Donnerstag, 26. August 2010

Sticky Fingaz - Decade (...But Wait It Gets Worse)


Release Date:
29. April 2003

Label:
D3 Entertainment

Tracklist:
01. Intro
02. Let's Do It (Feat. X1. Columbo The Shining Star)
03. What Chu Here for (Feat. Omar Epps, Detroit Diamnd & Rio)
04. Can't Call It
05. Hot Now
06. I Love Da Streets (Feat. Omar Epps)
07. Bad Guy (Feat. Quan)
08. Shot Up
09. Girl
10. Caught In Da Game
11. No More
12. Do Da Daw Thing (Feat. E.S.T. & X1)
13. Another Niguh
14. I Don't Know (Feat. Fredro Starr)
15. Suicide Letter
16. Just Like Us (Feat. Genovese & X1)
17. Get Smashed Up (Feat. Lex & Thirty & Seven O.D.)

Review:
Wir befinden uns im Jahr 2003: Zehn Jahre sind vergangen, seit eine gewisse Schreihalsgruppe namens Onyx die Rap-Bühne im Sturm nahm. Seither hat sich einiges verändert: Nach den drei ersten, von der Szene durchgehend gut aufgenommenen Alben scheint die Truppe für den Sprung ins neue Millenium zu wenig Anlauf genommen zu haben. Nachdem das erste Soloalbum von Sticky Fingaz noch gut gelingt, erfolgt mit "Bacdafucup Pt. II" bei Fans und Kritikern der totale Einbruch. Der inzwischen als Schauspieler erfolgreiche Sticky findet sich, nachdem er zuerst bei Universal unter Vertrag war, auf dem kleinen D3 Entertainment wieder, wo er, zehn Jahre nach "Bacdafucup", seinen Zweitling veröffentlicht, der gleich eine Ankündigung enthält: "Decade (...But Wait It Gets Worse)".

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"Worse"? Die einzig nichtironische (schlussendlich ist es wohl eine für Sticky schmerzhafte Ironie mit doppeltem Boden) positive Art, diese Ankündigung aufzufassen, sieht "worse" als Andeutung auf einen noch roheren Stil, als man ihn von Onyx' Glanzzeiten kennt. Wer solch törichten Hoffnungen Platz einräumt, ist selbst schuld. Da hier - im Gegensatz zu "Black Trash" - ein Albumkonzept fehlt, sind Zweifel nicht nur gerechtfertigt, sondern angebracht. Für seine Beats kann Sticky einerseits Scott Storch gewinnen, setzt andererseits aber auch gänzlich unbekannte Namen wie S-Man oder DSP in tragende Rollen. Letztendlich sind die Namen allerdings egal, das Ergebnis ist ein einheitlicher Soundteppich, der den Onyx-Fan in tiefe Ratlosigkeit stürzt. Mit Eastcoast-Flavor hat das nichts mehr zu tun, irgendwo zwischen poppiger Geschmeidigkeit und Electro-beeinflusster Eigenart wabern, humpeln und rollen diese Instrumentals. Alles beginnt im schwer verstörenden "Intro", in dem ein nervlich instabiler Sticky Fingaz zuerst einen Shoutout an JMJ gibt, um seinen Monolog dann zwischen idiotischer Selbstmotivation und besessener Raserei pendeln zu lassen. Das folgende Material entspricht zwar nie den Wünschen eines Onyx-Fans, doch verwertbar sind dann glücklicherweise doch einige Songs; als Beispiel sei "I Love Da Streets" genannt, eine relaxt-sommerliche Ode an den Asphalt in Sticky's Hood. Dem gegenüber stehen Tracks wie das unausstehliche "Can't Call It", das mit orientalischem Gewand klaren Mainstreamappeal vertritt, ohne dabei zu Sticky zu passen oder die verzweifelten Rufe nach Radio-Airplay originell zu kaschieren. Es sei nicht ausgeschlossen, dass Sticky auch mit solchen Songs Erfolg haben mag, doch nicht mit dieser laschen Umsetzung. Seine Gäste sind ihm da auch keine große Hilfe: Während Omar Epps mit erstaunlich ansehnlichen Rhymes überrascht, bleibt Sticky's Bruder X1 eher blass. Selbst Quan's starke Hook für das mittelmäßige "Bad Guy" ändert nichts am total verhauenen Start dieser Scheibe: Nahezu alle Aussetzer konzentrieren sich eingangs und drängen den Hörer zur frühen Aufgabe: Das stimmverzerrte "Let's Do It" schlägt ebenso auf den Magen wie das mit grauenhaftem Chorus beglückte "What Chu Here For". Selbst wenn es in "Shot Up" etwas härter zugehen soll, kann man als Hörer nur gähnen. Thematisch hat die LP leider kein großes Kino á la "Black Trash" zu bieten, der übliche Street-Talk regiert und fleht darum, von guten Beats begleitet zu werden. Im zweiten Teil wird dieses Gesuch teilweise erhört: "Caught In Da Game" klappt mit simplem Gitarreneinsatz, "Another Niguh" mit ideenreichem, elektronischem Tonkonzert. Nach dem übertrieben kitschigen, aber eingängigen "I Don't Know" (mit Kinderchor) geht es in die fulminante Schlussrunde: Sticky's "Suicide Letter" walzt mit düsterem Instrumental und hörenswerten Raps daher und hat mit "Just Like Us" ein weiteres starkes und wütendes Stück im Nacken, das den beschriebenen, harten Straßenalltag glaubhaft inszeniert. Der Vorhang fällt mit "Get Smashed Up", einem kick- und basslastigen In-your-face-Track, der zwar platt, aber effektiv ist.

Auch als Solokünstler ereilt Sticky Fingaz hiermit ein schmerzhafter Sturz in ungeliebte Wertungsbereiche. Doch mit einer derart miserablen Beat-Auswahl sollte man sich nicht wundern. Während die ähnlich (doch qualitativ höher) gestreute Auswahl auf "Black Trash" noch dem Konzept in bester Weise diente, lässt sich ein hiesiges Albumkonzept höchstens als misslungener Spagat zwischen hartem Street- und rückgratlosem Mainstream-Appeal bezeichnen. "Decade" wäre Sticky's Chance gewesen, zu zeigen, dass er es doch noch kann, zu zeigen, dass er den Bogen zu seinen zehn Jahren früher gesetzten ersten Schritten schlagen kann. Stattdessen hat man es mit einem vergessenswerten Album zu tun, bei dem die schlechten Track sogar überwiegen.

4.2 / 10

Army Of The Pharaohs - Ritual Of Battle


Release Date:
25. September 2007

Label:
Babygrande Records

Tracklist:
01. Swords Drawn
02. Time To Rock
03. Dump The Clip
04. Black Christmas
05. Blue Steel
06. Gun Ballad
07. Strike Back
08. Frontline
09. Through Blood By Thunder
10. Murda Murda
11. Bloody Tears
12. Seven
13. Drama Theme
14. Pages In Blood
15. D And D
16. Don't Cry

Review:
2006 war es endlich Zeit für die Army Of The Pharaohs, ins Rampenlicht zu treten. Die schon lange existente Truppe landete mit "The Torture Papers" einen überraschend großen Erfolg und fand nicht nur bei Fans von Hardcore-Rap Anklang. Dass an einen solchen Erfolg schnellstmöglich angeknüpft werden will, versteht sich von selbst, weswegen Babygrande eineinhalb Jahre nach dem ersten auch schon das zweite Album nachschiebt. In der Zwischenzeit hat die Armee an Schlagkraft gewonnen und führt einige neue Namen (Demoz, Doap Nixon, King Magnetic) im Aufgebot, die alten Größen sind (ausgenommen Apathy) nach wie vor mit von der Partie.

