Sonntag, 30. Mai 2010

Buddha Monk - The Prophecy


Release Date:
03. Juli 1998 (D) / 21. September 1999 (US)

Label:
Edel Records

Tracklist:
01. Meditation Hall (Intro)
02. The Prophecy
03. Gots Like Come on Thru (Feat. Ol' Dirty Bastard & Drunken Dragon)
04. Killa From The Villa
05. Art Of War
06. Bang Tt In Ya Whip (Feat. Babyface Fensta & ShaCronz)
07. Dedicated
08. Freestyle (Feat. Popa Chief)
09. Spark Somebody Up
10. Buddha Monk At The Opera (Skit)
11. No Frills (Feat. Popa Chief)
12. Warrior Chiefs (Feat. Dutch Master, Da Manchuz, Popa Chief & Shorty Shit Stain)
13. Crazy Cats
14. Life's A Scheme
15. Royal Monk (Feat. Raison The Zoo Keeper)
16. Sometime Faces (Feat. Drunken Dragon)
17. Cuts To The Gut (Feat. Shorty Shit Stain & Dutch Master)
18. Eastside Story (Feat. Da Manchuz)
19. Blessings Of The Buddha (Feat. Popa Wu)

Review:
Er war ODB's rechte Hand und ist nun der Capo eines ganzen Wu-Flügels, der mit dem Ableben des altdreckigen Bastards seine bindende Sehne verlor: Buddha Monk, seit dem Alter von zwölf Jahren mit Ol' Dirty Bastard befreundet, erklomm an dessen Seite die Stufen ins Rap-Game, war auf "Return To The 36 Chambers" zugegen, erwies sich aber zudem als selbstständiger Künstler, der sowohl produziert als auch rappt. Das ließ als Schlussfolgerung über kurz oder lang nur ein eigenes Album zu, das dann 1998 in Form von "The Prophecy" auch erschien.

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Es sieht zuerst aus wie eines dieser Mitläufer-Alben aus dem Wu-Kreise, um dessen billigen Abklatsch-Inhalt man besser einen großen Bogen machen sollte. Wie weit man doch fehlen kann. Wie bei so vielen Wu-verwandten Alben jener Zeit weiß Buddha Monk zu überraschen - höchst positiv. Diese Scheibe ist nicht nur ein Soloalbum, es ist die Vorstellung eines kompletten Kollektivs, das den wohl größten abgeschlossenen Ast bildet, der dem Wu-Baum entwächst: Brooklyn Zu, Manchuz und Zu Ninjaz decken ungefähr den Pool ab, in dem eine Menge an unbekannten und hungrigen Emcees schwimmt, die den Hörer in ihrer Gesamtheit nur überfordern kann. Deshalb bekommt man auf "The Prophecy" genug Zeit, sich Stück für Stück auf die einzelnen Aspekte/ Gäste zu konzentrieren oder aber sich nur dem Gesamtbild hinzugeben. Denn das ist schon erstaunlich genug: Hauptsächlich von Buddha selbst produziert, lebt die Scheibe ihren ganz eigenen Flair, der teilweise zu den schroffsten Auswüchsen ostküstlicher Küche zu rechnen ist. Die vorab veröffentlichte Single "Gots Like Come On Thru" mit mediterranen Gitarrenklängen gibt da kein repräsentatives Bild und liegt auch qualitativ nicht auf Höhe des Albummittelwerts. Buddha's Rap-Skills legt es jedoch anschaulich dar: Der schwergewichtige Mönch illustriert seinen eigenen Stil mit einer aggressiven Klangfarbe, wallendem Flow und zwischenzeitlichen Ausbrüchen, die entfernt an ODB erinnern. Der Wahnsinn beginnt in "Meditation Hill", in dem sich Buddha in tiefe Meditation summt, um dann mit "The Prophecy" den ersten Glanzpunkt zu setzen: "Yeah, to all my challengers, let's begin! I be the holder of flows like air sweepin' thru your windows / First nigga that oppose be the first nigga that goes". Battle-Raps sind die Tagesordnung, werden aber durchgehend ansprechend inszeniert. Die schönen Momente finden sich in Tracks wie "Sometime Faces", das mit furiosen Streichern und Bläsern der energiegeladenen Show des Buddha Monk gerecht wird. Doch es gibt auch - man möchte es fast bedauern - etwas Abwechslung: "Life's A Scheme" erzählt (großartig produziert) über das betrübend harte Straßenleben, "Spark Somebody Up" schleudert seine Drohungen in amüsant gut gelaunter Weise aus den Speakern. Der Mama-Song zieht auch für Buddha Monk nicht, "Dedicated" ist keine große Bereicherung. Wie ein geniales, witziges Interlude auszusehen hat, führt "Buddha Monk At The Opera" vor, für das der Mönch versauten Sextalk meisterhaft trällert. Direkt danach steckt man wieder knietief in Brooklyns Straßen, "No Frills" reiht sich mit starker Hook des Popa Chief vor dem gewaltigen Posse-Cut "Warrior Chiefs" ein, das herrlich minimalistisch ist und trotzdem vielfäustig und kräftig austeilt. Neben durchgehend guten Stationen (repräsentativ für fast alle Tracks sei noch "Royal Monk" genannt, dem statt "Wu-" ganz einfach "Zu"-Rufe den Hintergrund füllen) kristallisieren sich zwei Überflieger heraus: Zuerst wäre da Y-Kim's "Killa From The Villa", das mit knüppelharten Snares, tiefdröhnendem Piano und irrem Gelächter des Mönchs eine bedrückende Atmosphäre beschwört, direkt im Anschluss folgt "Art Of War", bei dem der Titel Programm ist: Wuchtiges Stampfen im Hintergrund, wieder knochenharte, den Marschtakt angebende Snares und ein niederreißender Chorus umrahmen den in einen Wahn verfallenen Buddha, der faucht, schreit, hustet und prustet - was will man mehr? Vielleicht noch ein Outro, in dem Popa Wu die Scheibe beschließt? Auch vorhanden.

Es bleibt nur noch einmal hervorzuheben: Dieses Werk steht für sich selbst, bedarf keinster Hilfe. Der Stil ist mehrschichtig und nicht klar definierbar. Beizeiten klingt Buddha Monk wie eine Mischung aus Onyx und den frühen Sunz Of Man, dann wieder lockert er - auch soundmäßig - das Geschehen auf, um sich in eine völlig andere, zwar weniger markante, aber trotzdem gelungene Richtung zu wenden. Nach mehrmaligem Hören findet man dann auch Zeit, sich den Gästen zu widmen, was zum Schluss führt, dass hier großes Potential schlummert. Was dann tatsächlich aus der Großgemeinde wurde, ist etwas schade, doch immerhin darf man sich des Bestehens dieser Scheibe erfreuen, die feinsten Eastcoast-Sound lebt.

8.0 / 10

Spier1200 & Oktober - Pirate Radio


Release Date:
30. März 2010

Label:
Diamond Music Group / Cajo Communications

Tracklist:
01. Closed Fist, Open Eye
02. Peace No More
03. I Don't Want It
04. G.A.M.E.
05. What's The Difference (Feat. Bogata)
06. Cut Throat Society
07. Tri Boro (Feat. Big Twins & Eregulah)
08. Pirate Radio
09. Read My Writes
10. Concrete Flows
11. Out Field (Feat. Ace Lover & Grimz)
12. You Already Know
13. Extra Move
14. Hold Ya Head

Review:
Für Oktober alias Oktober Zero ist der Eintritt ins Jahr 2010 sehr geschäftig: Zuerst kommt sein Soloalbum bei Kings Link auf den Markt, kurze Zeit später schon dieses, leider nur digital erscheinende Projekt. Das heißt nicht, dass der NY-Rican aus der Bronx plötzlich in Geschäftigkeit aufblühte, das hier im Kreuzfeuer stehende Album ist schon seit Längerem geplant, ebenso wie der Draht zu Spier1200 nicht erst gestern geknüpft wurde. Der japanische Produzent machte bisher nur geringfügig auf sich aufmerksam, unter anderem mit einer LP mit dem Detroiter Finale als auch mit Arbeiten für L.I.F.E. Long. Als Mitglied von 2for5 war er außerdem für deren 2003er Album verantwortlich und somit bereits damals mit Oktober im Bunde. "Pirate Radio" kommt also keineswegs aus heiterem Himmel.

