Sonntag, 15. August 2010

The Roots - How I Got Over


Release Date:
22. Juni 2010

Label:
Def Jam Recordings

Tracklist:
01. A Peace Of Light (Feat. Amber Coffman, Angel Deradoorian & Haley Dekle)
02. Walk Alone (Feat. Truck North, P.O.R.N. & Dice Raw)
03. Dear God 2.0 (Feat. Monsters Of Folk)
04. Radio Daze (Feat. Blu, P.O.R.N. & Dice Raw)
05. Now Or Never (Feat. Phonte & Dice Raw)
06. How I Got Over (Feat. Dice Raw)
07. DillaTUDE: The Flight Of Titus
08. The Day (Feat. Blu, Phonte & Patty Crash)
09. Right On (Feat. Joanna Newsom & STS)
10. Doin' It Again
11. The Fire (Feat. John Legend)
12. Tunnel Vision
13. Web 20/20 (Feat. Peedi Peedi & Truck North)
14. Hustla (Feat. STS) (Bonus Track)

Review:
Es grenzt schon nahezu an eine Tradition, dass alle zwei Jahre ein neues Album der Roots erscheint. Und alle zwei Jahre sind die Erwartungen erneut immens, nur damit die Roots immer wieder erneut unter Beweis stellen, wie gut sie sind. So soll es auch mit "How I Got Over" sein, dem nunmehr neunten Studioalbum der Gruppe aus Philadelphia mit den zwei Kernmitgliedern Black Thought und ?uestlove, um die der Rest in stets variierender Besetzung rotiert. "How I Got Over" ist das dritte Album, das die Roots unter der Flagge von Def Jam veröffentlichen und zudem das erste, das seit ihrem jüngsten Job als Band in Jimmy Fallon's Late-Night-Show erscheint.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Trotz des fast einzigartigen, universell als hochwertig eingestuften bisherigen, achtteiligen Opus fand sich "Rising Down" auch mit kritischeren Stimmen konfrontiert, die den Roots-typischen Sound, das Organische, vermissten. Doch selbst wenn die mit Gästen ähnlich dicht besetzte Tracklist es vermuten lässt, wendet sich "How I Got Over" in eine andere Richtung. Genau genommen tut es das sogar - gemäß seinem Konzept - im Verlaufe des Albums: weg von der melancholischen Anfangsstimmung, hin zu einem fröhlichen, offenherzigen Grundton. Bei 14 Tracks mit drei Interludes und einer Gesamtspielzeit von 42 Minuten setzen die Roots diesmal auf eine kürzere Spielzeit (da sie laut ?uestlove schneller zur Sache kommen), liegen damit aber genau richtig. Trotz der vielen Gäste legen genau die zwei, die dafür auch verantwortlich sein sollten, die Fundierung für die LP: ?uestlove ist einmal mehr der überragende Schlagzeuger, dessen Präsenz so gut wie in jedem Song mitschwingt und der außerdem fast die ganze Scheibe produziert, Black Thought dagegen legt eine durchgehend starke Rap-Leistung aufs Parkett und denkt nicht daran, sein Zepter einmal aus der Hand zu geben. Nach dem sehr soften Intro "A Peace Of Light" folgt gleich eine erste Vorstellung, wie dieses Album funktioniert: "Walk Alone" führt das erste von vielen gefühlvollen Instrumentals (hier mit Klavier illustriert) ins Feld und läutet die ernste erste Hälfte ein. Mit Truck North, P.O.R.N. (der auf diesem Song wie ein CuDi-Klon klingt) und Dice Raw (dessen überraschend starker Gesang die ersten Tracks der LP prägt) grüßen gleich drei Mitglieder des Roots-Umfelds, dem Black Thought ohne jeden Zweifel vorsteht. Dass durch die hohe Zahl der Gäste die Titelaussage etwas untergraben wird, stört nicht weiter. Mit Phonte und Blu wird der Satz an respektierten, realen Emcees abgedeckt, beide stellen sich dann auch als gute Wahl heraus. Besonders Kritikerliebling Blu passt perfekt ins Szenario von "Radio Daze", dem ?uestlove seine ganz unverkennbare Note aufsetzt. Ebenfalls zum grandiosen ersten Sinnesabschnitt der LP zählt "Now Or Never", auf dem sich Dice Raw (neben seiner bis dato dritten Hook) zu einem Verse hinreißen lässt, und natürlich "Dear God 2.0", das ganz im Stile von "The Seed" den Song eines anderen Interpreten - diesmal der Supergruppe Monster Of Folk - in eine Roots'sche Fassung setzt. Zwar muss dabei das Harfenspiel etwas kürzer treten, Black Thought's u.a. gesellschaftskritische Lyrics sind dafür erste Sahne:

"Who does the blind lead? Show me a sign please
If everything is made in China, are we Chinese?
And why do haters separate us like we Siamese?
Technology turning the planet into zombies
[...]
Yeah, it's still me, one of your biggest fans
I get off work, right back to work again
I probably need to go ahead and have my head examed
Look at how they got me on the Def Jam payment plan
"

Der Titeltrack schließlich bringt die Wende: "How I Got Over" ist trotz direkter Kritik gesellschaftlicher Werte ein Gute-Laune-Song, wie man ihn besser nicht hätte fertigen können, für den sogar Black Thought in leichten Singsang verfällt. In diesem Fahrtwasser liegen auch die nächsten Songs, die vermehrt den Hang der Roots zur Aufbereitung bereits existierender Songs aufzeigen: "Doin' It Again" bedient sich bei John Legend's "Again" für ein begeisterndes Werk (ganz ohne Gäste), "Right On" gibt Joanna Newsom's "Book Of Right-On" den bestmöglichen Neuanstrich. Als Vorgeschmack auf das gemeinsame Album sowie als weitere Kompatibilitätsdemonstration gibt John Legend den Chorus für die Motivationshymne "The Fire", die aus dem Muster der restlichen Drumlines ausbricht, jedoch nicht weit genug, um nicht ins Album zu passen. Diesen Vorwurf darf man schon eher dem nach "Tunnel Vision" einrollenden Schlussteil machen: Wo "Web 20/20" als unbeschwertes Reihum-Spitten mit unkonventioneller Produktion noch seinen Reiz hat, zieht das etwas träge, mittelmäßige "Hustla" das Niveau doch etwas hinab.

Ist es einem so hochwertigen Act wie den Roots überhaupt noch möglich, positiv zu überraschen? Ganz offensichtlich: ja. Ihr neustes Werk ist weitaus zugänglicher als etwa "Rising Down", weswegen es jedoch kein Bisschen seiner Langlebigkeit einbüßt. Ganz im Gegenteil, die Roots liefern hiermit eines der geschlossensten Alben ihrer Karriere ab, einen Longplayer, an dem es kaum etwas zu bemängeln gäbe, wäre da nicht der letzte Track, der nicht einmal in seiner Funktion als Bonus Sinn macht. Der Rest allerdings ist HipHop in einer Form, die so rein ist wie nur bei wenigen anderen Künstlern. Genau deshalb muss es Leute wie The Roots geben, genau deshalb wird "How I Got Over" zu den besten Veröffentlichungen des Jahres zählen und anzunehmenderweise bei jedem, der sich auch nur ansatzweise mit HipHop identifiziert, Anklang finden.

7.6 / 10

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