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Sonst hat sich nicht viel geändert - da spricht das Cover eine eindeutige Sprache. Martialische Battle-Raps über zeitgemäßen BoomBap, das war und ist die Grundessenz dieser "Supergruppe", die auch hier wieder umgesetzt wird. Für die Umsetzung eines Sounds, der nicht zu überholt klingt, waren erneut eine ganze Reihe an mehr oder weniger bekannten Producern verantwortlich: Celph Titled und Esoteric treten selbst einige Male hinter die Regler, des Weiteren sind das Gespann Ill Bill/ Sicknature sowie beispielsweise Aktone oder DJ Kwestion mit an Bord. Namen sind bei diesem Album jedoch vollkommen egal, der Sound ist aus einem Guss und vornehmlich der gelungenen Beat-Auswahl zuzuschreiben. Der sich eingangs aufdrängenden Frage, ob man dem fulminanten Opener auf "The Torture Papers" (Shuko's "Battle Cry") gerecht werden kann, antworten AOTP mit "Swords Drawn": Dieselbe Wucht ist es zwar nicht, doch das richtige Feeling ist sofort da, präsentiert von sechs der Pharaonen. Spätestens mit dem Eingliedern unbekannter Neulinge ist es unerlässlich, das Qualitätsgefälle in der aufgestockten AOTP zu erwähnen: Wo ein Chief Kamachi mit den ersten Worten schon mächtig ausholt und Celph Titled abschließend die Nägel in die Särge hunderter verbal dahingemetzelter Gegner hämmert, scheint es, als bliebe einem Demoz dazwischen ein wenig die Spucke weg. Dieser kleine Schönheitsfehler ändert nichts daran, dass sich im "Ritual Of Battle" einige Brecher versammelt haben, zu denen das rumpelnde "Gun Ballad" ebenso zählt wie das ruhigere, mit Nas-Voicecut bestückte "Strike Back", in dem Kwestion mit leicht zugänglichem Piano-Loop auch die zweite Reihe der Army in ein gutes Licht rückt. Ein kleiner Malus kommt bei der Aufteilung der Mic-Zeiten auf: Während Papa-Pharaoh Vinnie Paz nur auf vier Tracks abwesend ist, kommen die anderen Graurücken (Esoteric, Reef, Celph Titled und Chief) mit drei, zwei und zweimal sechs Auftritten deutlich zu kurz, während der wieder im Freundeskreis aufgenommene Jus Allah dreimal beweist, dass er zwar ordentlich wütend ist, dabei aber sein Rap-Talent vergessen (und gegen stupide Aufzähl-Rhymes ausgetauscht) zu haben scheint - die Geburt des in der Szene in der Folgezeit mit so viel Spott überschütteten neuen Stils des JMT-Mitglieds. Abgesehen vom pechschwarzen "Through Blood By Thunder" ist er jedoch sowieso nicht in den Highlights zu hören. An dieser Stelle etwa ist die Trompetengranate "Dump The Clip" zu nennen, in dem alle drei Emcees, aber vor allem Celph Titled ("I can't see y'all from where I'm at / I like the smell of napalm in the morning while I'm eating my applejacks") heißlaufen, oder aber "Frontline", das eine monumentale Hörnerwand auftürmt. Von ihrer allerbesten Seite zeigt sich die Army in "Seven": sieben Emcees, sechs Minuten, genialer Beat, keine Hook - was will man mehr? Mehr gibt es nämlich auch nicht, dafür aber noch einige weniger glorreiche Momente: "Pages In Blood" ist ein hassenswertes, missratenes Metal-Crossover, "Murda Murda" stinkt mit primitiver Hook gegen den Wind und ein Track wie "D And D" schafft es nicht, sich im begrenzten Aufnahmespeicher des Hörers zu halten. Einen letzten Glanzmoment setzt es in "Don't Cry", das sich als unerwartet melancholischer und ruhiger Abschied entpuppt.

Was also kann man von dieser Scheibe mitnehmen? Wie schon auf "The Torture Papers" vorgeführt, bleibt die AOTP als Gruppe auch hiermit ein Hörerlebnis, das sich einerseits nicht als JMT-Plagiat bezeichnen lassen muss und das außerdem definierend für eine ganze Sparte im HipHop wirkt. Die Pharaonen repräsentieren simplen, aber effektiven Hardcore-Battle-Rap mit klassischen, ostküstlichen Wertevorstellungen. Dass "Ritual Of Battle" dabei kein Meisterwerk ist, stört nicht groß. Zwar sind einige der Tracks voll und ganz vergessenswert, die gesunde Zahl der Bomben entschädigt allerdings vollstens und sorgt für den positiven Eindruck, den die LP hinterlässt.

7.3 / 10

Dyme Def - Sex Tape


Release Date:
01. Juni 2010

Label:
800 LB

Tracklist:
01. I Got You
02. Timeless
03. Do Something
04. All Night Long (Feat. Spaid)
05. First Time (Feat. Spaid)
06. Do It Better
07. Antedote
08. Rockin' The Boat
09. Wet Dreams (Feat. Spaid)
10. La Bamba
11. Wet Dreams (Skit)
12. Wet Dreams 2

Review:
Dyme Def traten erstmals 2007 vor ein größeres Publikum, als sie ihr Debütalbum "Space Music" unter weitgehend positiver Resonanz veröffentlichten. Das Trio konnte dank eigenen und Beats von Bean One auf guter Produktion aufbauen, auf denen sie mit ihren freshen Raps von Seattle aus einen kleinen Hype aufbauen konnten. Die Folgezeit überbrückten S.E.V., Fearce Villain und BrainStorm mit dem üblichen Füllmaterial: Mixtape und EP. 2010 gelingt ein Glückswurf: Man tut sich mit der Klamottenmarke T.I.T.S. (Two In The Shirt) zusammen, die parallel zum neuen Album eine kleine Kollektion veröffentlichen. Selbiges Album heißt nicht nur "Sex Tape", es hat auch das dringende Anliegen, dem Hörer das Titelthema ausführlichst darzulegen.

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Ein komplettes Album über die fleischliche Lust also. Neuland beschreiten Dyme Def damit keinesfalls, die Darstellung der unzähligen Spielvariationen der Sexpartien diversester Rapper wird im HipHop seit jeher ausführlich betrieben. Wenn man diesem Thema ein ganzes Album widmet, dann sollte etwas mehr Witz und Ideenreichtum dahinterstecken als beim lüsternen Fickbericht einiger zu reicher, sich selbst aufgeilender Rapper. Vielleicht sollte man zuvor noch den banalen Beweggrund, der überhaupt erst zu diesem Album geführt hat, unter die Lupe nehmen: Mit "Space Music" habe man der Welt gezeigt, dass man des Rappens macht ist, doch da man keinesfalls auf der Stelle treten wolle, wird nun Neuland beschritten. Eine geheiligte, vielversprechende Motivation steht also nicht hinter dem Seattle-Trio. Zumindest konnte neben Beats von BrainStorm selbst, Tryfe und Tha Bizness wieder Bean One gewonnen werden. An der Mittelmäßigkeit, mit der man auf dieser Scheibe übergossen wird, ändert das leider rein gar nichts. Denn wo "Space Music" noch seinen eigenen Stil und somit Charme hatte, sucht "Sex Tape" irgendwo zwischen aktuellen Trends seinen Weg zum Erfolg - ein bisschen Hipster hier, ein wenig Electro da. Nicht viel besser sieht es bei den Lyrics aus: Fast jeder einzelne Song handelt in plumper Art und Weise die männlichen Gelüste ab. Natürlich sind S.E.V., Fearce und BrainStorm dabei die drei Oberstecher, die höchstens mit dem Finger schnipsen müssen, um bei sämtlichen Frauen in näherer Umgebung die Körpersäfte zum Fließen zu bringen und sie zu bereitwilligen Bückstücken zu machen. Dabei liegt es sicherlich nicht im Sinne des Trios, das weibliche Geschlecht zu Sexobjekten zu degradieren, in anderer Rolle treten die Damen hier trotzdem nicht auf. Dass auf den Tracktitel "All Night Long" nicht schon lange die Todesstrafe steht, rächt sich einmal mehr in einem vergessenswerten Song. "Antedote" setzt Dyme Def als die potenten Tröster für alle Mädels in beschissenen Beziehungen in Szene, während "Do Something" über ein grottiges Drum-Unwetter nicht mehr als ein Brunftruf ist. Scharfsinnig wird durchschaut, wenn das Gegenüber die versauten Stellungen nicht zum ersten Mal ("First Time") in Angriff nimmt, "La Bamba" dagegen widmet sich in miserabelster Weise einem der Heiligtümer der pauschalisierten Raptexte - dem weiblichen Hinterteil. Der einzige Track, der wirklich aus der Reihe tanzt, ist "Timeless", ein smoother, großartig produzierter Kopfnicker, der zur Ausnahme die drei Jungs unter den Zauber ihrer Angebeteten stellt. Der große Rest ist meist anhörbar, hinterlässt aber keine Spuren, so auch die beiden "Wet Dreams", in denen Dyme Def ihren Fantasien noch einmal freien Lauf lassen können: "She love it when I'm in her, she say that I'm the man / She tell me 'Go deep!', I'm like 'Bitch, that was the plan!'"

Es ist nicht die grundsätzliche Thematik, die dieses Album schon von vornherein zugrunde richtet; es ist die wenig originelle Art und Weise, in der S.E.V., Fearce und BrainStorm sie aufbereiten. Da dieser Missstand vor allem dank vereinzelt auftretender lustiger Lines noch zu verkraften wäre, helfen die Produzenten fast durchgehend mit uninspirierter Arbeit nach - es scheint, als habe man in viele Richtungen geblickt, sich für keine entschieden und stattdessen von vielem ein Bisschen mitnehmen wollen, was zu einem Beat-Teppich führt, der nicht langlebig genug ist, um für mehrere Hörgänge zu halten. "Sex Tape" ist eine künstlerische Weiterentwicklung von Dyme Def, leider aber keine erfreuliche. Bleibt abzuwarten, was sie mit "Space Music 2" anstellen.