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Um die Sendung zu empfangen, ist das Einstellen der Frequenz 1200FM vonnöten, um dem Konzept, das aus Oktober's Hand stammt, näherzukommen: Im Angesicht der facettenreichen Missstände der Gesellschaft empfiehlt es sich, zum HipHop-Piraten zu mutieren, Regeln und Vorschriften in den Wind zu schlagen, um wie auch immer gearteten Wohlstand zu erreichen. Wenn "Pirate Radio" allerdings wirklich alles ist, was Oktober an Rebellion gegen die Industry-Obrigkeit zu bieten hat, dann darf das HipHop-Piratentum so schnell begraben werden, wie es von Oktober ausgerufen wurde. Schon sein "The Devil Smokes Dimebags" litt an Ereignislosigkeit, das blinde Vertrauen in nur einen Producer in Form von Spier1200 ist da kaum förderlich. Während mir noch L.I.F.E. Long's starkes "Long" in den Ohren schallt, fällt auf "Pirate Radio" lediglich auf, wie sehr der Japaner den Beginn der Scheibe verschläft. Mit Ach und Krach kommt das Duo in den Bereich standardmäßigen bis langweiligen HipHops. Schließlich ist es auch nicht so, dass Oktober genügend PS in der Brust hätte, um schwache Instrumentals zu kaschieren. Wo man weiterhin ein großspuriges Entern der Industry inszenieren hätte können, klopft Oktober die herkömmliche Street-Themenpalette ab, was man nicht zuletzt schon auf "The Devil Smokes Dimebags" zu hören bekam. Das erdrückende Problem bei "Pirate Radio" ist jedoch, dass - so oft man sie auch anhört - die Beats von Spier1200 zum einen Ohr hinein- und zum anderen hinausrauschen, ohne Spuren zu hinterlassen. Man kann sich auf die Musik konzentrieren, wie man will, Tracks wie "I Don't Want It" zwingen die Aufmerksamkeit geradezu in andere Bereiche. Unglücklich auch der abrupte Start in "Closed Fist, Open Eye" mit einem mäßigen Voice-Sample, der schon die erste Assoziation mit der LP Richtung drückender Langeweile dirigiert. Eine Komponente, die dem Album sicherlich ein wenig mehr Reiz verliehen hätte, wären interessante Gäste, doch an dieser Stelle verlässt sich Oktober wieder größtenteils auf sich selbst. Das Zusammentreffen der "Tri Boros" bringt zwar keinen frischen Wind, aber zumindest einen Lufthauch. "G.A.M.E." ("Girls are my everything") soll als thematische Auflockerung und Abwechslung dienen, bis auf den simplen Chorus bleibt jedoch kaum etwas hängen - der Mann für markante Lines ist Oktober erwartungsgemäß nicht. So dümpelt Track um Track vorbei, wobei Spier1200 sich nicht unbedingt der falschen Samples bedient, diese aber zu unaufregend in Szene setzt. "Peace No More" ist zu trocken, dem an sich soliden "Cut Throat Society" fehlt wie so vielen Tracks der Kick. Erst ganz zum Schluss wachen beide Protagonisten für "Extra Move" auf, das auf einmal mit trübem Eastcoast-Sound genau das zeigt, was man sich von Anfang an gewünscht hätte, da selbst Oktober mit seinen Phrasen von der Stange plötzlich schwer in Ordnung klingt. Auch "Hold Ya Head" - diesmal ein relaxt-sommerlicher Kopfnicker - setzt den positiven Trend fort.

Theoretisch sind Oktober und Spier in der Lage, ein gutes Album zu erschaffen. Doch wer erst anfängt, genau das zu zeigen, wenn die Hälfte des Publikums schon im Halbschlaf aus dem Saal gewandelt ist, der macht etwas falsch. Davor ist "Pirate Radio" nämlich ganz und gar nicht vogelwild, sondern ein Bildnis eines austauschbaren NY-Albums der neueren Zeit, das gut als Hintergrundmusik taugt, aber wenig hermacht. Es ist eines dieser Alben, das nicht wirklich schlecht ist und dem man auch nicht besonders viel vorwerfen kann, außer die schwerwiegende Wahrheit, nämlich seine Langeweile. Mit einem hier und da aufblitzenden, versteckten guten Akzent und dem gelungenen Abschluss schaffen es Oktober und Spier1200 knapp, den Anschluss ans qualitative Mittelfeld zu halten.

4.8 / 10

Kool Sphere - Integritty


Release Date:
07. April 2010

Label:
Play It Kool Records

Tracklist:
01. Intro (First Impression)
02. Optimism
03. Stay True (Feat. AZ)
04. Real Recognize Real (Feat. Smoothe Da Hustler)
05. Fact Or Fiction
06. Blue Collar MCs (Feat. AZ)
07. Creative Control (Feat. Rhona Bennett)
08. Supply & Demand (Feat. Smiley The Ghetto Child & Lil Dap)
09. Set Sum Standards
10. Integritty
11. What You Write
12. Steaks & Lobsters
13. Serial Killa
14. Unconditional
15. Code Of Ethics (Feat. Verbal Threat)
16. Reckless Eye-Ballin' (Feat. Kool G Rap & Verbal Threat)

Review:
Eigentlich lässt sich Kool Sphere bisher auf ein einziges Ereignis/ Erzeugnis reduzieren: Die Single "Reality Check", die er 2006 zusammen mit Partner MC Reppond als Verbal Threat veröffentlichte und die vom Meister persönlich, DJ Premier, produziert wurde. Das Duo, das sich gegründet hatte, nachdem Kool Sphere von Queens nach Los Angeles gezogen war, ist seitdem mit der Ankündigung eines bald erscheinenden Albums namens "The Golden Era" wieder mehr oder weniger in der Versenkung verschwunden - der Hype um "Reality Check" ist nahezu verblasst. Während "The Golden Era" weiter auf sich warten lässt, hat KS die letzten eineinhalb Jahre außerdem an seinem Solodebüt "Integritty" gearbeitet, das Anfang 2010 ausschließlich digital erscheint.

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Wie genau KS versucht, es schönzureden, dass sein Neo-90er-BoomBap der wohl wichtigsten Käuferschaft, der kleinen auf CD oder Vinyl eingeschossenen Gruppe Widerstrebender, vorenthalten wird, lässt sich kaum nachvollziehen - dass er mit digitalen Verkäufen auch nur einen Bruchteil der Kosten für die Scheibe einnehmen wird, erscheint sehr unrealistisch. Wirklich große Bemühungen um weitläufige Promo stellt Sphere allerdings auch nicht an, wobei er trotzdem kein schlechtes Aufgebot an Gästen gewinnen konnte, in dem sich immerhin einige NY-Veteranen wiederfinden. Geht man einen Schritt weiter und wirft einen Blick in die Producer-Credits, kann man schon eher nachvollziehen, wieso dieses Album bisher kaum Beachtung fand: Ein gewisser Weirdo bildet mit Res Nullius (ebenfalls vertreten) das Duo Crazeology, kommt aus Mailand, hat bisher eine fast weiße Weste und zeichnet für die Hälfte der Instrumentals verantwortlich. An sich ist das natürlich nicht schlecht, doch das Problem der Scheibe hört man schnell heraus: Ohne einen großen Beat-Bastler im Rücken verkommt Kool Sphere schnell zum 08/15-Renaissance-Rapper, der zwar stimmlich mit seinem gepresst-hellen Organ keinesfalls austauschbar, in seiner Gesamtperformance aber kaum fesselnd ist. Beim Beschreiben der Beats wird schnell der Mund trocken, da man diese Worte schon so oft gesprochen hat, dass man kaum glauben mag, dass es wieder einmal jemand bockstur durchzieht. Da darf man es durchaus scharf auf den Punkt bringen: "Integritty" bietet zu keiner einzigen Sekunde auch nur die geringste Überraschung, es trauert einer vergangenen Ära hinterher und kommt dieser dabei - welche Überraschung - qualitativ nicht nahe. Die gute Nachricht dabei ist, dass die Scheibe ebensowenige Tief- wie Hochpunkte hat: keine. Im angenehm hörbaren Bereich platziert KS dann aber trotzdem einige Stücke: "Steaks & Lobsters" spielt sich munter durch seinen Piano-Loop, "Unconditional" bezieht seinen Charme vom gekonnten Abkupfern (mehr noch als die anderen Songs) bei Premo. Die Gäste sind fraglos eine Aufwertung, doch selbst ein AZ hilft nicht über die Tatsache hinweg, wie ausgelutscht "Blue Collar MCs" klingt. En Vogue's Phona Bennett bereichert das von Loptimist soulig-smooth gestrickte "Creative Control", Smiley und Dap dagegen haben mit einem müden Instrumental von Weirdo zu kämpfen. So zieht sich die ganze Scheibe hin, schickt sowohl Hintergrundmusik ("Fact Of Fiction") als auch annehmbare Kopfnicker ("Stay True") ins Rennen, um dann schließlich mit "Reckless Eye-Ballin'" zu enden, in dem MC Reppond und Kool G Rap für Abwechslung am Mic sorgen, während mit Bronze Nazareth der einzige wirklich namhafte Produzent hinter die Boards tritt, um - bezeichnend für das Album - ein kaum kraftvolles und auch für seine Verhältnisse durchschnittliches Instrumental (somit immer noch eines der besten der LP) beizusteuern.

Erstes Fazit, das sich ziehen lässt: Kool Sphere ist nicht wirklich der Mann für ein Soloalbum. Zusammen und im Wechselspiel mit Reppond wirkt er besser. Zweites Fazit: Weirdo und Konsorten sind keine ernsthafte Bereicherung für die HipHop-Gemeinde. Zu oft hat man schon gehört, was hier erneut in aller Ausführlichkeit durchgekaut wird. Was also kann man von "Integritty" mitnehmen? In seiner Unbekanntheit schwelgt es zu Recht, auf das hoffentlich irgendwann erscheinende Debüt von Verbal Threat darf man trotzdem gespannt sein und sollte man wirklich noch nicht genügend ideenlose BoomBap-Alben, die nach der goldenen Ära erschienen, besitzen, so bietet "Integritty" ein akzeptables Paket, das es sich im guten Durchschnitt gemütlich macht.

5.2 / 10

9th Prince - Revenge Of The 9th Prince


Release Date:
20. April 2010

Label:
Wu Music Group / Granddaddy Flow Ent.

