elemente sehr geplant eingebaut wirken. Dass es andere gibt, die jene Disziplin besser meistern als Heltah Skeltah, ist ein Fakt, den dieses Album anschaulich untermauert. Wären Rock und Ruck bei ihren Leisten geblieben, man hätte ein weiteres Top-Album hinlegen und damit alle Kritiker zum Schweigen bringen können. Vielleicht wäre es dann auch nicht zur Trennung gekommen. Doch selbst die Rückkehr aus dem Konjunktiv führt nicht daran vorbei, dass "Magnum Force" zwar seine Schönheitsfehler hat, jedoch trotzdem eine vollauf gute Scheibe ist.

7.4 / 10

Q-Unique - Between Heaven & Hell


Release Date:
07. September 2010

Label:
Fat Beats Records

Tracklist:
01. Paradise & The Abyss (Intro)
02. Listening Problem
03. Crack Era
04. Mr. Lopez
05. Green Grass
06. Between Heaven & Hell Prologue
07. Just Because (Feat. Cashis & Realm Reality)
08. Man Of God
09. Questions (Feat. D-Stroy & Freestyle)
10. On My Block (Feat. D-Stroy)
11. Conspiracy Theory (Feat. Freestyle & D-Stroy)
12. Gutta Talk (Feat. Jise)
13. Dead Roses
14. Heaven & Hell (Feat. Psycho Realm)
15. Dark Knight (Feat. Ill Bill & Jise)
16. BK, BX, BK
17. The Brute Squad (Feat. Mr. Hyde & Ching Rock)
18. No Turning Back (Feat. Slaine & Jise)

Review:
Vielen wird es nicht aufgefallen sein, doch ganz im Stillen hat sich Q-Unique's Zweitling zu einem der meistverschobensten Alben der letzten Jahre gemausert. Das erklärt auch, wieso sich die Begeisterungsstürme nach zwei Jahren Verschiebungen in Grenzen halten. Ursprünglich hätte Psycho+Logical-Records die Rolle des Labels übernehmen sollen, letztendlich ist Anthony Quiles dann aber bei Fat Beats gelandet, was kein so schlechter Move gewesen sein kann, schließlich findet "Between Heaven & Hell" endlich seinen Weg in die Läden.

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Was hat sich seit dem Debütalbum geändert? Laut wenig überraschender Eigenaussage ist Q-Unique etwas erwachsener gewordenen, die wilden Battle-Raps sind nicht mehr so präsent. Dafür nehmen die eigenen Producer-Aktivitäten einen wesentlich größeren Platz ein, etwas weniger als die Hälfte der Tracks wird in Eigenregie zusammengebastelt. Alle Arsonists-Fans werden sich des Weiteren über ausgiebige Feature-Präsenz selbiger Truppe freuen. Und auch sonst scheint auf den ersten Blick alles recht harmonisch und durchgeplant zuzugehen - genügend Zeit dazu hatte Q-Unique ja. Doch nicht nur auf dem Papier, auch in der Realität darf man ihm zur Wahl eines stattlichen Beat-Teppichs gratulieren, der gleichermaßem Street-lastige Brecher als auch ruhigere, dem älteren Q-Unique genügende Instrumentals zutage fördert. Dabei fällt es im ersten Moment schwer zu sagen, wieso genau das Auftreten dieser LP gefällt. Vielleicht liegt es daran, dass sie kompakt gehalten ist und dabei vor allem davon absieht, sich die vielen mittelmäßigen Tracks zu leisten, die in letzter Zeit auf so vielen Alben regieren. Nicht zuletzt wäre da aber natürlich noch Q-Unique selbst, dessen Präsenz am Mic, dessen schneidende Stimme und markantes Auftreten ebenfalls ihren Teil in die Waagschale werfen. "I ain't gon' waste your time with punchlines right now", sagt er zu Beginn des Al'Tarba-Brechers "Listening Problem", um dann fortzufahren: "I look at life through a window covered with dirt / Crack down the middle cover with blood on my shirt / I'm tired of thinking about what shouldn't and what should / Lookin up at god in heaven like 'What's good?'" Beanstandungsloses, feines Storytelling gibt es kurz darauf, wenn Unique die letzten Minuten und den Tod von "Mr. Lopez" (einem Ladenbesitzer in Brooklyn) umreißt. Vor allem hier wird demonstriert, dass Q - wenngleich er nicht die ganz großen Momente verbucht - als Hauptproduzent durchaus grechtfertigt ist. Auch Quincey Tones trägt einige behaltenswerte Momente bei, so etwa "Just Because", das mit zartem Streichergewand und Pitchvoice bestückt ist. "Conspiracy Theory" geht ebenfalls auf Quincy's Kappe, inhaltlich gibt es jedoch absolut nichts Neues - nicht, wenn man die Logik beiseite räumt und schon gar nicht, wenn man sich dem Song kritisch nähert ("You call it conspiracy theory, I call it truth"). Doch die Highlights sind sowieso anderswo zu suchen: "On My Block" ist ein feuriger Zustandsbericht über die Ghetto-Jugend, der "Between Heaven & Hell Prologue" ist ein für Necro erstaunlich langsames (aber ohne Frage starkes) Stück, das gekonnt Ruhe ins Album bringt, und "Man Of God" entpuppt sich als Abrechnung mit dem Kindsmissbrauch in der katholischen Kirche. Außerdem findet sich der obligatorische Track für die Weed-Freunde ("Green Grass"), während die Scheibe gegen Ende nochmal deutlich stürmischer wird und vor allem in "The Brute Squad" einen schönen Kracher abwirft.

Q-Unique darf zufrieden sein: Er bestätigt mit starker Leistung seine Relevanz als Emcee, er beweist ein Ohr für gute Beats, unterstreicht zudem seine eigenen Fähigkeiten an den Boards und schafft es darüber hinaus, das Ganze in ein gutes Album zu verpacken. Damit sei nicht gesagt, dass dieser Longplayer nicht seine Schönheitsfehler hätte - sie werden lediglich durch einen guten Gesamteindruck kaschiert. Denn letzten Endes ist "Between Heaven & Hell" nicht wirklich herausragend, aber es landet doch zielsicher im guten Bereich - mehr, als man von vielen anderen Scheiben dieser Zeit behaupten könnte.

6.7 / 10