3.6 / 10

Killah Priest - The 3 Day Theory


Release Date:
27. Juli 2010

Label:
Man Bites Dog Records

Tracklist:
01. Look At Life
02. Shadows
03. Betrayal (Feat. Cappadonna)
04. Brolic (Feat. Empuls)
05. Priest History
06. Fire Reign (Feat. Copywrite & Jakki Tha Motamouth)
07. The Destroyer (Feat. Steven King, iCON The Mic King, Sonny Seeza & Empuls)
08. Birds (Feat. Jay Notes & Redd Mudd)
09. Democracy (Feat. Canibus)
10. Outer Body Experience
11. Psalm of Satan (Feat. Sabac Red & Ill Bill)
12. The Rose
13. Circles (Feat. The Last Emperor & 2Mex)
14. Words From A Viking

Review:
Neues Jahr, neues Label, neues Album: Killah Priest war 2009 geradezu von einer Release-Wut getrieben, die der Welt nicht nur zwei Alben mit dem oft kritisierten DJ Woool bescherte, sondern auch einige Mixtapes mit massenhaft exklusivem Material. 2010 stellt man fest, dass KP bei Man Bites Dog Records im Rennstall steht und dass das dortige neue Album, dessen Nummerierung im Release-Katalog man schon gar nicht mehr hochrechnen möchte, auf einen Producer setzt, der schon u.a. zu "The Offering" beitrug: Es handelt sich um Kount Fif, der "The 3 Day Theory" zum Erfolg verhelfen soll.

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Seit längerer Zeit versammelt Killah Priest auf einem Album wieder einige namhafte Gäste, wobei diesmal der Einfluss des Labels klar durchscheint und man bei einigen Gästen auch beim zweiten Blick keine andere Daseinsrechtfertigung findet. Doch ganz nach der Priest'schen Einstellung versteht man diese Gegebenheiten als künstlerische Freiheit und vor allem Unabhängigkeit vom Clan, auf die Herr Walter Reed nicht erst seit gestern Wert legt. Trotzdem sind die Erwartungen an ihn klar abgesteckt und werden erwartungsgemäß auch wieder voll bedient: Die Raps zirkulieren zwischen Street-Weisheiten, verbalem Blutvergießen und spiritueller Meditation. Wie gut dieses weitere Zwischenspiel vor "The Psychic World Of Walter Reed" wirklich ist, hängt von Kount Fif ab, der seit inzwischen fünf Jahren auf Man Bites Dog gesignt ist. Er ist zwar kein DJ Woool, hat aber im Endeffekt ähnliche Probleme: Er ist kein Producer für ein ganzes Album, sofern man wirklich hochwertiges Material erwartet. Das liegt weniger daran, dass er nicht zum einen oder anderen wirklich guten Track fähig wäre, es liegt an der vollkommenen Austauschbarkeit seines Stils, eines Fehlens jeglicher Markenzeichen, was Standardmaterial vorprogrammiert. Der bewanderte Rap-Fan sollte sich also nicht wundern, wenn ihm auf der LP mehr als ein bekanntes Sample über den Weg läuft. Leider will sich auch die Atmosphäre, die den Killah Priest meist begleitet, nicht so recht einstellen: Da findet sich zwar mit "Outer Body Experience" ein (mittelmäßiger) Track, der einen für KP typischen Exkurs in die eigene Gedankenwelt unternimmt, doch ordentlich ins Albumgefüge eingebettet wirkt er nicht. Stattdessen schneien Labelkollegen Copywrite und Jakki für Auftritte vorbei, die nicht ins Bild passen wollen und dem durchaus guten Instrumental von "Fire Reign" leichten Abtrieb verschaffen. Als angebrachter Gast symbolisiert Cappadonna im soliden, aber unaufregenden "Betrayal" die natürlich noch bestehende Freundschaft mit dem Clan, während Canibus für einen gewohnt starken Auftritt im dadurch erheblich aufgewerteten "Democracy" vorbeischaut. Zu den Highlights zählt fraglos "The Destroyer", dessen roher Untersatz die hohe Zahl an Emcees problemlos aushält, wobei vor allem der Auftritt von Seeza Freude bereitet. In "Psalm Of Satan" fließt reichlich Blut, "Priest History" dagegen ist vielleicht der inhaltlich griffigste Track, der Priest's Werdegang, seinen Eintritt in die Clan-Gefilde und die Distanzierung von dort abhandelt. Zum Abschluss, und nachdem in "Circles" wieder bunte Gästewahl betrieben wurde, wird der in Samurai-Rüstung gekleidete KP in "Words From A Viking" zum Wikinger und komplettiert seine Mannigfaltigkeit.

So verkehrt ist Killah Priest's neues Album eigentlich nicht, die richtige Stimmung will trotzdem nicht aufkommen. Mit Kount Fif zusammenzuarbeiten, wie schon auf "The Offering", wäre absolut nicht verkehrt gewesen, nur in voller Albumlänge gehen dem MBD-Producer die (kreativen) Ideen aus. Dabei lässt sich nicht einmal die grundsätzliche Herangehensweise kritisieren, denn bezüglich des Stils der Beats trifft Kount einige Male ins Schwarze. Sehr wohl zu bemängeln ist die relativ hohe Zahl unnötiger bzw. unpassender Gäste. Für ein nächstes Album bleibt zu hoffen, dass man sich mehr Zeit lässt und besser selektiert, auf dass KP beim nächsten Mal wieder in höheren Wertungsbereichen landet.

6.1 / 10

Sonntag, 15. August 2010

Imperial Skillz Empera & Si-Klon - Storm Of The Flying Serpent


Release Date:
13. Juli 2010

Label:
Horror Chamber / Alluvial Faction / Free Download

Tracklist:
01. The Storm (Interlude)
02. Breath Of Creation
03. Cydonia (Feat. DJ Twisted)
04. The Grand Context
05. Stone Guardians (Interlude)
06. Eternal Insight (Feat. Jon Murdock & DJ Twisted)
07. Language Of The Cosmos
08. Xibalba (Revisited) (Feat. Canibus-9)
09. Hall Of Existence (Interlude)
10. The Falling Stars (Feat. Oz Arc Raider & RyPa, DJ Twisted)
11. Codex Of Destiny (Feat. Gamma)
12. Magic Of The Mind

Review:
Wer hat hier die Kammer des Schreckens geöffnet? Was zuerst aussieht wie ein Auswuchs aus dem Harry-Potter-Kosmos ist das kollaborative Projekt zweier Artists aus verschiedenen Teilen der Welt. Der eine ist Si-Klon, an der Ostküste sesshafter Emcee, der zum entfernten Umfeld von Secta 7 gerechnet werden kann, der andere Imperial Skillz Empera, ein in Deutschland lebender Marokkaner, der drauf und dran ist, sich in der HipHop-Szene als Producer einen Namen zu machen. Die Entscheidung, das gemeinsame Album "Storm Of The Flying Serpent" neben der CD-Veröffentlichung zum freien Download bereitzustellen, sollte diesen Vorgang noch beschleunigen.

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Da haben sich zwei gefunden: Imperial Skillz Empera machte sich bisher mit düster-atmosphärischen Instrumentals mit mystischem Glanz einen Namen, Si-Klon's Interessengebiet erklärt sich eigentlich schon mit Nennung von Secta 7, kann aber durch das Hinzufügen einer Truppe, der er selbst angehört und die sich nicht umsonst "The Ancient Astronauts" nennt, noch konkretisiert werden. Unter diesem Licht scheint das Album-Cover also durchaus angebracht zu sein. Das Album selbst ist nur eine gute halbe Stunde kurz, gespickt mit Intro und zwei Interludes, die das instrumentale Gesamtpaket im typischen Stoupe-Stil erscheinen lassen. Doch das soll nicht stören, denn schon im Intro öffnet der Skillz Empera das Tor zu seiner Welt, in der mysteriöse Klänge dominieren, in der es aus den Boxen flüstert, in der ferne Chöre ihre Stimmen erheben. Dass ISE Samples aus Richtungen wie Industrial bzw. Dark Ambient bezieht ("Stone Guardians" beispielsweise wurde direkt von Nox Arcana übernommen), sollte aussagekräftig genug sein. Verübeln kann man es ihm in keinster Weise, schließlich sorgt das Einarbeiten dieser Elemente in die HipHop-Grundrisse für Ansätze der atmosphärisch abgekapseltsten Dunstwolken, die sich in jüngeren Jahren im HipHop-Universum bildeten. Zur Vollendung ist diese Kunst noch nicht getrieben, an vielen Stellen greifen die Räder noch nicht optimal ineinander: So ist "The Grand Context" nahe an einer Großtat, wäre da nicht eine überproportionierte, zu plumpe Drumline. Ein ganz anderes Problem der Scheibe eröffnet sich bereits in "Breath Of Creation": Einen ungünstigeren Partner als Si-Klon hätte ISE kaum finden können. Der Emcee aus New Jersey wirkt mit seiner hellen Stimme und seinen harten, gepressten Raps wie ein Fremdkörper auf jedem einzelnen Song. Daran können weder die buntesten "Science"-Lyrics noch die schön anzuschauenden Track-Titel etwas ändern - man wünscht sich beispielsweise die frühen Lost Children Of Babylon ans Mic. Doch erwartungsgemäß gibt es vorwiegend Features aus dem eigenen Umfeld, die zumeist nicht viel mehr bewirken als Si-Klon selbst. Lediglich Canibus führt vor, wie man diesen Beats Herr wird, und sorgt in "Xibalba" für den besten Rap-Part. Genießen lassen sich die Tracks trotzdem zu einem gewissen Grad: "Language Of The Cosmos", das ISE auch an Bomshot geschickt hat, hat ebenso seinen Reiz wie das dramatische "The Falling Stars", dessen Gäste dem düsteren Beat wesentlich mehr abgewinnen können. Im Schlussteil schaltet dann selbst ISE einen Gang zurück und schiebt mit "Codex Of Destiny" Mittelmaß ein, dem mit "Magic Of The Mind" noch ein solider Schlussstein nachgereicht wird.