Tracklist:
01. Lyrical Disaster (Feat. Islord)
02. Raised Cain
03. Double 09 (Feat. Beretta 9 & Boy Jones)
04. I Will Rise (Feat. RZA, Thea Van Seijen & Anti-Social)
05. Interlude
06. Young Godz Pt. 2 (Feat. Shyheim)
07. Interlude II
08. Dear R&B
09. Cyanide Poetry (Feat. Killah Priest)
10. Revolution Music (Feat. Planet Asia)
11. Love/Hate
12. Grandfather Flow
13. Snatching Pocketbooks
14. Sour Diesel (Feat. Shyheim & William Cooper)
15. Height Of The Recession (Feat. Islord)
16. Just In Case
17. Target Practice

Review:
Dass 9th Prince nicht mehr hinter Gittern sitzt, lässt er die Rap-Gemeinde spätestens jetzt wissen. Wurde die Veröffentlichung seines Zweitlingswerks "Prince Of New York" noch nicht von ihm persönlich geregelt (erst nach seiner Freilassung verkaufte er es für ein Re-Release an Babygrande), so lässt der dritte Streich nicht lange auf sich warten. Während also seine Killarmy-Kollegen weiterhin daran scheitern, Soloalben zu veröffentlichen oder (wie im Falle Pachino) diesbezüglich gänzlich unbedeutend bleiben, und während sich die Nachricht einer Killarmy-Reunion verbreitet, will der kleine Bruder des RZA die Qualität seiner bisherigen Alben fortsetzen.

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"Revenge Of The 9th Prince" tauft er sein Album, beantwortet aber nicht direkt, wofür sich eigentlich gerächt werden will. Vielleicht für seinen Knastaufenthalt, vielleicht soll die Phrase auch nur auf energiegeladene Musik hinweisen. Label-technisch setzt Prince nicht nur auf sein eigenes, sondern hat als unterstützende Kraft die Wu Music Group im Rücken. Eine weitere wichtige Neuerung betrifft die Produzenten: Ausgenommen eines Auftritts von Monster (der auf "Prince Of New York" noch ein steter Gast war) legt 9th sein vollstes Vertrauen in Brad Perlow, der sich kurz und ergreifend BP nennt. Neben einem Album aus dem Jahr 2003 (das selbst im allmächtigen Interweb kaum Spuren hinterlassen hat) konnte man ihn bisher auf dem Album der Black Market Militia und noch weitaus öfter auf der LP von deren unbekanntestem Mitglied, William Cooper, hören. Gerade dort konnte er keine Akzente setzen, was sich hier allerdings jäh ändern soll. Wieder einmal stellt 9th Prince unter Beweis, dass seine geistige Führungsrolle in der Killarmy gerechtfertigt war und ist, denn er versteht es (im Gegensatz zu Pachino), den Sound, den die Fans seit den Neunzigern bei ihm schätzen, erneut wiederzubeleben und auf "Revenge Of The 9th Prince" einzufangen. Sein Ohr für die richtigen Beats stellt BP in ein ungemein gutes Licht. Natürlich merkt man einen Unterschied, wie er schon von zweitem zu erstem Album vorhanden war, doch die Street-Lastigkeit ist weiterhin gegeben und wächst sich etwa in "Raised Cain" (mit wunderbar in Szene gesetztem Bruce-Springsteen-Sample) zum waschechten Brett aus. Lyrisch glänzt Prince dabei zwar nicht mit Großtaten ("Knock knock, who the fuck's at the door? It's me Sawed-Off, last name Shotgun"), mit seinem Signature-Flow und andernorts gut platzierten Lines lässt sich jedoch problemlos über solche Fehltritte hinwegsehen. "Heist Of The Recession" ist bekanntes Raubüberfall-Storytelling, routiniert umgesetzt und zudem mit Islord an "Sniper Challengers" erinnernd. Neu ist "Dear R&B", in dem Prince als Knastbruder dem "R&B-chick" einen "Fan"-Brief schreibt (der amüsanterweise fast ausschließlich die körperlichen Eigenschaften hervorhebt). Ins von Streichern dynamisch getragene "Revolution Music" schleicht sich Allerweltsgast Planet Asia, während 9th Afro-Power predigt und dabei auch die eine oder andere sinnvolle Zeile verliert ("Build better schools, the seeds need to start droppin' more jewels / Before the HipHop community drown in the devil's pool"). Die Single "I Will Rise" zählt zu den Glanzpunkten und kombiniert starke Gastauftritte (diesen RZA darf es getrost wieder öfter geben) mit einem pompösen Bläseraufgebot. Monster's einziger Beitrag ist "Double 09", das sich in ähnlich starker Manier durch die Boxen wuchtet, um einem etwas nervtötenden Boy Jones (der vergeblich in die Rolle seines Vaters schlüpfen möchte) Spielzeit zu gewähren. Während die zweite Hälfte der LP leicht abflaut, zeigt "Just In Case" nochmals die Schokoladenseite von 9th: "Unorthodox vocabulary, my mind is a library / My heart is a mansion, you just a little house on the prairie".

Konsistenz ist das Wort, mit dem 9th Prince auch im Jahr 2010 seine Stellung behauptet. Dass er es dabei schafft, selbst ohne Wu-Elements oder gar die Beitragenden zu seinen letzten Alben eine zeitgemäße Version genau dessen, was man von ihm erwartet und sich von ihm wünscht, abzuliefern, kann nur für ihn sprechen. Sollte er bei einem vielleicht irgendwann erscheinenden neuen Killarmy-Album bei der Konzeption eine tragende Rolle spielen, darf gehofft werden. "Revenge Of The 9th Prince" nämlich ist der unmittelbare Beweis, dass 9th Prince noch genau das praktiziert, was er am besten kann. So darf Wu-Stuff klingen.

6.7 / 10

Sonntag, 23. Mai 2010

Little Brother - LeftBack

Release Date:
20. April 2010

Label:
Hall Of Justus Records

Tracklist:
01. Curtain Call
02. Table For Two (Feat. Jozeemo & Yahzarah)
03. Tigallo For Dolo
04. Revenge (Feat. Truck North & Median)
05. So Cold (Feat. Chaundon)
06. Second Chances (Feat. Bilal & Darien Brockington)
07. Go Off, Go On
08. What We Are (Feat. Quiana)
09. After The Party (S1 & Caleb's 'Who Shot JR Ewing' Remix) (Feat. Carlitta Durand)
10. Two Step Blues (Zo's 'Purple Suit With The Matching Gators' Remix) (Feat. Darien Brockington)
11. Get Enough Pt. 2 (Feat. Khrysis)
12. Before The Night Is Over
13. 24 (Feat. Torae)

Review:
So wirklich überrascht konnte niemand mehr sein, als Little Brother verkündeten, mit "LeftBack" noch ein letztes Album zu veröffentlichen, bevor die Gruppe vorerst begraben würde. Wenngleich sich die Kritikerlieblinge mit ihren bisherigen drei Alben eine eigene Nische einrichten konnten, deutete sich dieser Schritt langsam an. Alles, was für Phonte und Rapper Big Pooh nun noch zu tun bleibt, ist der saubere Abgang als Gruppe - schließlich gelten Little Brother als einer der Inbegriffe von Backpacker-Rap. All jene, die sich zum krönenden Abschluss nochmal eine Zusammenarbeit mit 9th Wonder erhofft hatten, bekamen schon vorab in einem amüsanten Twitter-Beef eine klare Message, wie es mit der Beziehung zum Ex-Mitglied steht.

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So ist auf "LeftBack" kein einziger 9th-Wonder-Beat zu finden, was selbst von "Getback" nicht behauptet werden kann. Zum Glück für LB hat die Justus League mit Khrysis einen fähigen Ersatz-Inhouse-Zögling hervorgebracht, der mit sieben der 13 produzierten Tracks ständig anwesend ist. Der Rest wird an ein austauschbares Aufgebot aus dem weiteren Bekanntenkreis vergeben. Schon damit ist eigentlich klar, dass LB sich nicht mit einem Paukenschlag verabschieden, denn vor allem Khrysis leidet ebenso am 9th-Wonder-Syndrom, diesem Abdriften in soulige Belanglosigkeit, wie der Namensgeber selbst - vielleicht sogar noch mehr. Nicht nur ist "LeftBack" kein Kracher, vielmehr bekommt man hiermit in aller Ausführlichkeit dargelegt, warum sich der Sound der HoJ-Ecke und somit auch der von LB erschöpft hat. Natürlich heißt das nicht, dass Pooh und Phonte ihre Skills verloren haben, doch auch Tracks wie "Table For Two", das den Zwiespalt zwischen dünnem Geldbeutel und Gönner-Image beim Ausgehen mit der Freundin vorträgt, klingen nicht mehr vollkommen frisch. Nichtsdestoweniger sind es Te und Pooh, die die Scheibe zeitweise attraktiv machen, denn auf instrumentaler Seite herrscht Ratlosigkeit auf jeder Wellenlänge: Young RJ, eigentlich Repräsentant des dynamischen Detroit-Sounds, tänzelt mit papierdünnen Streichern (und einem Hauch einer Drumline) durch "What We Are", der ebenfalls aus der Motor City stammende Herr Porter unterbietet diese Durchschlagskraft mit "Second Chances", einem lauen Lovesong mit noch lauerer Hook. Das Konzept ist zu vorhersehbar: Soul-Sample, softer Beat, am besten noch eine gesungene Hook und dazu ein paar persönliche Lines aus dem Leierkasten der Sympathieträger, wobei dank der laschen Instrumentals vor allem bei Pooh immer wieder die stimmliche Kraftlosigkeit auffällt. Der Feature-Inzest mit dem eigenen HoJ-Camp erweist sich zudem als zusätzlich abträglich. Es ist, so paradox es klingen mag, Khrysis, der in einigen Momenten das Ruder in die Hand nimmt: "Tigallo For Dolo" klingt wie eine 1a-9th-Wonder-Kopie und lässt den müden Pooh für ein Phonte-Solo links liegen, was den besten Track der Scheibe fördert, in dem Tigallo außerdem interessante Lines kickt:



"They saying 'Come back Te, we been craving,
We need LB to come and save the rap game!'
But truthfully, I don't think the shit needs saving
I think we got wives and sons that need raising
New dreams to fill and for that, we need patience
Twenty-one years old, I used to slang verses
But ten years later, I am not the same person
"
Es schließt sich "Revenge" an, das dank druckvollerem Instrumental ebenfalls gelingt und mit Median sogar einen bereichernden Gast (den einzigen aus dem HoJ-Camp) erhält. Schnell versinkt die LP wieder in Langeweile, die sich im schlimmsten Fall bis zum nervtötenden "So Cold" aufbaut und zudem noch zwei vollkommen unnötige Remixes, einmal von Symbolic One und Caleb sowie einmal von Zo!, umfasst, die der Scheibe zu allem Überfluss noch einen Teil des Albumcharakters stehlen. Dass sich die Stimmung mit "Before The Night Is Over", in dem die Portion Smoothness halbwegs Erfolg hat, wieder ein wenig hebt und mit "24" dann sogar einen schwungvollen Ausstieg erlebt, stört auch schon niemanden mehr. Da muss man sich fragen, was Little Brother sich dabei denken, ihre Karriere schon in "Curtain Call" Revue passieren zu lassen, um "LeftBack" dann als ganz und gar nicht überzeugende Zugabe nachzuschieben.

Diese Scheibe zeigt ganz klar, dass die Auflösung von Little Brother eine gute Sache ist. Die LBs haben ihr Pulver verschossen. Und während ich die Aussage zu treffen wage, dass Big Pooh als Solokünstler belanglos bleiben wird, darf man zumindest gespannt sein, was Phonte weiterhin unternehmen wird. Hoffentlich kommt er zu dem Schluss, dass ein Album wie dieses im Kreise des derzeitigen HoJ-Umgangs in absehbarer Zeit keine großen Wellen schlagen wird und man stattdessen neue Impulse benötigt. Denn "LeftBack" ist teilweise unangenehm langweilig und für das Vermächtnis von Little Brother absolut keine Bereicherung.

4.2 / 10

Cypress Hill - Rise Up


Release Date:
20. April 2010

Label:
Priority Records

Tracklist:
01. It Ain't Nothin' (Feat. Young De)
02. Light It Up
03. Rise Up (Feat. Tom Morello)
04. Get It Anyway
05. Pass The Dutch (Feat. Evidence & The Alchemist)
06. Bang Bang
07. K.U.S.H
08. Get 'Em Up
09. Carry Me Away (Feat. Mike Shinoda)
10. Trouble Seeker (Feat. Daron Malakian)
11. Day Destroys the Night (Feat. Everlast)
12. I Unlimited
13. Armed & Dangerous
14. Shut 'Em Down (Feat. Tom Morello)
15. Armada Latina (Feat. Marc Anthony & Pitbull)

Review:
Nahezu zwei Jahrzehnte sind vergangen, seit Cypress Hill ihr Debütalbum veröffentlichten - der Startschuss zu einer Karriere, deren gesamte Plattenverkäufe alleine in den Staaten auf die zehn Millionen zugehen. Abgesehen davon haben sich die Jungs aus Los Angeles County zu einem der bekanntesten Namen, den die Szene je hervorgebracht hat, gemausert, was sie zu nicht kleinem Teil ihrem eigenen Trademark-Stil zu verdanken haben, der unzertrennbar mit dem rauchbaren Grün verflochten ist. Seit dem letzten Album sind nunmehr allerdings sechs Jahre vergangen, in denen jedes der vier Mitglieder auf Solopfaden aktiv war. Als Gruppe darf somit durchaus von einem Comeback gesprochen werden, das mit "Rise Up" erstmals nicht unter der Flagge von Columbia erscheint.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Ein neues Album und gleich so viele Ambitionen: Titel und Cover suggerieren die Verlegung des Themenfokus auf politischere Songs, während B-Real eine ganz andere Marschrichtung erklärt: Da unter den alten die kraftvolleren Tracks bei Live-Auftritten das Publikum (verständlicherweise) zu weitaus mehr aktiver Anteilnahme bewegen, wolle man einen großen Teil des neuen Albums mit feurigeren Rhythmen ausstatten und auch die genreübergreifenden Gitarrenelemente stärker miteinbeziehen. Dem gegenüber steht natürlich die Pflicht, dem Image, das man mit Cypress Hill verbindet, gerecht zu werden und auch die eine oder andere Smoker-Hymne in der Tracklist zu platzieren. So verwundert es nicht groß, dass sich "Rise Up" ganz gut in ebensolche Kategorien einteilen lässt. Fast universell für das ganze Album aussprechbar ist besagte Live-Tauglichkeit. Eine schon von vornherein fragwürdige Angelegenheit ist dabei die Aufteilung der Produktionsarbeit: zweimal ist Muggs involviert, achtmal dagegen B-Real, das entzieht sich nicht nur auf den ersten Blick der Nachvollziehbarkeit, vor allem wenn man bedenkt, wozu ein Muggs auch noch heutzutage imstande ist. Doch auch B-Real hat sich inzwischen zu einem erstklassigen Beatschrauber entwickelt, was Muggs' spärliche Präsenz auf der Scheibe nie zu einem ernsthaften Thema macht. Zusammen mit der eindeutig höheren Mic-Zeit seitens B-Real gegenüber Sen Dog laufen CH Gefahr, zu einem Gast auf einem B-Real-Album degradiert zu werden. Doch sei's drum, auch hierbei handelt es sich um nichts, was das CH-Feeling kippen könnte. Das schafft schon eher der ernüchternde Start ins Album: "It Ain't Nothin'" ist ein typischer Kopfnicker mit Westcoastakzent, nicht schlecht, aber auch nicht gerade mitreißend. In diesem Kielwasser verbleiben Cypress Hill vorerst, stellen mit "Rise Up" und Tom Morello den ersten gitarrenschwangeren Song vor, ohne große Begeisterung auszulösen. Des Weiteren deutet sich schon an, dass ein eventueller politischer Aspekt der LP größtenteils in Rauch verpufft. "Light It Up" ist die Devise, während Pete Rock seinen Standardauftritt mit enttäuschend langweiliger Drumline unterlegt - das Marihuana-Ambiente kommt noch nicht auf. Dieses Problem behebt sich, wenn CH kurze Zeit später langsam ins Rollen kommen und man, befeuert von einem starken Muggs-Beat, der dem klassischen, eigenen Stil am nächsten kommt, fordert: "Pass The Dutch" (dessen Gäste man sich getrost hätte sparen können). Im weiteren Verlauf zeigt sich, dass die Rock-Infusionen nicht immer ziehen (während das langsam aufbauende "Trouble Seeker" abzüglich der Hook sehr schön funktioniert, will "Shut 'Em Down" keine Raffinesse aufbringen) und dass Cypress Hill keinen Wert auf Raucherpausen legen. Lediglich in "Armed & Dangerous" werden für eine Dia-Show des eigenen Werdegangs sachte Streicher eingeworfen. Das eigentlich für diesen Anlass gedachte "K.U.S.H." ist selbst nüchtern schnell wieder vergessen. Ein thematischer und stilistischer Ausreißer findet sich in "Carry Me Away", für das Mike Shinoda die - in Ermangelung einer besseren Umschreibung - Emo-Hook singt, währen B und Sen die harte Seite ihrer Kindheit beleuchten. Wäre das Album in dieser Form eher mager, reihen sich außerdem noch einige Früchtchen ein: "I Unlimited" ist eine Bombe mit grandiosen Old-School-Anleihen (hier zeigt B-Real sein ganzes Producer-Können), "Bang Bang" lebt von eingängigem Voice-Sample und trefflichen Claps. "Get 'Em Up" zündet nicht nur bei Live-Shows und lässt "Armada Latina" als einzigen erwähnenswerten Track übrig, der - erstaunlicherweise - als radiotaugliche Single sowohl zum Relaxen einlädt als auch im Club funktionieren könnte und "Rise Up" um eine Facette reicher macht.

Bevor man ans Eingemachte geht, darf gesagt werden, dass Cypress Hill als Gruppe ihre Relevanz nicht verloren haben. Ob nun der eingefleischte Fan mit dem neuen Album voll und ganz zufrieden sein wird, bleibt fraglich, schließlich scheint es wie eine Scheibe, mit der CH (teilweise) neues Gebiet erschließen und somit auch neue Fans gewinnen wollen. "Hits From The Bong" bekommt man keine, doch dem erklärten Ziel, der Live-Crowd ein wenig mehr Futter bieten zu können, ist man erfolgreich nachgekommen. Die Vielfalt, die dabei geboten wird, sorgt dafür, dass jeder etwas finden wird, was ihn anspricht, die wenigsten aber das komplette Album feiern können. Abgesehen davon hat sich außerdem der eine oder andere mittelmäßige Track eingeschlichen. "Rise Up" lässt sich als knapp gutes Album mit einer Respektbekundung gen CH abnicken. 