Das Fazit dieses Unternehmens ist schnell gefunden, kurz und doch sehr aussagekräftig: Imperial Skillz Empera ja, Si-Klon nein. Auch wenn der Emcee schon wesentlich länger aktiv ist, sind seine Raps der größte Störfaktor des Albums. ISE dagegen wird vielen Hörern bisher unter Umständen gänzlich unbekannt sein und kann somit eine fulminante Vorstellung erreichen. Für weitere Aufnahmen bleibt also zu sagen: Möge er sich auf die Suche nach einem passenderen Emcee begeben und seine Skillz weiter schärfen, wobei eine Reduzierung der der Atmosphäre destruktiv entgegenwirkenden harten Drums und eine Konzentration auf noch eindringlichere Sound-Gebilde, wie sie heute kaum noch jemand zustandebringt, wünschenswert wäre. "Storm Of The Flying Serpent" kommt insgesamt trotz seiner Mängel auf ein ordentliches Ergebnis.

6.2 / 10

Marco Polo - The Stupendous Adventures Of Marco Polo


Release Date:
29. Juni 2010

Label:
Duck Down Records

Tracklist:
01. Buggin Out (Feat. D-Story & Bad Seed)
02. The Radar (Feat. Large Pro) (Remix)
03. The Bridge (Feat. Promise)
04. Official (Feat. Red Clay)
05. Bomb Shit (Feat. Ruste Juxx)
06. Whylin Out (Feat. Shylow)
07. Think Of You Now (Feat. Saga)
08. Combat Drills (Feat. Torae)
09. Best To Do It (Feat. Royce Da 5'9", Elzhi & Kam Moye) (Marco Polo Remix)
10. Blockshit (Feat. Skyzoo)
11. Who I Be (Feat. Diamond District) (Marco Polo Remix)
12. How I Get Down (Feat. Skoob) (Marco Polo Remix)
13. So Basic (Feat. Surreal)
14. The Veteran (Feat. Grand Daddy IU)
15. Ambition (Feat. Arcee)
16. Radio (Feat. Ruste Juxx & Torae) (Marco Polo Remix)

Review:
Man bekommt kaum Zeit zum Luftholen: "The eXXecution", Marco Polo's gemeinsames Album mit Duck-Down-Emcee Ruste Juxx, ist gerade drei Monate jung, da rennt der Producer aus Toronto einem gleich mit seinem nächsten Projekt die Tore ein: Bei seinem neusten Abenteuer handelt es sich aber nicht um ein vollwertiges Album - das soll noch folgen. "The Stupendous Adventures Of Marco Polo" dagegen ist eine Ansammlung an bisher unveröffentlichtem Material und Remixen, die natürlich trotzdem noch ein dickes Lineup vorweisen kann.

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Eine Überbrückung zum nächsten Projekt kann man es bei der kurzen Zeitspanne, die zwischen "The eXXecution" und "Port Authority 2" außeinander liegen soll, kaum nennen. Marco Polo scheint schlichtweg so viele veröffentlichungswürdige Beats zu haben, dass er nicht imstande ist, an eine Pause zu denken. Wer allerdings nicht total vernarrt in seine Instrumentals ist, der musste sich schon beim Projekt mit Ruste Juxx eingestehen, dass MP seinen quantitativ hohen Output keinesfalls bei konstanter Qualität aufrechterhalten kann - zumindest nicht bei konstant hochwertiger. Da hält sich also auch die Vorfreude auf dieses Projekt in Grenzen, das die großen Namen nur in Remixen und keinen kleinen Teil des Rests mit Nonames gefüllt sieht. Nonames, die zum Teil aus MP's direktem Umfeld stammen und die der Duck-Down-Anhängerschaft somit unterschwellig vorgestellt und vertraut gemacht werden sollen. Zwar wird darauf hingewiesen, dass sich hiesiges Material, das sich in den letzten Jahren angesammelt hat und bisher auf keinem Longplayer Platz fand, den hohen Standards von MP-Fans genüge, die Wahrheit sieht dann aber etwas anders aus: Marco's "Stupendous Adventures" hätte ebenso ein schnelles Zwischendurchprojekt sein können, den Unterschied hätte sicher niemand gehört. Die Qualität der Scheibe liegt ungefähr auf Augenhöhe mit "The eXXecution", auch im Style lässt sich keinesfalls die Lebenslinie der letzten sieben Jahre erkennen. Wo genau die LP demnach ihre stärksten Momente hat, ist nicht pauschal festzumachen, doch es darf vorweggenommen werden, dass die Remixe nicht das halten, was die Originals teilweise versprechen. Der Remix zu "The Radar" dagegen ist schlicht und ergreifend genauso langweilig wie sein Original. Was auf "Port Authority" über einen zusammengewürfelten Charakter hinwegtäuschen konnte, waren Posse-Tracks wie "Low Budget", in sich geschlossene Nummern wie "Nostalgia" und letztendlich auch die eine oder andere Bombe von Marco, die hier leider fehlen. "Buggin' Out" legt titelgemäß noch ganz gut los, "Bomb Shit" zeigt wenig später einen trockenen Beat, der fast ausschließlich von seiner Bassline lebt und gerade deshalb Abwechslung ins Spiel bringt (über Ruste's immergleiche Raps lässt sich hinwegsehen), was auch Saga mit einem melancholischen "Think Of You Now" gelingt. Die ebenfalls wenig bekannten Promise und Red Clay dagegen versäumen es, in ihren Auftritten Akzente zu setzen. Damit stehen sie nicht alleine: Für "Combat Drills muss einmal mehr "Full Metal Jacket" herhalten, das aber bei weitem nicht angemessen in Szene gesetzt wird und Torae nicht ins beste Licht stellt. Unter den Remixen ist einmal "How I Get Down" hervorzuheben, das vollauf gelingt, während "Best To Do It" kolossal gegen M-Phazes' Original untergeht. Einen gelungenen Auftritt von Surreal später passiert beim alten Haudegen I.U. ebensoviel/ -wenig wie bei Arcee, bis im "Radio"-Remix ein angebrachter Abschluss für eine keineswegs begeisternde Platte gefunden wird.

Man fühlt sich schon versucht, wesentlich härter mit Marco Polo ins Gericht zu gehen, als dieser es verdient hat. Denn wenn man schon als einer der angesehensten Produzenten der Szene gilt und schon mit vollwertigem Material nicht geizt, ist die Notwendigkeit für ein solches Projekt, das die Tracks vereint, die es zumeist sehr wohl aus einem guten Grund auf kein Album geschafft haben, nicht unbedingt gegeben. Darüber, wie geschlossen die LP wirkt, muss erst gar nicht geredet werden. Hatte MP schon zusammen mit Ruste Juxx seine liebe Mühe, zu überzeugen, so schleppt sich "The Stupendous Adventures Of Marco Polo" mit Ach und Krach über den Durchschnitt. Die Vorfreude auf "Port Authority 2" schürt es damit also keineswegs.

5.8 / 10

Capone-N-Noreaga - The War Report 2


Release Date:
13. Juli 2010

Label:
Ice H2O Records / EMI Records

Tracklist:
01. Pain
02. Bodega Storires (Feat. The LOX)
03. Dutches Vs. Phillies Vs. Bamboo (Feat. Raekwon)
04. My Attribute
05. Favor For A Favor
06. Hood Pride (Fea. Faith Evans)
07. The Reserves (Feat. Raekwon)
08. With Me (Feat. Nas)
09. Live On, Live Long Pt. 2 (Feat. Tragedy Khadafi)
10. The Oath (Feat. Raekwon & Busta Rhymes)
11. Brother From Another
12. Thug Planet (Feat. Imam Thug & Musaliny)
13. Scarface
14. The Corner (Feat. Avery Storm)
15. Obituary

Review:
Irgendwo zwischen der Erkenntnis, dass "Channel 10" nicht unbedingt eine Großtat war und dem Kontrastprogramm, das die weitläufige Umjubelung von Raekwon's "Cuban Linx"-Fortsetzung bot, muss Capone und Noreaga die glorreiche Idee gekommen zu sein, dem eigenen Klassiker auch einen zweiten Teil nachzuschieben. Nachdem beispielsweise "Rotate" offen als Kompromiss an den Mainstream eingestanden wurde, soll es nun also wieder völlig ungefiltert zugehen. Um auch ja an Raekwon's Erfolg anzuknüpfen, heuert man auch glatt bei dessen Ice H2O Records an und lässt den Chef als Executive mitwirken. Seine kritische Einstellung gegenüber "The War Report 2" sollte man als Konsument deshalb jedoch nicht über Bord werfen.