6.5 / 10

Murs & 9th Wonder - Fornever


Release Date:
13. April 2010

Label:
SMC Recordings

Tracklist:
01. Fornever (Feat. Kurupt)
02. The Lick (Feat. Verbs)
03. Asian Girl (Feat. 9thmatic)
04. Let Me Talk (Feat. Suga Free)
05. Cigarettes And Liquor
06. Vikki Veil
07. I Used To Love H.E.R. (Again)
08. The Problem Is... (Feat. Sick Jacken & Uncle Chucc)
09. West Coast Cinderella
10. Live From Roscoe's (Feat. Kurupt)

Review:
Vor sechs Jahren stellte sich erstmals heraus, wie gut sie zusammenpassen: Murs aus Los Angeles und 9th Wonder aus North Carolina. Diese symbiotische Zusammenarbeit äußerte sich in zwei gefeierten Alben in den Jahren 2004 und 2006, um dann für Murs' Major-Debüt scheinbar auf Eis gelegt zu werden. Doch den Fans wird noch vor "Murs For President" das kostenlose "Sweet Lord", ein weiteres Projekt von Murs und 9th, nahegebracht, und letzten Endes hält es Murs nicht lange bei Warner. 2010 schließlich ist das Duo bei SMC Recordings gelandet, um der Welt das dritte offizielle Kollaboalbum, "Fornever", zu präsentieren.

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Wieder sind es - wer hätte es gedacht - zehn Tracks, die darauf deuten, dass am Erfolgsrezept wenig geändert wurde. Bei den Gästen ist das jedoch durchaus der Fall, schließlich steht 9th Wonder der Justus League nicht mehr so nahe wie einst. Auch die Anzahl der Gäste hat rapide zugenommen, was bei der kurzen Trackzahl nicht gerade erfreut. Doch keine Sorge, das typische Murs-9th-Feeling geht der Scheibe nicht ab. Es mag daran liegen, dass 9th Wonder in der letzten Zeit nicht mehr so stark präsent war, wie es noch vor einigen Jahren der Fall war, doch die prophezeiten Ermüdungserscheinungen seines Sounds werden nicht zum Problem. Die für ihn so typische, dünne Drumline belebt sowohl den eröffnenden Titeltrack "Fornever" als auch die in den Ring tretenden Emcees: Murs, der mit seinem relaxten Flow immer noch hervorragend zu 9th passt, und Kurupt, der sich locker durch den Track flext. Im weiteren Verlauf stellt sich zwar heraus, dass 9th Wonder keinesfalls überragende Arbeit leistet, doch das von ihm gestaltete Bühnenbild ist gut genug für Murs und seine albumfüllende Rap-Show. Wie man es von ihm kennt und schätzt, enthält seine Erzählstunde wieder eine ansprechende Mischung aus Problemen mit dem weiblichen Geschlecht und Persönlichem. Oder aber man darf sich über "Cigarettes And Liquor" freuen, das in süffisanter Art und Weise im ersten Verse die Raucher- und im zweiten die Trinker-Klischees ("You know when you really drunk? When you say you're not / [...] / The cancer might kill y'all, cirrhosis of the liver / But we still keep spendin' on cigarettes and liquor") unter moralischem Zeigefinger betrachtet. Es gibt allerdings auch Momente, in denen Murs im Leerlauf rappt: "Asian Girl" befasst sich mit den zu wenig geschätzten Asiatinnen, ohne dabei so originell wie seinerzeit "D.S.W.G." zu sein. Hinzu kommt, dass 9th beim Beat schwächelt. Das gilt ebenfalls für sein seichtes Instrumental in "I Used To Luv H.E.R (Again)", das zwar als starker Verweis, wie zeitgemäß Common's Klassiker noch ist, eine kurze Anmerkung wert gewesen wäre, sich in seinen vollen sechs Minuten allerdings als höchst ermüdend herausstellt, zumal Murs seine zeitgemäßen Eigeninterpretationen zu spärlich einbaut - statt Onyx und EFX finden nun Kanye, Auto-Tune und die South-Proletenschaft unterschwellig Erwähnung ("Tatted all up with 808's and heartbreaks / Nails is too pretty to be diggin' in the crates"). Voll in seinem Element ist Murs bei Tracks wie "Let Me Talk", in dem er sich in einem aussichtlosen Disput mit seiner Freundin wiederfindet, oder "West Coast Cinderella", das eine Märchenstunde im Ghetto-Stil abhält. Zwischendurch wird mit "The Problem Is..." ein wenig Gesellschaftskritik eingestreut, auf dass "Vikki Veil" wieder mit feinstem Storytelling glänzt: Ein Murs, der sich in die Pornodarstellerin Vikki verliebt (und dann in der Beziehung in Eifersucht zergeht) - klassischer Murs-Song. Entschließt Murs sich dann dazu, im abschließenden "Live From Roscoe's" ohne großes Motto in den Song zu gehen, hilft 9th mit dem besten Instrumental des Albums aus.

Keine Begeisterungsstürme, aber doch durchgängige Zufriedenheit: Vor allem 9th Wonder ist es zuzuschreiben, dass nicht ganz an "3:16" oder "Murray's Revenge" angeknüpft werden kann, seine Instrumentals wirken oft nur wie die Begleitung von Murs' Rap, zeigen zu selten wahre Klasse ( wie etwa in "Live From Roscoe's"). Murs zeigt mit seinen Songkonzepten einmal mehr, wieso er ein so sympathischer Kerl ist. Wie schon im Voraus abzusehen, ist die Zahl der Gäste - wenngleich keiner negativ auffällt - bei nur zehn Tracks zu hoch. Im Angesicht der derzeitigen Konkurrenz kann sich "Fornever" aber ohne Probleme behaupten.

6.6 / 10

V/A - Lake Entertainment Presents: The 41st Side


Release Date:
11. September 2001

Label:
Lake Entertainment / Landspeed Records

Tracklist:
01. Interview With DJ Soul (Intro)
02. Cardboard Box (Feat. Havoc, The Jackal, Littles & Nature)
03. It's Serious (Interlude)
04. Crush Linen (Feat. Lake)
05. Pain (Feat. A. Dog & Big Noyd)
06. Do My Thang (Feat. Killa Sha)
07. Husslers N Gangstaz (Feat. Germ & Artillery)
08. Take U Back (Feat. Bars-N-Hooks, Chinky & Don Alon)
09. Bringing Me In (Interlude)
10. Let 'Em Hang (Feat. Nas, Lake & V-12)
11. Voice Mail #1 (Interlude)
12. Crazy 8's (Feat. Littles, Wiz, Blitz, Jungle, Faul Monday, Germ, Lake & Prodigy)
13. Why Ya'll Wanna Play (Feat. Faul Monday, Mr. Chalise & Killa Sha)
14. Voice Mail #2 (Interlude)
15. Keep Doin' U (Feat. Craig G)
16. We Gon' Buck (Feat. Capone-N-Noreaga, Lake & Cormega)
17. Get Back (Feat. Prodigy, Ammo & Tragedy Khadafi)
18. Right Or Wrong (Feat. Blitz & Lake)
19. Voice Mail #3 (Interlude)
20. 41st Side (Feat. Bigga Du, Fly Tye, Hooks & Don Alon)
21. What I Live For (Outro)

Review:
Die HipHop-Brutstätte Queensbridge brachte neben unzähligen Künstlern zwei erwähnenswerte Compilations hervor: Einmal die von Nas zusammengetrommelte "QB Finest"-Platte und außerdem diese hier: "The 41st Side". Verantwortlich ist hier allerdings Lake Entertainment, bzw. Lake (auch als Lakey The Kid bekannt), eine nicht unbekannte Persönlichkeit in seiner Nachbarschaft, die nach verbüßter Haftstrafe (deren Folge u.a. Shoutouts auf "Illmatic" waren) dieses Projekt ins Leben ruft. Wenngleich er bis dato mit einer Rap-Karriere herzlich wenig am Hut hatte, sorgen seine Connections für ein Lineup, das sich nicht vor Nas' Compilation verstecken muss.