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Man erinnert sich: Die treibende Kraft hinter dem 1997er Klassiker war ein gewisser Tragedy Khadafi, der bis vor kurzem noch hinter schwedischen Gardinen saß und zu spät entlassen wurde, um an hiesigem Album beteiligt zu sein. Nichtsdestoweniger sieht die Liste der Involvierten keinesfalls schlecht aus, neben den auf den ersten Blick ordentlich gewählten Gästen sollte auch die Selektion der zumeist wenig bekannten Producer zu guter Arbeit fähig sein. Denn, wie nicht erst durch die verkorksten jüngsten Soloalben der beiden bewiesen, ist es genau das, was CNN brauchen: Mit den Beats steht und fällt das Unternehmen, das die beiden mit der selbst auferlegten, hochgradig unnötigen Aufgabe, einem unerreichbaren Ideal nachzujagen, gestartet haben. Da das Handwerk ausdrucksstarker, meisterhaft geschmiedeter Street-Banger dieser Tage (genau genommen schon seit einigen Jahren) eine Flaute sondergleichen erlebt und sich nur in einem undankbaren Ableger mäßig kopierter alter Formeln reges Treiben findet, gestaltet sich die Suche nach den richtigen Beats als schwierig. Mit jemandem wie Alchemist zu starten ist da sicherlich keine schlechte Idee: "Pain" garantiert einen ordentlichen Anfang, der auf ein anständiges, wenn auch kein besonderes Album hindeutet. Thematisch bleiben CNN im abgesteckten Terrain, das zu erwarten war - eingangs wird über den täglichen Struggle in der harten Welt berichtet - der "War Report" ist also immer noch aktuell. Da ihr Titel es geradezu fordert, dürfen an dieser Stelle auch CNN vor 13 Jahren mit den heutigen verglichen werden, wobei sich eine Abnahme der Rap-Qualitäten notieren lässt. Noreaga flowt wesentlich behäbiger als damals, sogar die Wortspiele sind an einigen Stellen der LP Grund für verständnisloses Kopfschütteln. Da wäre zum Beispiel ein kurzes Telefongespräch am Ende des von Scram Jones gut produzierten "Bodega Stories" (von The LOX zudem schön abgerundet), in dem N.O.R.E. in einem schlichtweg lächerlichen Superslang eine Weedbestellung aufgibt. Vom gelungenen ersten Teil der Platte kann das jedoch nicht ablenken: Die durchgehend streetlastigen Produktionen halten Erwartungen stand und erlauben sogar das kurze Zwischenspiel mit Faith Evans im etwas charakterloseren "Hood Pride". Zu den Glanzmomenten zählen "Favor For A Favor" (trotz grauenhaftem Intro von Noreaga) und "My Attribute". Mit Eintritt in die zweite Hälfte geht es dann allerdings überraschend spontan abwärts: Gerade noch schlägt "The Reserve" auf die Nackenmuskulatur, da schließt sich Buckwild's "With Me" mit Standardpianopackung und einem erschreckend blassen Nas an. Etwas origineller und trotzdem kolossal versemmelt ist die viel zu erzwungen auf hart getrimmte Interpretation von "Planet Rock" in "Thug Planet", inklusive bescheuerter Hook. Da erfreut nicht einmal das Wiedersehen mit QB's Imam Thug und CNN-Gefolgsmann Musaliny. Die positiven Impulse sind erstaunlich rar: "The Corner" könnte als geistiger Bruder von "Closer" angesehen werden, "The Oath" wäre ohne sein stupides Konzept, das Aufsagen eines nervtötenden Schwurspruchs als Chorus-Ersatz, immerhin einer der besseren Tracks der Platte. Ansonsten steckt im hinteren Teil viel zu viel Pathos: "Brother From Another" weist auf die innige Blutsbruderschaft der beiden hin (no homo), "Live On Live Long Pt. 2" macht als Fortsetzung des ersten Teils (diesmal an Tragedy adressiert) zwar Sinn, missrät aber auf instrumentaler Ebene. Den Abschluss macht das verstorbenen Homies gewidmete "The Obituary", dessen Konzept an dieser Stelle durchaus berechtigt ist, das sich durch einen vollkommen unpassenden Beat von Green Lantern und unnötiges Noreaga-Gesülze zu Beginn aber selbst sabotiert.

Die erste Hälfte der LP ist überraschend gut. Nicht so gut, dass sie einen Titel wie "The War Report 2" rechtfertigen würde - anstatt dieses hoffnungslosen Unterfangens hätte man lieber einen anderen Titel gewählt und lediglich die Qualität alter Tage propagiert -, doch gut genug, um dieser Tage zu bestehen. Umso enttäuschender ist dann natürlich der Einbruch in der zweiten Hälfte. Noch mehr als andere Rapper profitierten CNN bei ihrem Debüt von den Zeichen der Zeit, die Capone und Noreaga das Quantum Glück bescherten, das es zu einem Klassiker braucht. Um dorthin nochmal aus eigener Kraft zu kommen, fehlt Capone und Noreaga (wie den meisten anderen auch) die künstlerische Ader und anscheinend auch die Beständigkeit bei der Wahl guter Beats. "The War Report 2" ist zur Hälfte gut, zur Hälfte vergessenswert und landet somit im Mittelfeld.

4.9 / 10

Mark Deez - The Oracle


Release Date:
01. Juli 2010

Label:
Uncut Productions

Tracklist:
01. The Oracle (Feat. Powder & Dr. iLL)
02. You Can't Touch My Steeze
03. Samurai Demons (Feat. Powder & Bigg Limn)
04. Night After Night
05. Striking Gold
06. I'm Here Now
07. Tell The World
08. Lady In The Waterfall
09. Build & Destroy (Feat. IDE, Alucard, Powder, Dr. iLL, Nova Kane, Unk?wn, Sycksyllables, Godilla, Billy White, Ezekiel, Bobby Brewski, Learnz, Loak, Kas Solo, Fatol, Crucifix Payne, Damo, El*A*Kwents & Dante)
10. The Beast
11. Warriors (Feat. Young B & Lil Loco)
12. Once Upon At A Time
13. The Four Seasons (Feat. Line Solhaug)

Review:
Die Bindung zu The White Shadow Of Norway scheint für Mark Deez von großem Nutzen gewesen zu sein, findet sich sein neustes Album doch direkt auf dessen Uncut Productions wieder. Doch nicht nur das, auch die gesteckten Ziele sind gewachsen: War das ein halbes Jahr zuvor erschienene "The Cycle Of Struggle" noch eine aus dem Nichts geschaffene Platte, mit der Mark Deez ohne jegliche Erwartungen den kleinen Zeh in den HipHop-Pool halten konnte, so schöpft "The Oracle" die vollen Uncut zur Verfügung stehenden Promo-Möglichkeiten aus, tönt mit vielen Gästen und einer Qualität, die alle BoomBap-Anhänger unmittelbar zu Fans machen soll.

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Da man davon ausgehen kann, dass Mark Deez dank White Shadow zu einer wesentlich namhafteren Feature-Liste hätte gelangen können, ist es erfreulich zu sehen, dass in dieser Hinsicht auf eine überschaubare Anzahl Gäste (ausgenommen ein Track) aus dem eigenen Umfeld gesetzt wurde. Ganz anders verhält es sich bei dem internationalen Producer-Lineup, das keine Hoffnungen auf den schön überschaubaren, aber feinen Sound von "Cycle Of Struggle" mehr zulässt. Allen voran wird natürlich mit den Snowgoons geworben, die man für zwei Beiträge gewinnen konnte. Aber auch Sicknature, Domingo oder die norwegischen Soul Theory, Brods und natürlich White Shadow selbst sind geschätzte Namen in den lokalen Logen ihrer BoomBap-Zünfte und kennen sich im Umgang mit ihrem Handwerk aus. Allerdings muss man kein Pessimist sein, um den Geruch eines weiteren Standard-Releases ohne große Persönlichkeit, der dieses Album umgibt, zu erahnen. In einer Zeit, in der für die Erhaltung des realen HipHop streitende Tempelritter in Massen aus dem Boden schießen, wachsen die Ansprüche an ein solches Album. Es reicht nicht mehr, den "Raw HipHop" zu verkünden und ein paar Battle-Rhymes über die Standardpackung wilder Streicher zu klopfen. Leider kombiniert "The Oracle" nicht wenige dieser Missetaten und manövriert sich damit in die Falle austauschbarer Alben. Dabei fängt alles so gut an: In einem zweiminütigen Intro baut White Shadow mit diversen Film-Samples (u.a. "300"), zusammengehalten von Cuts und Scratches, mächtig Stimmung und Dramatik auf, welcher der von den Snowgoons produzierte Titeltrack dann allerdings nicht ganz gerecht wird. Daran ändern auch die Grindhouse-Gang-Kollegen Powder und Dr. iLL nichts. Der weitere Start ins Album verläuft ebenso solide wie unaufgeregt: Voice-Samples, herkömmliche Drumlines und überschaubare Raps. Mit der im Vergleich zum Debüt gesteigerten Professionalität geht leider jeglicher kantige Charakter verloren. Während kein Track der ersten Hälfte wirklich schlecht ist und man nie zur Skip-Taste greifen muss, findet sich der erste wirklich auffallende Song erst in Archimedes' "Lady In The Waterfall", einem ruhigen, atmosphärischen Kopfnicker, in dem Mark außerdem eine seiner besten lyrischen Leistungen abruft. Leider bleibt der Song nur ein Lichtblick, schnell geht es zurück zum alten Muster: In "Build & Destroy" wurde ein "Super-Track" gewagt, der 20 Gäste featurt, dessen Beat von Domingo aber bei der Aufgabe, neun Minuten lang zu unterhalten, völlig versagt. Später ist es wieder Archimedes, der mit dem eindringlichsten Instrumental der Scheibe die Stimmung hebt: "Once Upon A Time" motiviert Deez zu abstrakten Rhymes, nur damit im Anschluss der obligatorische persönliche Song mit schwermütiger weiblicher Hook hinterhergeschoben wird - "The Four Seasons" berichtet vom bisherigen Leben des Mark Deez und schafft es dabei nicht, musikalisch sonderlich zu überraschen oder überzeugen.

Ganz gleich, ob es nun die weithin bekannten Snowgoons und Domingo oder aber Underdogs wie Brods sind, durch die Bank weg muss man Mark Deez eine schlechte Beatwahl vorwerfen. Schlecht nicht im Sinne von tatsächlich minderwertig, sondern schlecht für den Vibe der Platte. Denn "The Oracle" kommt nie so wirklich in die Gänge, was daran liegt, dass fast alle Songs der Sorte angehören, die auf anderen Platten zwar nicht als Qualitätsabfall, wohl aber als Verschnaufpause zwischen den Highlights bezeichnet würden. Die einzige Ausnahme bildet Archimedes mit seinen zwei Beiträgen. Und da Mark Deez gute, aber keine weltbewegenden Raps beisteuert, ist "The Oracle" zwar eine schlüssige Angelegenheit, wird aber in der sommerlichen Release-Flut untergehen.

5.7 / 10

Shawn Jackson - Brand New Old Me


Release Date:
27. Juli 2010

Label:
Tres Records

Tracklist:
01. (Introlude) Good Writtens
02. Brand New Old Me (Feat. Jimi James)
03. Lil Big Man (Feat. John West)
04. Lah City (Feat. Co$$ & Young De)
05. T!lt
06. Pocketful (Feat. Co$$)
07. Change (Feat. Ange Bellis)
08. Bay Bwoy
09. Make It Reign
10. Starget Practise (Feat. Fly C)
11. Fruit Salad
12. Let It Go!
13. 2mahro
14. Victory Lap
15. Good Riddance

Review:
Zwei Jahre sind vergangen, seit der aus L.A. stammende, dem westküstlichen Backpacker-Verein Tres Records angehörige Shawn Jackson der Welt sein Debütalbum präsentierte und vor allem mit "Feelin' Jack" weithin auf sich aufmerksam machen konnte. Die Zwischenzeit vertrieb Jackson sich mit spärlich gesähten Gastauftritten und seinem Projekt mit Giant Panda's Alex Newman, zusammen bekannt als New Jack Hustle. Alles in allem blieb es jedoch sehr ruhig um den Herrn, der mancherorts als so vielversprechendes, neues Talent gepriesen wurde (seine Spuren hinterlässt er in der Szene schließlich erst seit Mitte dieses Jahrzehnts). Nach einem Mixtape gibt nun das zweite Album all jenen, die ihm beim ersten Mal keine Aufmerksamkeit schenkten, Gelegenheit, Shawn Jackson und sein "Brand New Old Me" kennenzulernen.

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Wer sich gerne in Nichtigkeiten hineinsteigert, der wird mit dem hiesigen Albumtitel seine Freude haben: Der neue alte Shawn Jackson soll eine Referenz an die Welle neuen, elektrogeprägten HipHops sein, dem jedoch immer noch der trueschoolige alte Shawn zugrunde liegt - "Brand New Old Me" soll eine permanente Neuerfindung sein, fußend auf alten Tugenden. Was genau er denn jetzt sein möchte, beantwortet sowieso erst seine Musik, doch ganz unabhängig davon ist es leicht amüsant, dass ein so "blutjunger" (gemessen an seiner bisherigen Aktivität in der Szene) Künstler die Notwendigkeit sieht, sich auf jedem Track neu zu erfinden, wo viele Hörer den alten alten Shawn Jackson kaum kennen. Letztendlich ist die Kluft zwischen altem und neuem Shawn aber gar nicht so groß, dass man sie mit einem Albumtitel zu würdigen hätte - schon gar nicht, wenn man berücksichtigt, dass Tres sich frischen Wind als Maxime auf die Segel schreibt. Im Zuge der Selbstfindung werden jedenfalls alle Produzenten des Debüts über Bord geworfen, um durch Namen wie den russischen Beat Maker Beat (ich sehe einmal davon ab, mich über diesen Namen zu echauffieren), Astronote, Cook Classics, K-Salaam & Beatnick oder Cloud ersetzt zu werden. Das Problem, das Shawn Jackson schon vor zwei Jahren zu bekämpfen hatte, wird er damit allerdings nicht los - ganz im Gegenteil: "Brand New Old Me" wirkt noch eine ganze Ecke harmloser als "First Of All". Doch bevor sich die Fans wie im falschen (Hater-)Film sehen, sei eindringlich darauf hingewiesen, dass hier nicht eine als unbeschwert-entspannt anzusehende Harmlosigkeit gemeint ist, sondern jene, die es dem Fokus des geneigten Hörers schwer macht, über die volle Spielzeit beim Album zu verweilen. Natürlich ist Shawn Jackson's neues altes Selbst eine Angelegenheit für den Sommer, natürlich eignen sich Songs wie "Make It Reign" bestens für warme Tage im Freien, doch die Stücke vom Schlage "Let It Go" geben einfach zu wenig her, als dass sie zu mehr als Hintergrundmusik tauglich wären. Die regelmäßig eingebundenen Hooks von z.B. Ange Bellis oder JimiJames sind dabei nicht das Problem, es sind die Produktionen, die Shawn's solide, aber keinesfalls überragende Rap-Darbietung nicht optimal inszenieren können. Dass trotzdem die meisten Tracks gelungen und einige sogar richtig gut sind, soll gar nicht verleugnet werden: "Lil Big Man" ist ein überragender Trip guter Laune aus der Feder von Cook Classics, "Bay Bwoy" unternimmt einen entspannten Rückblick in die Kindheit und in "Good Riddance" verabschiedet Jordan Rocks.well die Hörer mit sachtem Hörnerklang nach allen Regeln der Kunst. Leider schleichen sich in die Minuten davor immer wieder Tracks ein, die mit angezogener Handbremse fahren: "T!lt" klingt vollkommen austauschbar, "Pocketfull" wird sogar richtig nervig, während "Brand New Old Me" etwas zu monoton vor sich hineiert.

Es muss an dieser Stelle nicht mehr darüber diskutiert werden, ob Shawn Jackson ein fähiger Emcee ist. Das hat er schon spätestens mit seinem Debüt (in Wirklichkeit schon viel früher auf "Live And Learn") bewiesen. Es geht auch nicht darum, dass seine Musik grundsätzlich gut oder die gewählten Gäste (vor allem die Sänger und Sängerinnen) nicht vollkommen zu Recht mit von der Partie sind. Die Kritik an "Brand New Old Me" richtet sich ganz einfach gegen die Unfähigkeit, potentielle Qualität zu bündeln. Shawn Jackson, der (ganz am Rande) nichts Weltbewegendes zu erzählen hat, umgibt eine kleine Zahl guter Tracks mit vielen annehmbaren, was der Genießbarkeit seines Albums zwar keinen erheblichen Abbruch tut, ihn aber auch nicht aus der Masse der unzähligen Emcees hervorhebt.

6.2 / 10

Caligula - Divine Madness


Release Date:
18. Juni 2010

Label:
Kryzek Entertainment / Long Range Distribution

Tracklist:
01. Godless Wrath (Feat. Goretex)
02. Sleeper Cell
03. Falling Down
04. Quarantine
05. Savings Withdrawl (Feat. Lyrikill)
06. 1984
07. A Living God (Skit)
08. Gods Violence (Feat. Shabazz The Disciple & Hell Razah)
09. End Of Days
10. Bronson Vs. Kersey
11. Isis (Skit)
12. Dysfunctional Family (Feat. Impulss, Pumpkinhead, Scott Bluntz, Lyrikill, Ravage & Megalon)
13. Caligulanity 2003 (Remix)
14. Religulous
15. Modern Rome
16. Escape Madness

Review:
In seiner Heimat steht Caligula mit seiner Musik sicher weitesgehend alleine: Dass sich in New Orleans viele Leute für einen Rapper begeistern können, der sich (dank seiner Geschichtslehrerin) nach einem römischen Kaiser benennt, ist nicht anzunehmen. Das hinderte den Emcee nicht daran, bereits 2004 eine EP (eine Zusammenfassung seines frühen Materials) zu veröffentlichen, die dann ein Jahr später mit Vertrieb von Long Range neu aufgelegt wurde. Ein immer wieder den Titel wechselndes Solodebüt (es wechselte vom später als extra Album proklamierten "War Games" zu "End Of Days" und später "God'z Violence") und ein Album mit seiner Gruppe Cult Flick sowie eine Compilation wurden angekündigt, schließlich hat sich dann aber doch alles etwas nach hinten verschoben. Nun gibt es zumindest das lange angekündigte Debüt unter dem Namen "Divine Madness".