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Das Wesen der Scheibe ist trotzdem ein anderes: Lake hat seine eigene Geschichte zu erzählen, außerdem hat es neben den Zugpferden eine Palette an vollkommenen No-Names mit auf die LP geschafft. Zuerst aber das, was Lake in "Intro", "Outro" und zwei der "Interludes" preisgibt: Grund für sein Verhängnis ist eines Abends 1992 das Auftauchen eines ungeliebten Typen aus fremder Nachbarschaft, dem Lake nach einer verbalen Auseinandersetzung Blei in den Bauch pumpt. Während seiner sieben Jahre Gefängnisaufenthalt fasst der Gedanke, ein Album mit allen Namen aus seiner Hood aufzunehmen, Fuß; als Lakey dann schließlich entlassen wird, sind alle dabei. Neben vielen lokalen Unbekannten konnte auf Seiten der Produktionen außerdem The Alchemist für drei Beiträge gewonnen werden. Des Weiteren steuert Havoc das eröffnende "Cardboard Box" bei, das, wenngleich es klanglich gar nichts mit seinen besseren Zeiten zu tun hat, durchaus seinen Reiz entfaltet und in dem vor allem Nature auftrumpft. Ein schnell offensichtliches Problem ist der fehlende geschlossene Sound - eine Compilation der QB sollte schließlich auch einen QB-Sound bieten, doch da läuft "The 41st Side" oft ins Leere. Was aber nicht heißt, dass die Songs im Einzelnen alle verwerfenswert wären: Der inzwischen als Killa Sha tätige Prince A.D., der releasetechnisch bisher kaum aktiv war, sorgt für zwei starke Momente der Scheibe, bei denen er sowohl produziert als auch rappt: "Do My Thang" befeuert mit düsterem Instrumental seine scharfe Stimme, in "Why Y'all Wanna Play" bekommt er Gesellschaft von Killa-Kidz-Kumpel Mr. Chalise und Faul Monday, die aufzeigen, dass auch in der zweiten bzw. dritten Reihe aus den sechs Blocks Talent zu finden ist. Schwer in Bedrängnis bringen diese Aussage allerdings Bars-N-Hooks, die mit Don Alon und Chinky "Take U Back" verbrechen, für das es keine Worte gibt. Vom idiotischen Beat zu den platten Raps hin zur Ohrenvergewaltigung, die Chinky in der Hook betreibt - dieser Song reißt eine Wunde in den Albumfluss. Weitere Schwachpunkte schließen "41st Side" mit belangloser Vorstellung der Emcees sowie das schnell nervige "Crazy 8's" ein. Andere Songs, wie leider auch der Auftritt von Tragedy und Prodigy in "Get Back", spielen sich über unauffällige Eastcoast-B-Ware ab. Trotzdem überwiegen die guten Anspielpunkte: "Let 'Em Hang" mit einem traumhaften Alchemist-Beat und einem Lake, der neben dem ungemein guten Auftritt von Nas bestehen kann, markiert einen der Alchemist-Highlights. Die anderen finden sich in "We Gon' Buck", einem Streicherungetüm mit fantastischem Zusammenspiel der Emcees, und in "Crush Linen", in dem Lake ganz alleine unterhält. Bisher unerwähnte Punkte streichen die unbekannten Germ und Artillery mit klassischer Street-Kost ein, wenn sie das unschöne Leben der "Husslers N Gangstaz" zum Thema machen. Und während Craig G in "Keep Doin' U" für gute Laune sorgt, wirft ein letztes Highlight "Right Or Wrong" ab, in dem Blitz dem illegalen Pfad mittels Rap den Rücken kehren will, während der frisch aus dem Knast entlassene Lakey für das Hustler-Leben plädiert: "I'm writin' rhymes / (I'm choppin' dimes) / Shit, I'm layin' low / (I'm try'nna shine) / (Nigga, fuck Rap!) / Nah, nigga, fuck crime!"

Man muss in Betracht ziehen, dass die Compilation zu einer Zeit veröffentlicht wurde, in der das unantastbare Bild der Queensbridge schon schwer bröckelte. Es wäre schon eine große Überraschung gewesen, wenn hier ein einheitlicher Sound gefahren worden wäre. Abgesehen davon hätte Lake es wirklich schlechter treffen können: Viele der Songs überzeugen mit Eastcoast-Flavor, einige der unbekannten Gesichter reimen sich ins Bewusstsein der Hörerschaft, die Großen (Nas, CNN, MD) geben sich keine Blöße. Dass sich die Scheibe so gut verkaufte, ist zwar überraschend, aber nicht vollkommen ungerechtfertigt. Wäre da nicht "Take U Back", die Wertung wäre noch ein wenig höher ausgefallen.

6.2 / 10

Verbal Kent - Save Your Friends


Release Date:
04. Mai 2010

Label:
Eigenvertrieb

Tracklist:
01. Save Your Friends
02. So Wrong (Feat. Alltruisms, Roadblock, & Kang The Konqueror)
03. Wreak Havok
04. The Moment Of Truth (Feat. Roadblock & Kang The Konqueror)
05. Party Pooper
06. Fever (Feat. Rusty Chains, Alltruisms & Lance Ambu)
07. Dont Go Now (Feat. William Kurk)
08. Underdogs Pt.II (Feat. Rusty Chains & Lance Ambu)
09. Monolouge
10. In The Beginning

Review:
Seit nunmehr einem Dutzend Jahren hebt ein Artist aus Chicago der Szene mit gepflegtem Battle-Rap den Mittelfinger unter die Nase. Die Rede ist von Verbal Kent, der vom Fan zum Künstler wurde. Inzwischen sogar zu einem schwer respektierten, schließlich logiert er dank gutem Draht zu den Molemen in Chicagos feinsten Kreisen, nennt mit Giraffe Nuts eine fähige Truppe seine Crew und konnte seit 2004 konstant mit gutem Feedback überhäufte Alben veröffentlichen. 2010 heißt es dann "Fuck it": Verbal Kent gibt einen feuchten Kehricht auf Stores und die Business-Gewohnheiten und legt der Welt ein neues Album vor, das es nur bei ihm selbst zu erwerben gibt: "Save Your Friends".

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Überrascht ist man irgendwie nicht, denn es wäre eine Lüge zu sagen, dieser Move sei nicht typisch für VK. So also sieht man sich mit zehn Tracks und einer halben Stunde Vollgas konfrontiert. Nachdem mit Kaz One im letzten zwar ein gutes, doch kein überwältigendes Album veröffentlicht wurde, ist man beinahe schon wieder verwundert, wie schwungvoll VK hier die Türen eintritt, um im Titeltrack "Save Your Friends" auch sofort das ganze Haus umzublasen. Lächerlich gut, wie er in seinem charakteristischen Flow eine Knockout-Punchline nach der anderen platziert ("This isn't 8 Mile, this is a sociopath, throwin' stones in your window with a Romeo mask / [...] / So in your case, go fuck a mermaid with herpes / In your case, hope she ends your days with her AIDS") und das Ganze mit einem Enthusiasmus ölt, wie ihn in diesem Jahrtausend wenige aufbringen. Dieser Mann ist Feuer und Flamme am Mic. Seine etwas unsaubere Aussprache, der Flow, der beständig droht, die letzten Buchstaben seiner Lines zu verschlucken - all das macht es unmöglich, sich seinen Battle-Raps zu entziehen. Der pompöse Erstschlag wäre natürlich nicht halb so effektiv ohne das Instrumental, das mit scheppernden Hörnern und kratzigem Voice-Sample unverschämt dreckig ist. Bei der Wahl der Beats beweist VK wieder einmal, dass er ein mehr als würdiger HipHop-Fan ist. Denn selbst wenn er seine Ware u.a. von Standard-Namen wie Marco Polo oder Oddisee bezieht, klingt "Save Your Friends" geschlossen und dabei so einheitlich derb, als hätte VK seinen persönlichen Meisterproduzenten im Hintergrund. Rumpelnde Drumlines geben den Punchlines noch mehr Durchschlagskraft. Was Lord Beatjitzu (der nach dem Opener zum zweiten Mal auf sein Können hinweist) in "Wreak Havoc" seinen Apparaturen entlockt, spielt jenseits von Gut und Böse und sollte in jedem Rapper puren Neid auf VK entzünden. An vielen Stellen erinnert die Platte an "Fist Shaking", wobei die Fäuste hier ironischerweise öfter geschwungen werden. "Underdogs Pt. II steht dem ersten Teil in wenig nach - wieder ist es ein famoses Bläser-Sample, das die Raps der Giraffe-Nuts-Emcees umspielt. Interessanterweise sind es die kleinen Beatbastler, die für die größten Momente sorgen. Neben schon erwähntem Lord Beatjitzu trifft hier Varan den typischen VK-Sound punktgenau. Ebenfalls gelingt ihm das mit dem etwas ruhigeren, aber nicht weniger eingängigen "Don't Go Now" oder dem bassstarken Kopfnicker "So Wrong", der auf ein Neues die Dynamik im Nuts-Camp vorführt. Tiefgründige Songs darf und sollte man nicht suchen, für ein Verlangen danach gibt VK dem Hörer allerdings sowieso keine Zeit, selbst im von Marco Polo durchschnittlich geschusterten "Monolouge". VK schafft es, die wenigen schwächeren Momente nach jedem Albumdurchlauf als nichtig erscheinen zu lassen. Nichtsdestotrotz ist auch Oddisee's "In The Beginning" kein Hit, was bei der geringen Trackzahl nicht ganz unter den Tisch zu kehren ist. Abschließend sei noch einer der feinsten Momente erwähnt, nämlich "Fever", das als Definition des so guten VK-Stils in die Waagschale springt und auch mit behaltenswerten Lines nicht spart: "My headache's happening - that means, somewhere, right now a wack man's rapping / And some wack producer is sampling, I must leave you trampled / Beef with my camp, find your nuts in your asshole".

Da alle Fans von Verbal Kent wohl schon bestellt haben, ist an dieser Stelle das Wort an den Rest zu richten: Wer "Fist Shaking" kennt und schätzt, der wird hiermit mehr als nur zufrieden sein. Wer bisher noch nicht vertraut ist mit VK, der mag dieses kurze und kompakte Werk als Einstiegsdroge verwenden. VK bleibt ein Aushängeschild für deftigen Battle-Rap mit fetten Beats, die er so gut wählt, dass man ihm mittlerweile fraglos einen eigenen Stil zuschreiben kann. Wer so viel Qualität gebunkert hat, der darf auf den Rest pfeifen und nur aus erster Hand verkaufen. Denn wer 2010 nach starkem HipHop sucht, der sollte bei "Save Your Friends" innehalten und einen Kauf in Erwägung ziehen.