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Nun würde "Divine Madness" sicherlich heimlich und vollkommen unbeachtet an der Rap-Welt vorbeiziehen, wären da nicht die Künstler, die Caligula auf seinen Silberling bannt: Geworben wird mit Namen wie Bronze Nazareth, Hell Razah, Shabazz The Disciple, Pumpkinhead, Goretex und den Monsta Island Czars. Doch wie so oft reichen diese Namen natürlich bei weitem nicht aus, um für ein gutes Album zu garantieren, was Caligula schnell dazu zwingt, die Karten auf den Tisch zu legen, da die meisten Tracks sowieso ohne Gäste auskommen und zudem auch noch von unbekannten Beatbastlern (Bronze ist da die absolute Ausnahme) geschraubt wurden. Doch die Karten sehen gar nicht so schlecht aus: Caligula hat einen eigenständigen, wenn auch etwas gewöhnungsbedürftigen Reim-Stil, der anfangs etwas ungehobelt, wüst klingt, mit dem man sich nach einigen Hörgängen aber schnell angefreundet hat. Dazu kommt seine ganz offensichtliche Vorliebe für Beats, die etwas härter aufgezogen wurden. Hierfür wiederum verlässt er sich auf unbekanntere Namen wie beispielsweise den ebenfalls aus New Orleans stammenden Prospek. Und so dauert es nicht lange, bis man feststellt, dass der rappende römische Kaiser eine echte Bereicherung für sein Genre ist. Bei wildem, hartem, BoomBap-basiertem HipHop denkt man dieser Tage schnell an AOTP und Konsorten, worunter sich Caligula allerdings nicht abstempeln lassen möchte. Das ändert natürlich nichts daran, dass auch Caligula neben kritischen und persönlichen Songs auch kräftig austeilt und somit die Standardpackung garantiert. Dank seiner aggressiven Delivery schafft er gleich im eröffnenden "Godless Wrath", einen nachdrücklichen Eindruck zu hinterlassen, den Goretex begleitet, aber nicht übertrifft. Es spricht sehr für Caligula, dass die besten Tracks der LP jene ohne Gäste sind. So hätte "God's Violence" auch auf dem 2008er Album der T.H.U.G. Angelz anzutreffen sein können, hat aber dem wüsten Streichermonstrum "Quarantine" wenig entgegenzusetzen. "Falling Down" dagegen dokumentiert einen Abschiedsbrief, in dem der suizidale Caligula seine erschreckenden Beweggründe darlegt. Im Mittelteil der LP trifft man auf zwei von SnakeVsCrane produzierte Tracks, die einigen wenigen bereits von dessen "Truth On The Table Vol. 2" bekannt sein könnten und hier wenig (weder negativ noch positiv) auffallen. Auch "Dysfunctional Family" mit dickem Lineup gibt nicht viel her, wobei als Czars hier Megalon und RAVAGE auftreten. Selbst Bronze Nazareth sammelt nicht die dicksten Punkte, das mit deftiger Gesellschaftskritik bestückte "Modern Rome" zählt trotzdem zu den besseren Tracks. Den besten Eindruck hinterlässt Prospek, einmal im von scheppernden Hörnern illustrierten "Sleeper Cell" und einmal in "Religulous" mit gesunder Drumline.

Man muss kritisch an Alben wie dieses herangehen, zu oft versuchen irgendwelche Halbtalentierte, zu kopieren und dann mit einigen großen Namen zu kaschieren. Doch Caligula ist ein wenig mehr als nur ein Halbtalentierter, die von ihm versammelten Produzenten müssen sich vor niemandem verstecken und der Gesamteindruck seines Debütalbums ist keinesfalls der einer billigen Kopie. Wenn auch kein lyrischer Großmeister, so weiß er, seine Hörer zu unterhalten, während er auf einen geschlossenen Sound setzt, der vor allem dank Prospek eine eigene Note erhält. "Divine Madness" entkommt zwar nur knapp dem durchschnittlichen Gros, weckt aber durchaus weiteres Interesse für seinen Interpreten.

6.6 / 10

The Roots - How I Got Over


Release Date:
22. Juni 2010

Label:
Def Jam Recordings

Tracklist:
01. A Peace Of Light (Feat. Amber Coffman, Angel Deradoorian & Haley Dekle)
02. Walk Alone (Feat. Truck North, P.O.R.N. & Dice Raw)
03. Dear God 2.0 (Feat. Monsters Of Folk)
04. Radio Daze (Feat. Blu, P.O.R.N. & Dice Raw)
05. Now Or Never (Feat. Phonte & Dice Raw)
06. How I Got Over (Feat. Dice Raw)
07. DillaTUDE: The Flight Of Titus
08. The Day (Feat. Blu, Phonte & Patty Crash)
09. Right On (Feat. Joanna Newsom & STS)
10. Doin' It Again
11. The Fire (Feat. John Legend)
12. Tunnel Vision
13. Web 20/20 (Feat. Peedi Peedi & Truck North)
14. Hustla (Feat. STS) (Bonus Track)

Review:
Es grenzt schon nahezu an eine Tradition, dass alle zwei Jahre ein neues Album der Roots erscheint. Und alle zwei Jahre sind die Erwartungen erneut immens, nur damit die Roots immer wieder erneut unter Beweis stellen, wie gut sie sind. So soll es auch mit "How I Got Over" sein, dem nunmehr neunten Studioalbum der Gruppe aus Philadelphia mit den zwei Kernmitgliedern Black Thought und ?uestlove, um die der Rest in stets variierender Besetzung rotiert. "How I Got Over" ist das dritte Album, das die Roots unter der Flagge von Def Jam veröffentlichen und zudem das erste, das seit ihrem jüngsten Job als Band in Jimmy Fallon's Late-Night-Show erscheint.

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Trotz des fast einzigartigen, universell als hochwertig eingestuften bisherigen, achtteiligen Opus fand sich "Rising Down" auch mit kritischeren Stimmen konfrontiert, die den Roots-typischen Sound, das Organische, vermissten. Doch selbst wenn die mit Gästen ähnlich dicht besetzte Tracklist es vermuten lässt, wendet sich "How I Got Over" in eine andere Richtung. Genau genommen tut es das sogar - gemäß seinem Konzept - im Verlaufe des Albums: weg von der melancholischen Anfangsstimmung, hin zu einem fröhlichen, offenherzigen Grundton. Bei 14 Tracks mit drei Interludes und einer Gesamtspielzeit von 42 Minuten setzen die Roots diesmal auf eine kürzere Spielzeit (da sie laut ?uestlove schneller zur Sache kommen), liegen damit aber genau richtig. Trotz der vielen Gäste legen genau die zwei, die dafür auch verantwortlich sein sollten, die Fundierung für die LP: ?uestlove ist einmal mehr der überragende Schlagzeuger, dessen Präsenz so gut wie in jedem Song mitschwingt und der außerdem fast die ganze Scheibe produziert, Black Thought dagegen legt eine durchgehend starke Rap-Leistung aufs Parkett und denkt nicht daran, sein Zepter einmal aus der Hand zu geben. Nach dem sehr soften Intro "A Peace Of Light" folgt gleich eine erste Vorstellung, wie dieses Album funktioniert: "Walk Alone" führt das erste von vielen gefühlvollen Instrumentals (hier mit Klavier illustriert) ins Feld und läutet die ernste erste Hälfte ein. Mit Truck North, P.O.R.N. (der auf diesem Song wie ein CuDi-Klon klingt) und Dice Raw (dessen überraschend starker Gesang die ersten Tracks der LP prägt) grüßen gleich drei Mitglieder des Roots-Umfelds, dem Black Thought ohne jeden Zweifel vorsteht. Dass durch die hohe Zahl der Gäste die Titelaussage etwas untergraben wird, stört nicht weiter. Mit Phonte und Blu wird der Satz an respektierten, realen Emcees abgedeckt, beide stellen sich dann auch als gute Wahl heraus. Besonders Kritikerliebling Blu passt perfekt ins Szenario von "Radio Daze", dem ?uestlove seine ganz unverkennbare Note aufsetzt. Ebenfalls zum grandiosen ersten Sinnesabschnitt der LP zählt "Now Or Never", auf dem sich Dice Raw (neben seiner bis dato dritten Hook) zu einem Verse hinreißen lässt, und natürlich "Dear God 2.0", das ganz im Stile von "The Seed" den Song eines anderen Interpreten - diesmal der Supergruppe Monster Of Folk - in eine Roots'sche Fassung setzt. Zwar muss dabei das Harfenspiel etwas kürzer treten, Black Thought's u.a. gesellschaftskritische Lyrics sind dafür erste Sahne:

"Who does the blind lead? Show me a sign please
If everything is made in China, are we Chinese?
And why do haters separate us like we Siamese?
Technology turning the planet into zombies
[...]
Yeah, it's still me, one of your biggest fans
I get off work, right back to work again
I probably need to go ahead and have my head examed
Look at how they got me on the Def Jam payment plan
"

Der Titeltrack schließlich bringt die Wende: "How I Got Over" ist trotz direkter Kritik gesellschaftlicher Werte ein Gute-Laune-Song, wie man ihn besser nicht hätte fertigen können, für den sogar Black Thought in leichten Singsang verfällt. In diesem Fahrtwasser liegen auch die nächsten Songs, die vermehrt den Hang der Roots zur Aufbereitung bereits existierender Songs aufzeigen: "Doin' It Again" bedient sich bei John Legend's "Again" für ein begeisterndes Werk (ganz ohne Gäste), "Right On" gibt Joanna Newsom's "Book Of Right-On" den bestmöglichen Neuanstrich. Als Vorgeschmack auf das gemeinsame Album sowie als weitere Kompatibilitätsdemonstration gibt John Legend den Chorus für die Motivationshymne "The Fire", die aus dem Muster der restlichen Drumlines ausbricht, jedoch nicht weit genug, um nicht ins Album zu passen. Diesen Vorwurf darf man schon eher dem nach "Tunnel Vision" einrollenden Schlussteil machen: Wo "Web 20/20" als unbeschwertes Reihum-Spitten mit unkonventioneller Produktion noch seinen Reiz hat, zieht das etwas träge, mittelmäßige "Hustla" das Niveau doch etwas hinab.

Ist es einem so hochwertigen Act wie den Roots überhaupt noch möglich, positiv zu überraschen? Ganz offensichtlich: ja. Ihr neustes Werk ist weitaus zugänglicher als etwa "Rising Down", weswegen es jedoch kein Bisschen seiner Langlebigkeit einbüßt. Ganz im Gegenteil, die Roots liefern hiermit eines der geschlossensten Alben ihrer Karriere ab, einen Longplayer, an dem es kaum etwas zu bemängeln gäbe, wäre da nicht der letzte Track, der nicht einmal in seiner Funktion als Bonus Sinn macht. Der Rest allerdings ist HipHop in einer Form, die so rein ist wie nur bei wenigen anderen Künstlern. Genau deshalb muss es Leute wie The Roots geben, genau deshalb wird "How I Got Over" zu den besten Veröffentlichungen des Jahres zählen und anzunehmenderweise bei jedem, der sich auch nur ansatzweise mit HipHop identifiziert, Anklang finden.

7.6 / 10

Super Chron Flight Brothers - Cape Verde


Release Date:
27. Juli 2010

Label:
Backwoodz Studioz

Tracklist:
01. Reggie Miller
02. Golden Grams
03. GMA
04. Good Country People
05. Travailler
06. B More (Feat. Zesto)
07. Jumpstreet
08. Wheel Of Fortune (Feat. Masai Bey)
09. Double Jeopardy
10. Strangers With Candy
11. Rap City
12. The Spin Off
13. 42nd St. (Feat. Lord Superb, Pastense & HiCoup)
14. No Spin Zone
15. Unsolved Mysteries (Feat. Vordul Mega)
16. Emmanuel Goldstein (Feat. Bigg Jus)
17. Nigger Pennies
18. 100 Ft. Of Cold Dirt (Feat. Johnny Voltik)
19. Guns And Pussy
20. Paid Programming

Review:
Es ist soweit: Nachdem Backwoodz Studioz die letzten zwei Jahre mit Free-Download-Alben überbrückt hat, steht nun das nächste große Album an, das wieder ein handfestes Bild der Zustände in der hintersten Provinz des Großstadtdschungels New York abgibt. Die Super Chron Flight Brothers sind inzwischen zweifelsohne das rappende Kernstück der Backwoodz, ihr erstes Album sorgte schon seinerzeit für Erwartungen an den Nachfolger. Wie sich nun herausstellt war dieser Nachfolger das kostenlose und später limitiert als CD veröffentlichte "Indonesia" und ist "Cape Verde" somit nicht nur das dritte Album sondern auch der Abschluss einer "World Tour"-Trilogie, die sich lediglich durch das Cover-Motiv verfolgen lässt.

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Das alles ändert natürlich nichts daran, dass "Cape Verde" verspricht, ein gutes Album zu sein: vielversprechende Rap-Beiträge aus dem weitläufigen Umfeld deuten an, dass man der eigenen Linie treu bleibt, während die Produktion diesmal (fast) komplett unter den beiden Inhouse-Tüftlern Bond (schon zu großen Teilen für das Debüt verantwortlich) und Willie Green (hier mit elf Beats vertreten) ausgemacht wird. Daneben gilt es, das Niveau des eigentlich nur als Prequel konzipierten "Indonesia" zu toppen, das vor lauter Eigenbrödelei manchmal vergaß, guter HipHop zu sein. Dieses Problem ist "Cape Verde" glücklicherweise gänzlich fremd. Seit Langem hat man hier mal wieder ein Album vor sich, das sich als durchgehende Einheit sieht, das durch unzählige Skit-artige Samples aus diversen Ecken der täglichen TV-Welt zusammengestöpselt wurde und das so immer das Gefühl gibt, dass jeder Song aus gutem Grund genau an seiner Position sitzt. Selbstverständlicherweise rotieren Billy Woods und Priviledge dabei immer noch weit entfernt von konventionellem BoomBap und unterstreichen dies durch ihre eigenwilligen, so gegensätzlichen und doch komplementären Reimstile. Auf Seiten der Lyrics hat sich seit "Emergency Powers" nicht viel getan: Immer noch nehmen sich beide nicht zu ernst, immer noch wird kein Wert auf einschränkende Konzepte gelegt, sondern mit Gedankenskizzen gearbeitet, die sich nicht zwangsläufig reimen müssen. Als perfekte Ergänzung stehen hinter diesem Stil wieder die Beats, die so klingen, wie man sie von Bond kennt. Um dieses Album nachzuvollziehen und um sich damit anzufreunden, bedarf es entweder etwas zu rauchen oder mehrerer intensiver Durchläufe. Woods und Edge öffnen sich nicht beim ersten Mal, doch wenn es dann so weit ist, wird man umso mehr Spaß mit der LP haben: Wenige andere könnten so kunstvoll über die energiegeladene Sample-Landschaft in "GMA" spitten wie William Woods, und ein Joe-Cocker-Sample als Intro für einen mit unerhört smoothem Orgel-Geleier versehenen Song namens "Reggie Miller" (natürlich mit weedgeschwängerter Doppeldeutigkeit) gibts es sowieso nirgendwo sonst. Die LP entwickelt streckenweise eine überragende Geschlossenheit: So geht das soulig-lockere "Travailler" nahtlos in die langsamen Gefilde von "B More" über, das nach einem Beat-Umbruch mittels eines Samples aus "The Wire" dem melancholischen "Jumpstreet" die Klinke in die Hand drückt. Zeit zum Verschnaufen gibts es kaum, weswegen man sich (ganz im Sinne des Konzepts) schon im Mittelteil fühlt, als hätte man eine halbe Weltreise hinter sich. Doch die Flight Brothers haben noch einiges in der Hinterhand: "42nd St." bietet eine interessante Variante des von KiD CuDi schon verwendeten Menahan-Street-Band-Samples, in "Rap City" lässt sich MarQ Spekt über die Rap-Gemeinde aus und "No Spin Zone" schießt u.a. subtil gegen Bill O'Reilly. Ein Schwachpunkt offenbart sich (eingeleitet von einem Boondocks-Sample) in "Strangers With Candy", das mit einer sperrigen Hook etwas aus dem Rahmen fällt. Ganz großes Kino dagegen gibt es in "Unsolved Mysteries", das in bester Woods-Mega-Manier mit dramtisch-bedrückendem Sound abgefasst wurde und dem das nicht minder starke "Emmanuel Goldstein", vorgetragen von Bigg Jus, folgt. Damit hat der Spannungsbogen seinen Höhepunkt erreicht, und während die Qualität kaum abfällt, garantieren vor allem "Nigger Pennies" und "Guns And Pussy" eine relativ ruhig auslaufende LP, bis in "Paid Programming" der TV-Marathon zu einem Ende kommt.

Es scheint die Rückendeckung von (vor allem) Bond und inzwischen auch Willie Green zu sein, welche die Super Chron Flight Brothers zu ihren besten Leistungen antreibt. Mit "Cape Verde" jedenfalls werden die Schwächen von "Indonesia" zurückgelassen, um ein intensives, geschlossenes Album zu servieren, das seine 75 Minuten dauert und dabei so viele Facetten bietet, dass man dieses Album wahrhaft als Weltreise durch den Backwoodz'schen Kosmos, illustriert als Fernsehprogramm, bezeichnen kann. Entgegen dem Großteil der heutigen Alben hat man es außerdem mit einer Scheibe zu tun, die von Mal zu Mal an Klasse gewinnt und die man deswegen keinesfalls nur am Rande anskippen sollte. Mit "Cape Verde" unterstreichen die Backwoodz-Jungs, dass man sie als Qualitätsschuppen weiter auf der Rechnung haben muss.

7.7 / 10