6.9 / 10

Cormega - The True Meaning


Release Date:
11. Juni 2002

Label:
Legal Hustle Records / Landspeed Records

Tracklist:
01. Introspective
02. Verbal Graffiti
03. Live Ya Life
04. Ain't Gone Change
05. The True Meaning
06. A Thin Line
07. The Legacy
08. Love In Love Out
09. The Come Up (Feat. Large Professor)
10. Built for This
11. Soul Food
12. Take These Jewels
13. Endangered Species
14. Therapy

Review:
Nach dem zweifelsohne missratenen Start seiner Karriere in den Neunzigern - angefangen bei Nas' Shoutout und einem vielversprechenden Deal mit Def Jam, der dann platzte, auf dass danach auch noch die Firm-Geschichte schief laufen sollte, muss sich der mysteriöse Cormega, dessen Namen viele gehört haben, den aber wenige wirklich kennen, seinen Platz im HipHop erkämpfen. Den ersten großen Schritt nimmt er mit dem "The Realness", das sich zwar schlecht verkauft, jedoch trotzdem durchgehend positive Resonanz einfährt. Knapp ein Jahr später legt der Queensbridge-Rapper nach und veröffentlicht "The True Meaning".

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Ebenso wie beim Debüt darf man sich auch hier über ein ganzes Album mit den einmaligen Rhymes des Straßenpoeten Cory McKay freuen. Erneut verzichtet Mega weitesgehend auf Gäste, was sich als vortreffliche Entscheidung herausstellt. Mit seinem Themenspektrum geht er zwar immer noch nicht auf Weltreise, doch die konsequent durchgezogenen Bilder des eigenen Ghettos, die sich mit den altbekannten Themen zeichnen, tun's auch - schließlich ist es bei Mega die kunstvolle Art, wie er seine Rhymes aufsagt, die ihn in Kombination mit seiner Stimme einzigartig macht. Wie jeder andere auch, so braucht auch Cormega genügend gute Beats, um zu überzeugen, und hier wirft er eine seiner größten Stärken in die Waagschale: Sein glückliches Händchen bei der Beat-Auswahl ist der tragende Faktor, der "The True Meaning" zum Erfolg macht. Die Atmosphäre wirkt im Vergleich zu "The Realness" abgeklärter, teils ruhiger und oft weitaus gefühlvoller, was - wenngleich Geschmackssache - perfekt zum ebenfalls sehr besinnlichen Stimmorgan passt. Das scheint auch Mega selbst nicht entgangen zu sein, weswegen schon der mit cleverem Wortspiel bedachte Titel "Introspective" (der schon ankündigt: "I killed it with The Realness, now I'm bringin' new life") die entsprechende Marschrichtung vorgibt. Die auf "The Realness" noch öfter servierte, härtere Street-Kost packt Mega nunmehr nur noch einmal aus: "A Thin Line" ist ein erstklassiger Kopfnicker und beschäftigt sich mit der Snitch-Thematik, einem im Album immer wieder auftauchenden Motiv. Doch Cory's Stärke liegt bei den Tracks, die seiner nicht gerade kraftvollen Stimme schmeicheln: Alchemist's träumerisches "The Legacy" wird genutzt, um eine Zeitreise in die ausgehenden Achtziger zu unternehmen. Instrumental ganz ähnlich gestaltet sich das nicht minder grandiose "Love In Love Out", mit dem Mega die Geschichte mit Nas nochmals ganz nüchtern aufrollt:

"It started with the cover of YSB
A picture of The Firm, everyone except me
Then my voice disappeared off La Familia
That's when it was clear to me there wasn't no real love
I was out The Firm, unless I signed a production deal
Which I didn't do cause son, that wasn't real
I was never jealous of you, In fact I was proud of you
I smiled when I heard you on 'Live at the Barbeque'
"

Selbst mit gesungener weiblicher Hook kommt Mega problemlos zurecht, er macht daraus in "Live Ya Life" sogar ein weiteres Kunstwerk. Doch auch Platz für ein wenig Kritik muss sein: "Built For This" ist zu langweilig, um mit dem Rest der LP mitzuhalten, "The True Meaning" hat mit einem zu sehr strapazierten Voice-Sample zu kämpfen. Weiterhin mit von der Partie ist eines seiner charakteristischen Acapellas und ein überragendes Instrumental ("The Come Up") des Large Professor, für das er sich auch hinters Mic begibt. Ohne groß aufzufallen, dafür aber den roten Faden der Scheibe ohne Niveauverlust fortführend, zieht das etwas schnellere "Soul Food" (in dem Cory als Liebhaber seine starken Gefühle für die Vergebene klären muss) vorbei und schlendert das smoothe "Take These Jewels" durchs Bild, bis sich der in "Verbal Graffiti" von atmosphärischen Saiten gespannte Bogen mit "Endangered Species" in die Stimmung eines (durch entsprechende Geräusche der Fauna beschworenen) schwülen Sommerabends senkt. Den Abschluss macht das vor Melancholie triefende "Therapy[", dessen ergreifender Stimmung selbst die etwas schwach gesetzten Cuts nichts anhaben können.

Cormega schafft es, sich mit seinem zweiten (und eigentlich dritten) Album weiter in der Szene zu etablieren und sogar noch mehr Respekt einzufahren. Auch wenn man nichts darauf geben sollte, so erhielt die LP doch die Auszeichnung "Independent Album Of The Year" von der Source - in diesem Fall durchaus zu Recht. Die Verlagerung der Instrumentals in die gefühlvolleren, ruhigen Gefilde erweist sich als guter Zug, der Mega's Erscheinung am Mic nur zuträglich ist - für Street-Tales im harten Stil gibt es genügend andere. "The True Meaning" ist maßgebend an dem Bild beteiligt, das man von Cormega hat und schätzt. Denn diese einzigartige Verbindung der in gleichem Maße sanften Stimme und Instrumentals markiert bis dato sein bestes Schaffenswerk.

8.7 / 10

Mobb Deep - Hell On Earth


Release Date:
19. November 1996

Label:
Loud Records

Tracklist:
01. Animal Instinct (Feat. Ty Nitty & Twin Gambino)
02. Drop A Gem On 'Em
03. Bloodsport
04. Extortion (Feat. Method Man)
05. More Trife Life
06. Man Down (Feat. Big Noyd)
07. Can't Get Enough Of It (Feat. General G)
08. Nighttime Vultures (Feat. Raekwon)
09. G.O.D. Pt. III
10. Get Dealt With
11. Hell On Earth (Frontlines)
12. Give It Up Fast (Feat. Big Noyd & Nas)
13. Still Shinin'
14. Apostle's Warning

Review:
Eineinhalb Jahre sind seit "The Infamous" vergangen. Man befindet sich im Jahr 1996, einem der letzten Glanzjahre der rohen HipHop-Schule der Ostküste, in der sich Mobb Deep mit ihrem schnell als Klassiker gefeierten zweiten Album unmittelbar in leitende Positionen katapultierten. Auf einmal stehen sie als Mitverantwortliche im Ost-West-Beef da und Opponenten wie u.a. Tupac gegenüber. Keine Zeit, Schwäche zu zeigen, was sich mit dem inzwischen dritten Album zeigen sollte. Der große Unterschied: Auf "Hell On Earth" lasten - ganz im Gegensatz zu "The Infamous" - nicht gerade niedrige Erwartungen.

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Der Weg, für den sich Havoc und Prodigy entscheiden, ist der absolut richtige. Keine Experimente, sondern eine Fortführung des 1995 eingeschlagenen Pfads wird für "Hell On Earth" gewählt. Dafür nimmt Havoc die Produktionsarbeit komplett in die eigene Hand, während sich am Bild der Gäste nicht viel ändert, ausgenommen die Infamous Mobb, die nun auch mitmischt, um bekanntermaßen später einen festen Teil der Infamous-Familie auszumachen. Doch wozu groß umschreiben, wenn Havoc es selbst auf den Punkt bringt: "You know how we did on The Infamous album, right? So we gon' do it again, son." Mehr Worte braucht es nicht, den Rest sagen Havoc's charakteristisch scheppernde Snares, Prodigy's eiskalte Stimme, die nichts von ihrer "The Infamous" so stark machenden Schärfe verloren hat, und die Gesamtatmosphäre, die Havoc diesmal noch enger schnürt, um den östküstlichen Hardcore-Maßstab neu zu definieren oder ihm zumindest eine neue Facette hinzuzufügen. Finstere Streicherkompositionen und wehklagende Piano-Loops sind sein Werkzeug. Der Sounndtrack zur Hölle auf Erden ist der Sound der 41st Side und ihrer dunklen Hintergassen. So ist der Kampf an der Projects-Front ein schwer melancholischer, in dem Prodigy den Schmerz vieler Jahre Straßenleben transportiert. Ganz gleich, ob er dabei nun lügt oder nicht, seine Raps auf der LP klingen einmal mehr so authentisch, wie es wenige andere Emcees je zustande gebracht haben. Selbst bei Hav hört man, dass er sich Mühe gibt, mehr als der Statist zwischen P's Einsätzen zu sein, was ihm auch gelingt. Inhaltlich ist die Scheibe natürlich durchgehend dünn: Streetlife, beleuchtet aus allen Winkeln, das mag dem einen oder anderen zu wenig sein, doch es passt wie die Faust aufs Auge und wird dank der Klasse der Emcees auch nie langweilig. In "More Trife Life" gibt es sogar ein wenig Storytelling: In dem Havoc-Solo führt ein Anruf einer alten Bekanntschaft in eine verhängnisvolle Falle. Ansonsten jedoch sind es Hav und P, die austeilen: "Drop A Gem On 'Em" ("Now you wanna go at my team / You must've been drunk when you wrote that shit / Too bad you had to did it to your own self / My rebellion, I retaliate, I had the whole New York state aimin' at your face") ist eines der Zugpferde der Scheibe, was aufgrund des genialen Piano-Loops, der rohen Drumline und der scharfen Worte Richtung Tupac nicht ungerechtfertigt ist. Über die Gäste muss nicht viel gesagt werden: Die Kollegen aus dem Eastcoast-Heeresstab (Nas und die beiden Wu-Tangs) sind über jeglichen Zweifel erhaben, die eigene Clique - Noyd, General G (später Illa Ghee) und IM3 - dienen als stärkende Lakaien, die wie im eröffnenden "Animal Instinct" nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig auffallen. Highlights auszumachen, fällt bei "Hell On Earth" wohl noch schwerer als beim Vorgänger, da die Scheibe ihre Perfektion als kompakte Einheit anstrebt. "G.O.D. Pt. III" bedient sich dabei des dramtischen "Tony's Theme" (Scarface), "Still Shinin'" gehört zum bärenstarken Schlussteil und geleitet Willie Hutch's Soul-Stimme in ungeahnt raue Sphären. Nach einem düsteren "Nighttime Vultures" und "Get Dealt With" (mit herrlich schwermütigem Instrumental) beschließen IMD ihr Album mit "Apostle's Warning", einem weiteren sagenhaften Manifest ihres unschlagbaren Erfolgsrezepts.

Ist es ein Verbrechen bzw. ein würdiger Kritikpunkt, sich im Vergleich zum vorigen Album kaum weiterzuentwickeln, wenn der Vorgänger "The Infamous" heißt? Mobb Deep schaffen mit diesem Zweitwerk ("Juvenile Hell" nicht berücksichtigt), was kaum ein anderer Künstler geschafft hat: Sie fangen genau die Atmosphäre, die den vorangegangenen Klassiker zu einem ebensolchen machte, ein und kreieren somit einen qualitativ ebenbürtigen Nachfolger, der sogar noch kompakter wirkt. Es ist kein Wunder, dass "Hell On Earth" von vielen Fans als bestes Mobb-Album angesehen wird - "The Infamous" hat den Klassikerstatus nur fester gepachtet, weil es zuerst da war. Nüchtern betrachtet ist "Hell On Earth" die bestmögliche Fortsetzung und auf Augenhöhe mit dem Vorgänger.

9.9 / 10

Vector Sigma - The Key Volume 1


Release Date:
11. November 2003

Label:
Third Op Records

Tracklist:
01. Intro
02. Armageddon (Feat. J.U.I.C.E.)
03. The Unseen Hand (Feat. Prime)
04. A Chance Given feat Pugslee Atomz)
05. Wasteland Broadcast (Feat. Lord360)
06. Because The Can't (Feat. Nova ILLa)
07. What Once Was (Feat. JdoubleU & He.llsent)
08. University Of Hard Knocks (Feat. O Type Star)
09. Wisdom Can Rhyme (Feat. Wordz)
10. Reverse Racism (Feat. Rhymefest)
11. Emcee Haters (Feat. Mr. Greenweedz)
12. Interlude - My Intentions
13. You Reap What You Sow (Feat. All Natural)
14. Immortal Brilliance (Feat. Atma & DJ ILLanoiz)
15. This Is Where We Stand (Feat. Thawfor, Patience & DJ Journey)
16. Pestalozzi (Feat. Qwel)
17. Follow The Line (Feat. Costum)
18. What Goes Up Must Come Down (Feat. Earatik Statik)
19. Life After Q.I. (Feat. Infinito 2017)
20. Outro (Said And Done) (Feat. Karma ThreeSixty)
21. Shooter's Anthem (Bonus) (Feat. Nova ILLa & DJ ILLanoiz )

Review:
Es scheint, als sei er aus dem Nichts aufgetaucht, um kurz danach auch wieder dort zu verschwinden. Vector Sigma ist ein Produzent aus dem Herzen Chicagos, der Anfang des neuen Jahrtausends anfängt, Tracks mit der Underground-Elite seiner Heimatstadt aufzunehmen. Er selbst scheint eine dubiose Person zu sein, charakterisiert er sich doch selbst als "unberechenbar". Nach einer schweren Kindheit (sein Vater war während dieser Zeit hinter Gittern) beginnt er zuerst unter dem Beinamen Mimic (aufgrund seiner Fähigkeiten, die Styles anderer Produzenten zu imitieren) und nennt inzwischen eine Sammlung von über 10000 Platten sein Eigen. Grund genug, "The Key Volume 1" unter die Lauscher zu nehmen.

WRITTEN FOR Rap4Fame
 
Dass nicht nur sein Künstlername, sondern auch der Albumtitel aus dem Transformers-Universum adoptiert wurden, sollte kein falsches Bild vermitteln - ein etwaiges Albumkonzept schreibt Vector seinen Gästen nicht vor, ebensowenig findet sich in den Instrumentals ein roter Faden. Lediglich das "Intro" setzt sich aus Sample-Schnipseln des Films zusammen. Ansonsten ist die Scheibe durch und durch das, was sie sein möchte: der Bodensatz für seine Emcees. Imitationen anderer Produzenten jedenfalls muss man keine befürchten, Vector praktiziert seinen ganz eigenen Stil, den er dank großer Plattensammlung mit ausgefallenen Samples und mitunter Electro-Einflüssen anreichert. Die Stärke der LP liegt also in der Kombination aus eigenständigen Instrumentals und der wahrhaft königlichen Auswahl an Gästen, die repräsentativer für Chi's Untergrund nicht sein könnte: Von Frontline über G4 hin zu den Molemen oder All Nat hat Sigma sie alle - und für alle auch den passenden Sound. Für He.llsent (der über eine verlorene Liebe rappt) beispielsweise werden einem Klavier melancholische Töne entlockt und Capital D bekommt in einem der besten Tracks der Scheibe die zu ihm so passenden Streicher vorgesetzt, auf die er in Höchstform über ignorante Fake-Rapper referiert. Doch Kritik lässt sich ebenfalls finden: Zwar sind Vector's Produktionen herzhaft roh, manchmal jedoch scheinen die starken Ideen nicht richtig kanalisiert worden zu sein. Bestes Beispiel hierfür ist "Pestalozzi", mit Qwel eigentlich ein Sureshot, der jedoch zu dreckig und unstrukturiert daherkommt, um volle Qualität zu entfalten. Nichtsdestoweniger sind die Tracks wohl durchdacht und bieten eine erfreuliche inhaltliche Vielfalt. Wo J.U.I.C.E. sich in "Armageddon" noch mit Battle-Raps zeigt, wirft Rhymefest in "Reverse Racism" einen sarkastischen Blick auf die Rassendiskussion und schlüpft Mr. Greenweedz mit reichlich Selbstironie in die Rolle eines "Emcee Haters" (und bekommt dabei leider nicht den besten Beat ab). Neben den vielen Größen der Szene wird außerdem Nova ILLa vorgestellt, der ebenfalls auf Third Op gesignt war/ ist und dessen eigenes Album im Booklet angekündigt ist. Vermerkenswert ist sein "Shooter's Anthem", ein atmosphärisch sehr dunkles Stück. In ähnlichen Gefilden bewegt sich Lord360, der den "Wasteland Broadcast" sendet, in den auch Infinito gepasst hätte, da er mit seinem "Life After Q.I." ein postapokalyptisches Szenario, tausend Jahre in der Zukunft, zeichnet. Für den Einsatz mystisch-eingängiger Geigen gebührt besonderer Respekt hierbei auch Sigma. Prime bleibt im Hier und Jetzt und seziert in "The Unseen Hand" die Neue Weltordnung, Costume kämpft sich durch ein futuristisches "Follow The Line". Das Highlight der Scheibe kann sich allerdings Wordz sichern, der in "Wisdom Can Rhyme" über einen überraschend locker-munteren Beat eine Love-Story erzählt.

Es muss eigentlich nur so viel gesagt werden: Wer dieses Album aufgrund seiner Features interessant findet, der sollte es sich besorgen. Vector Sigma hält, was seine Gäste versprechen. Sowohl er selbst als auch Third Op versanken nach dieser Scheibe - wenngleich einiges Material, unter anderem "The Key Volume 2", angekündigt wurde - mehr oder weniger im Nichts, was diese Scheibe zum bis dato einzigen Vermächtnis Sigma's macht. "The Key Volume 1" ist schlichtweg guter, hundertprozentiger Chicago-HipHop, wobei durchaus einige schwächere Tracks mit im Aufgebot sind, was das Album insgesamt von höheren Noten abhält.

7.5 / 10